Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Rürup-Kommission: An den Menschen vorbei

(Berlin) - Zur Vorstellung des Minderheitenvotums zu den Ergebnissen der Rürup-Kommission erklärten die stellvertretende DGB-Vorsitzende, Ursula Engelen-Kefer, und der Vorsitzende der IG BAU, Klaus Wiesehügel 28. August in Berlin:

"Die Arbeit der Rürup-Kommission ist zu Ende - und das ist gut so. Reformen sind mehr als versicherungsmathematische Modellrechnungen. Sie müssen die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen berücksichtigen. Genau das hat die Rürup-Kommission nicht ausreichend getan.

Der Auftrag für die Rürup-Kommission war offensichtlich eine Nummer zu groß. Besonders deutlich wird das daran, dass sie nicht in der Lage war, einen gemeinsamen Vorschlag zur nachhaltigen Finanzierung der GKV vorzulegen. Wir halten es für eine unzulässige Verengung der Diskussion, lediglich zwei idealtypische Modelle - Kopfprämien und Bürgerversicherung - gegenüberzustellen. Wir bedauern, dass verschiedene Anregungen zu praktikablen Alternativen und viele Elemente beider Modelle nicht ernsthaft behandelt wurden. Statt dessen schlägt die Kommissionsmehrheit ein derartiges Bündel von Einschnitten für heutige oder zukünftige Rentner vor, dass man sich fragen muss, ob die Herren Professoren nur von ihren eigenen komfortablen Altersbezügen ausgehen.

Gescheitert ist die Kommission auch an der Aufgabe, geschlechtergerechte Vorschläge vorzulegen. So würde zum Beispiel die vorgeschlagene Absenkung der Rentenhöhe durch den Nachhaltigkeitsfaktor Frauen stärker belasten als Männer.

Die Gewerkschaften schlagen in ihrem Minderheitenvotum folgende Kernpunkte für die nachhaltige Finanzierung der Sozialversicherungen vor:

1. Eine gesellschaftliche Initiative zur Beendigung der willkürlichen Frühverrentung, um das tatsächliche Rentenalter an die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren heranzuführen. Dabei müssen die gesundheitliche Prävention und Qualifizierung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben besonders gefördert werden. Darüber hinaus muss ernsthaft geprüft werden, Unternehmen, die ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen, stärker an den Folgekosten der Arbeitslosigkeit für die sozialen Sicherungssysteme zu beteiligen.

2. Ein zukunftsfähiges solidarisches Rentensystem sollte sich nicht an einem pauschal festgelegten Renteneintrittsalter orientieren, sondern an der Zahl der Beitragsjahre. Das bestehende System führt gerade bei körperlich hart arbeitenden Menschen, die über 40 Jahre Beiträge eingezahlt haben, zu ungerechten Härten durch zusätzliche Abschläge bei der Altersrente. Das wird umso mehr gelten, wenn das gesetzliche Rentenalter für alle auf 67 Jahre angehoben werden sollte.

3. Für mehr soziale Gerechtigkeit und eine mittel- und langfristige Stabilisierung der Sozialsysteme sollten sich alle Bürgerinnen und Bürger an der solidarischen Finanzierung der Sozialversicherungen beteiligen. Die Ausweitung des versicherten Personenkreises sollte in der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch die Anhebung der Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze ergänzt werden. Auch sollten Mieten, Zinsen und andere Kapitaleinkünfte zur Finanzierung von sozialer Sicherheit herangezogen werden.

4. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte darf nicht länger auf Kosten der Beitragszahler gehen. Um die Sozialversicherungen zu entlasten und die Sozialabgaben nachhaltig zu senken, müssen die sozialen Sicherungssysteme grundlegend von der Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben befreit werden. Hierzu sind verlässliche Bundeszuschüsse vorzusehen.

Der Ball liegt nun wieder dort, wo er hingehört: Im Feld der Politik, die sich vor den Bürgerinnen und Bürgern verantworten muss. Es ist höchste Zeit für politische Entscheidungen, damit die Verunsicherung der Menschen durch ständige unausgegorene Vorschläge zum Abbau der Sozialen Sicherung ein Ende hat."

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060-324

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