Pressemitteilung | Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH)

Russusch Roulette bei der Steuerpflicht

(Berlin) – Der Entwurf des sogenannten Haushaltsbegleitgesetzes 2004, den die Bundesregierung Mitte August vorgelegt hat, ist für Steuerexperten eine wahre Fundgrube für Überraschungen. Vor allem die Lektüre von Artikel 10 „Änderung des Umsatzsteuergesetzes...“ hat es in sich. Heimlich, still und leise und ohne vorherige Ankündigung hat das Bundesfinanzministerium die Vorschrift des § 13b Umsatzsteuergesetz über die Verlagerung der Umsatzsteuerschuld auf den Leistungsempfänger um zwei Tatbestände erweitert. Nach dem Willen des Bundesfinanzministers soll künftig der Kunde die Umsatzsteuer schulden und beim Finanzamt anmelden, wenn er Gebäudereinigungsdienste oder Bauleistungen an Gebäuden in Anspruch nimmt – vorausgesetzt er ist selbst Unternehmer. Das gilt dann auch, wenn er eine Leistung für seinen Privatbereich in Anspruch nimmt.

„Wir sind hier aus allen Wolken gefallen, als wir davon erfahren haben“, sagt Markus Deupmann, Steuerabteilungsleiter bei der Dussmann AG & Co. KGaA. „Das wird für gehörige Unruhe und Unsicherheit bei unseren Kunden sorgen. Viele davon hatten bisher noch nie etwas mit der Umsatzsteuer zu tun.“ Tatsächlich zählen zu den Kunden der Gebäudereiniger auch viele Einrichtungen gemeinnütziger Träger, etwa Krankenhäuser und Altenpflegeheime. Diese erbringen nur umsatzsteuerfreie Leistungen und mussten deshalb noch nie eine Umsatzsteuererklärung ausfüllen. Die geplante Regelung wird daher Viele in das Besteuerungsverfahren treiben, denen dies bisher erspart geblieben ist. Betroffen sind aber auch private Vermieter, die mehr als zwei Wohnungen vermieten.

Der Gesetzentwurf bedeutet wieder eine neue Verkomplizierung des Steuerrechts und eine Welle von Bürokratie für die Betroffenen, die das Bundesfinanzministerium mit dem prinzipiell richtigen Ziel der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges rechtfertigen will. „Das Umsatzsteueraufkommen wird hierdurch eher sinken“, prophezeit Deupmann. Er befürchtet aus Erfahrung, dass die Kunden verstärkt auf Schwarzarbeiter zurückgreifen werden - oder die Reinigungskräfte gleich selbst anstellen.

Kompliziert auch die geplante Regelung für Bauleistungen: Die Umsatzsteuer knüpft hier künftig an eine Vorschrift aus dem Ertragsteuerrecht an. Immer dann, wenn es sich um eine Bauleistung handelt, die der Bauabzugsteuer im Sinne des Einkommensteuergesetzes unterliegt, geht künftig die Umsatzsteuerschuld auf den Auftraggeber über. Dies allein ist für den Steuerunkundigen schon schwer zu durchschauen. Doch noch undurchsichtiger wird es, wenn es darum geht, eine Bauleistung im Sinne der Bauabzugsteuer überhaupt als solche zu erkennen.

Service des Bundesfinanzministeriums: Es hat eigens hierfür bereits eine lange Liste mit Einzelfällen und Abgrenzungskriterien aufgestellt. Wer hätte beispielsweise geahnt, dass eine Fassadenreinigung, die ja eigentlich zur Gebäudereinigung gehört, unter Umständen auch eine Bauleistung sein kann? Niemand würde allen Ernstes das Anlegen eines Rasens oder eines Blumenbeetes als Bauleistung bezeichnen. Handelt es sich jedoch dabei um eine Dachbegrünung, so wird nach der Liste des BMF eine Bauleistung daraus. Zum Aus-gleich fallen die Dienste von Architekten und Bauingenieuren nicht unter die Bauabzugsteuer.

Wer in der Vergangenheit mit der korrekten Zuordnung seiner Leistung ein Problem hatte, konnte sich auf relativ einfache Weise behelfen, indem er seinem Kunden eine Freistellungsbescheinigung vorlegte. Diese befreite ihn von der Verpflichtung, die Bauabzugsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Dieses Verfahren ist auch allein der Grund dafür, dass die komplizierte Abgrenzung in der Praxis bisher nicht zum Fiasko führte. „Ein Freistellungsverfahren wie bei der Bauabzugsteuer ist bei der Umsatzsteuer nach dem derzeitigen Gesetzentwurf aber nicht geplant. Das wird dazu führen, dass die Verpflichtung des Kunden zur Einbehaltung der Bauabzugsteuer einerseits und der Umsatzsteuer andererseits auseinanderfallen kann“, so Simone Draheim, Steuerexpertin beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).

Die Verwirrung ist perfekt und das mit bösen Folgen für die Betroffenen: Denn wer bei der Zuordnung der Leistung einen Fehler macht – sei es als Leistender oder als Kunde – kann bei einer späteren Prüfung durch das Finanzamt zur Kasse gebeten werden und darf die Umsatzsteuer noch einmal berappen. Allein dieses Risiko könnte den Druck insbesondere privater Kunden auf die Unternehmer erhöhen, Leistungen künftig ohne Rechnung zu erbringen.

Die Idee, die Umkehrung der Umsatzsteuerschuld an die Bauabzugsteuer zu koppeln, ist zwar nicht besonders neu, jedoch war sie auch noch nie besonders gut. „Der Vorschlag ist systematisch nicht durchdacht, weil die steuerlichen Anknüpfungspunkte für Umsatzsteuer und Ertragsteuern grundverschieden ausgestaltet sind“, kritisiert die ZDH-Steuerexpertin. Darüber hinaus fallen die Zeitpunkte für die Entstehung der Steuerschuld bei der Umsatzsteuer und für die Abführung der Bauabzugsteuer auseinander. Bisher ungeklärt ist auch, wie in Zukunft die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug bei Bauleistungen ausgestaltet sein soll. Draheim: „Wenn die Umsatzsteuerschuld auf den Kunden verlagert wird, hat der Bauleistende keinen Anspruch mehr auf Zahlung der Umsatzsteuer durch den Abnehmer der Leistung. Für die Bauabzugsteuer wird aber von einer Bemessungsgrundlage Nettoentgelt plus Umsatzsteuer ausgegangen.“

Sollte sich das Bundesfinanzministerium mit seinen Gesetzesvorschlag durchsetzen, besteht die Gefahr, dass die steuerliche Pflichterfüllung in Zukunft sowohl für die betroffenen Handwerksbetriebe als auch für ihre Kunden zum russischen Roulett gerät.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH) Mohrenstr. 20 /21, 10117 Berlin Telefon: 030/206190, Telefax: 030/20619460

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