Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Schluss mit immer weitergehenden Polizeibefugnissen!

(Berlin) - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) blickt mit großer Sorge auf aktuelle Pläne des Bundesinnenministeriums. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll heimlich in Wohnungen eindringen dürfen, um Spionagesoftware auf Computern und Smartphones zu installieren. Zudem soll das BKA das gesamte Internet zum Abgleich von Gesichtern einzelner Bürgerinnen und Bürger durchforsten dürfen. Sensible polizeiliche Datenbestände sollen zentral zusammengeführt werden, um sie mit Künstlicher Intelligenz zu analysieren.

"Wenn Bürgerinnen und Bürger nicht mehr sicher sein können, ob der Staat vielleicht hinter ihrem Rücken in ihre Wohnung eingedrungen ist, um IT-Geräte zu infiltrieren, gerät der Rechtsstaat in seinen Grundfesten ins Wanken", mahnt Rechtsanwältin Dr. h.c. Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. Das Bundesinnenministerium begründet seinen Vorstoß damit, durch heimliche Wohnungsdurchsuchungen leichter Trojaner installieren zu können als aus der Ferne.

"Man muss sich klarmachen, dass auch der in den letzten Jahren inflationär legalisierte Staatstrojaner extrem problematisch ist, weil dies Anreize für den Staat schafft, gefährliche IT-Sicherheitslücken nicht zu schließen", gibt die DAV-Präsidentin zu bedenken.

Der gläserne Bürger im Netz?

Werden sich Bürgerinnen und Bürger künftig noch anonym im Internet bewegen können? Das BMI plant eine Art elektronische Rasterfahndung im Internet: Die bei den Ermittlungsbehörden vorhandenen Bilder sollen mit online öffentlich verfügbaren Bildern und Videos automatisiert abgeglichen werden - dies betrifft insbesondere Social-Media-Inhalte.

"So ein Vorhaben wirft Grundsatzfragen auf, denen man sich stellen muss, bevor in der polizeilichen Praxis Fakten geschaffen werden", betont Kindermann. "Das Fotografieren und Filmen in der Öffentlichkeit und das anschließende Teilen in den Netzwerken werden immer weiter zunehmen. Nicht selten sind Unbeteiligte miterfasst. Es findet also eine weitreichende bildliche Dokumentation des Alltags - durch Private - statt, die sich mit solchen polizeilichen Befugnissen leicht zur Massenüberwachung entwickelt."

Jedes Smartphone würde letztlich zu einer potenziellen Videoüberwachungsanlage - und das ohne Kontrollmöglichkeit, unter welchen Umständen die Aufnahmen zustande gekommen sind oder ob sie die Rechte der Betroffenen verletzen.

Datenschatz außer Reichweite von Justiz und Anwaltschaft

Geplant ist auch die Zusammenlegung und systematische, KI-gesteuerte Auswertung riesiger polizeilicher Datenbestände. Darin enthalten sind etwa Daten aus Strafverfahren, die nicht nur Beschuldigte, sondern auch Zeug:innen, Geschädigte und Rechtsanwält:innen betreffen. "Dies wäre ein Dammbruch, der im vorliegenden Entwurf nicht ansatzweise verfassungskonform eingehegt wird", mahnt die DAV-Präsidentin. "Das BKA würde auf einem riesigen Datenschatz sitzen, in den umgekehrt die Staatsanwaltschaften und Gerichte keinen Einblick haben. Gleiches gilt für die Anwaltschaft. Auf welcher Grundlage die KI ein Verdachtsmoment generiert hat, ist für die Betroffenen und ihre Rechtsbeistände weder transparent noch juristisch angreifbar."

Die Pläne des BMI sind Teil eines Referentenentwurfs zur Änderung des Bundeskriminalamtsgesetzes, der letzte Woche an die Öffentlichkeit gelangte. Ersten Reaktionen war zu entnehmen, dass der Entwurf unter den Koalitionsfraktionen offenbar nicht abgestimmt wurde - er setzt auch keine Vereinbarungen des Koalitionsvertrages um, sondern widerspricht diesem sogar.

In den letzten Jahren wurden die Befugnisse von Bundes- und Landespolizeien kontinuierlich ausgeweitet. Die Koalition hatte sich daher zu Recht dem Anliegen verschrieben, diese Entwicklung und die damit einhergehenden weitreichenden Eingriffe in die Freiheitsrechte fundiert zu evaluieren und verfassungsrechtlich Maß zu halten, indem eine Überwachungsgesamtrechnung aufgestellt und eine sogenannte Freiheitskommission eingesetzt wird. Diesen Zielen fühlt sich das Innenministerium offenbar nicht mehr verpflichtet, denn der nun bekannt gewordene Entwurf weist in eine ganz andere Richtung.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Pressestelle Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Fax: (030) 726152190

(mw)

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