Rückgang der Insolvenzen gestoppt / Insolvenzschäden steigen rasant / Jeder zehnte Verbraucher verschuldet / Zahlungsmoral schwächelt auf hohem Niveau / Herbstumfrage der Inkassounternehmen
(Berlin) - Die Euro-Krise hinterlässt erste Spuren in der deutschen Wirtschaft. Der Rückgang der Unternehmensinsolvenzen scheint gestoppt, nächstes Jahr könnten sie laut dem Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) auf 32.000 Fälle steigen (Prognose 2012: 30.500). Die Insolvenzschäden steigen 2012 sogar um drei Viertel auf voraussichtlich bis zu 55 Milliarden Euro (2011: 31,5 Milliarden Euro).
Gleichzeitig zeigt die Zahlungsmoral erste Schwächesymptome. Zwar melden noch 70 Prozent der deutschen Inkassounternehmen in ihrer traditionellen Herbstumfrage: Die Zahlungsmoral ist unverändert gut. Aber 24 Prozent berichten, dass Rechnungen aktuell schlechter bezahlt werden als im Frühjahr. Vor dem Hintergrund einer sich eintrübenden Konjunktur rechnen 47 Prozent der Inkassounternehmen für 2013 mit einer schlechteren Zahlungsmoral.
Die wichtigsten Gründe, warum Unternehmen ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, sind aktuell hohe Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden (77 Prozent der Inkassounternehmen melden das) sowie ein momentaner Liquiditätsengpass (68 Prozent). "Für Unternehmen ist es entscheidend, ihr Forderungsmanagement krisensicher aufzustellen, um sich für die Konjunktureintrübung zu wappnen", so BDIU-Präsident Wolfgang Spitz bei der Vorstellung der BDIU-Herbstumfrage am Donnerstag in Berlin.
Betrügerische Bestellungen im Internet nehmen zu
Ein drängendes Problem insbesondere für den Handel ist laut Inkasso-Herbstumfrage die Zunahme betrügerischer Bestellungen. "Das ist eine moderne Form der Zechprellerei, deren Methoden immer raffinierter werden", beklagt Spitz. "Die Kosten trägt der ehrliche Kunde über höhere Preise mit." Teilweise würden sich Betrüger in Onlineforen über die Lieferbedingungen einzelner Händler austauschen. "Die Wirtschaft braucht Instrumente, um sich davor zu schützen", fordert Spitz. Gläubiger müssten zum Beispiel Anschriften umgezogener Schuldner mit den Informationen der Meldeämter abgleichen können, da ein Umzug, ohne den Gläubiger über die neue Adresse zu informieren, zu den verbreiteten Betrugsmethoden gehört. "Diesen Abgleich für die Wirtschaft einzuschränken wäre Schuldnerschutz, aber kein Datenschutz. Das würde die Unsitte von betrügerischen Bestellungen im Internet fördern."
Schlechte Zahlungsmoral: Hauptursache Überschuldung
Erneut erwarten die Inkassounternehmen in diesem Jahr über 100.000 Verbraucherinsolvenzen (2011: 103.289). Jeder zehnte Verbraucher ist verschuldet. Gründe, warum Verbraucher Rechnungen aktuell nicht vereinbarungsgemäß bezahlen, sind laut Herbstumfrage Überschuldung (95 Prozent der Inkassounternehmen melden das), Arbeitslosigkeit (61 Prozent) und ein vorsätzliches Nichtzahlen (57 Prozent). "Trotz guter Konjunktur und niedriger Arbeitslosigkeit ist es bislang nicht gelungen, die Schuldenkrise der Privathaushalte in den Griff zu bekommen", kritisiert BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer. "Auf lange Sicht ist das eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland."
Kremer: "Schuldnerkarrieren beginnen oft in den frühen Lebensjahren. Leider haben auch immer mehr junge Leute Schulden."
Gründe für Jugendverschuldung sind zu hohe Konsumausgaben (79 Prozent der Inkassounternehmen bestätigen das), zu geringe Eigenverantwortung (72 Prozent) und ein schlechtes Vorbild des Elternhauses (67 Prozent). Telekommunikationsunternehmen (83 Prozent) und Onlinehändler (79 Prozent) sind die Hauptgläubiger junger Schuldner. "Den Umgang mit Geld muss man lernen", so Marion Kremer. "Nicht jeder Jugendliche hat das Glück, dass sein Elternhaus ihn dabei unterstützt. Wir sehen die Schulen in der Pflicht. Sie müssen ihr Lernangebot so ausgestalten, dass allen Schülerinnen und Schülern die wichtigsten Fertigkeiten vermittelt werden, die sie benötigen, um in der heutigen, komplexen Wirtschaftswelt zu bestehen. Der Umgang mit Geld muss ein Schulfach werden."
Schnellere Restschuldbefreiung sendet falsche Signale
Kritisch sieht der BDIU die von der Bundesregierung beabsichtigte Verkürzung der Wohlverhaltensperiode im Verbraucherinsolvenzverfahren. "Das sendet falsche Signale und könnte von unredlichen Verbrauchern als Einladung zum Schuldenmachen missverstanden werden", so Kremer. Gläubiger würden benachteiligt. 61 Prozent der Inkassounternehmen erwarten schlechtere Realisierungsquoten, sollte das Gesetz wie vorgeschlagen in Kraft treten.
Besser als eine Verkürzung der Wohlverhaltensperiode, die an starre Mindestquoten geknüpft ist, wären laut Kremer eine Stärkung außergerichtlicher Schuldenbereinigungen und die bessere Ausarbeitung von Insolvenzplanverfahren bei der Verbraucherinsolvenz. "Die Schuldner müssen sich dann konkret mit ihrer finanziellen Situation auseinandersetzen", beschreibt Kremer. "Die Pläne müssten fallabhängig ausgehandelt werden mit genauen Befriedigungszielen für die jeweiligen Gläubiger und individuellen Quoten für die Schuldner. Der Vorteil für die Gläubiger wären höhere Realisierungschancen. Schuldnern schafft das Anreize, durch eigene Anstrengungen zu einer schnelleren Restschuldbefreiung zu kommen und so einen wirtschaftlichen Neustart zu schaffen. Diese Lösung sollte gestärkt werden."
Detaillierte Informationen zur Herbstumfrage der Inkassounternehmen finden Sie unter www.inkasso.de.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU)
Marco Weber, Pressereferent
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Telefon: (030) 20607360, Telefax: (030) 206073633