Rückgang der Arzneimittelausgaben 2004 um 10,5 Prozent / Zuzahlungen bei Arzneimitteln steigen um 400 Mio. Euro
(Essen) - Im Bereich der Arzneimittelausgaben führt die Gesundheitsreform (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG) in diesem Jahr zu einem deutlichen Ausgabenrückgang. Gaben die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr noch 22,8 Mrd. Euro für Arzneimittel aus, werden es aktuellen BKK-Schätzungen nach in diesem Jahr 20,4 Mrd. Euro sein, was einer Netto-Einsparung von 2,4 Mrd. Euro entspricht. Bezieht man die durch das GMG geänderten Abschlagsregelungen mit ein, ergibt sich ein theoretisches Entlastungsvolumen für die gesetzliche Krankenversicherung von 2,9 Mrd. Euro. Entscheidende Gründe für den Rückgang waren die Ausgliederung der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel (OTC-Präparate) aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, der höhere Herstellerrabatt (16 Prozent gegenüber 6 Prozent im vergangenen Jahr) sowie die höheren Zuzahlungen. Das Zuzahlungsvolumen insgesamt wird sich unterm Strich um 400 Mio. Euro erhöhen.
Scheininnovationen bleiben die Kostentreiber
Rund 20 Prozent aller verordneten Arzneimittel sind Scheininnovationen, die unter Patentschutz stehen und besonders teuer sind, dabei aber keinen therapeutischen Zusatznutzen haben. Dabei sind sie mit durchschnittlich 79,73 Euro mehr als doppelt so teuer wie eine durchschnittliche Verordnung, die auf 32,21 Euro kommt. Scheininnovationen bleiben die Kostentreiber Nr. 1. Mit der Gesundheitsreform und als Folge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt worden. Sie legt nun wieder Festbeträge auch für Scheininnovationen fest. Somit kann immer dann eine Erstattungsobergrenze durch die gesetzliche Krankenversicherung festgelegt werden, wenn mehrere vergleichbare Präparate auf dem Markt sind. Damit gibt es Höchstpreise nur noch für Höchstleistungen.
Die Festbetragsregelung ist hochgradig politisiert. Tatsache ist, dass sich in den letzten 15 Jahren Festbeträge als das einzige Steuerungsinstrument erwiesen haben, das nachweislich kostendämpfend wirkt. Gleichwohl sind die Rahmenbedingungen für die pharmazeutische Industrie im europäischen Vergleich sehr gut. Nirgendwo anders können Arzneimittel mit dem Tag ihrer behördlichen Zulassung grundsätzlich auch auf Kosten des nationalen Gesundheitssystems verordnet werden und dass auch noch zu Preisen, die der Hersteller selbst bestimmt.
Einsparziel durch Festbeträge wird 2007 erreicht
Die Verzögerungen haben dazu geführt, dass das Einsparziel aus dem GMG von einer Mrd. Euro durch die Wiedereinführung von Festbeträgen auch für patentgeschützte Arzneimittel ohne therapeutischen Fortschritt im kommenden Jahr noch nicht erreicht wird. Der Grundsatz Gründlichkeit vor Schnelligkeit bei der Bildung der Festbetragsgruppen sorgt für die größtmögliche Rechtssicherheit der Festbeträge. Für 2005 werden durch diese Erweiterung der Festbetragsregelung zusätzliche Einsparungen von 390 Mio. Euro erwartet, 2006 sollen es 740 Mio. Euro sein. Im Jahr 2007 schließlich wird die zusätzliche Mrd. erreicht werden.
Entlastung durch die neuen Festbeträge / Ausgabenrisiken für 2005
Im Zusammenhang mit der Preisbildung bahnt sich für das Jahr 2005 ein neuer Kostendruck an. So läuft das Preismoratorium des Beitragssatzsicherungsgesetzes Ende 2004 aus. Preiserhöhungen der Hersteller können dann nicht mehr durch erhöhte Abschläge für die Krankenkassen ausgeglichen werden. Spekuliert werden Preisanhebungen in Höhe von 5 Prozent insbesondere im nicht festbetragsgeregelten Markt, was Mehrausgaben in Höhe von 300 bis 500 Millionen Euro verursachen würde.
Ferner wird der Herstellerabschlag, der mit dem GMG für das Jahr 2004 für nicht festbetragsgeregelte Arzneimittel auf 16 Prozent angehoben war, wieder auf 6 Prozent zurückgeführt. Die Mehrbelastung von 880 Millionen Euro sollte durch die erweiterte Festbetragsregelung aufgefangen werden. Bei der nur stufenweise realisierbaren Umsetzung ist ein voller Ausgleich erst ab dem Jahre 2007 zu erreichen. Es verbleibt eine Deckungslücke von rund 500 Millionen Euro für das Jahr 2005. Hinzu tritt die Erwartung der Apotheken, den GKV-Abschlag von 2 Euro pro Packung anzupassen, wenn die Verordnungsmengen des Jahres 2004 gegenüber dem Jahr 2002 abweichen. Wird der für 2004 prognostizierte Rückgang der Verordnungen realisiert, ergibt sich aus dem geringeren Apothekenabschlag eine weitere Belastung von bis zu 100 Millionen Euro. In Verbindung mit der nach wie vor anhaltend hohen Strukturkomponente (Verordnung von Scheininnovationen statt bewährter und in der Regel günstigerer Präparate gemäß der ebenso alten wie falschen Regel: neu und teuer gleich innovativ und gut) kann sich rasch ein Ausgabenanstieg von über einer Milliarde Euro aufbauen. Diese gesetzlich angelegten Auswirkungen sorgen für Beunruhigung bei Politik und Kostenträgern, auch wenn bei einer solchen Ausgabensteigerung die Arzneimittelausgaben 2005 vermutlich noch immer unter denen des Jahres 2003 lägen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK-Bundesverband)
Kronprinzenstr. 6, 45128 Essen
Telefon: 0201/179-01, Telefax: 0201/179-1000
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