Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Riester-Entwurf zur Rentenreform korrekturbedürftig

(Berlin) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält den Entwurf von Bundesarbeitsminister Walter Riester zur Rentenreform weiterhin für korrekturbedürftig. „Zwar ist die Bundesregierung gegenüber ihren ursprünglichen Vorschlägen bereits auf die Gewerkschaften zugegangen. Das reicht aber bei weitem nicht aus,“ sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer am Dienstag in Berlin. Die für Oktober angekündigten Protestaktionen sollten deshalb wie geplant stattfinden.

Positiv wertete Engelen-Kefer die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Rente bereits ab 2001. Auch die soziale Komponente bei der Förderung der privaten Zusatzvorsorge entspräche den Forderungen der Gewerkschaften. „Es muss jedoch sichergestellt werden, dass hierbei tarifliche und betriebliche Altersvorsorge Priorität hat,“ sagte die DGB-Vize.

Die Gewerkschaften akzeptierten zwar wegen der demographischen Entwicklung den zusätzlichen Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge. Daran müssten allerdings die Arbeitgeber beteiligt werden. Nicht akzeptabel sei die starke Absenkung des Rentenniveaus. Gerade die jüngere Generation sei davon betroffen. Da viele, vor allem Frauen, weder 100 Prozent des Durchschnittsniveaus noch 45 Versicherungsjahre erreichten, würden durch die Absenkung immer mehr Versicherte als Rentner in die Nähe oder unter die Sozialhilfeschwelle geraten. Die vorgeschlagene Förderung der privaten Vorsorge sei kein ausreichender Ersatz für die Niveausenkung.

Der Ausgleichsfaktor sei eine willkürliche Bestrafung der jüngeren Generation. Auf ihn müsse verzichtet werden. Damit würde die private und betriebliche Vorsorge stärker zu dem ergänzenden Instrument, das sie sein solle, statt die Rentenversicherung teilweise zu ersetzen.


Statement

Es gilt das gesprochene Wort !

„Rentenstrukturreform 2000“

Dr. Ursula Engelen-Kefer, Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes
Der DGB ist Vertreter von Beitragszahlern und Rentnern in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Wir waren und sind immer zu den nötigen Reformen bereit, wobei auch immer eine Balance zwischen der Entwicklung von Beitragszahlungen und Rentenleistungen gefunden werden muss. Dies ist auch in der Vergangenheit erfolgt – ich darf nur an die große gemeinsame Rentenreform von 1989 erinnern, die 1992 in Kraft getreten ist.

Dabei wurden auch in Anpassung an die zu erwartende demographische Entwicklung erhebliche Beschränkungen der Rentenleistungen und damit eine Senkung des zu erwartenden Beitragssatzes um 12 Prozentpunkte erreicht (1 Prozentpunkt = 18 Mrd. DM).

Wir sind uns bewusst, dass – wie in der Vergangenheit – auch in der Zukunft Reformen notwendig sein werden.

Wir haben immer eigene Vorstellungen vorgelegt und unsere Zusammenarbeit angeboten. Unsere Vorschläge und Forderungen waren: Erhaltung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand; Ergänzung durch eine obligatorische betriebliche Altersversorgung; Einbeziehung aller Erwerbstätigen.

Wir sind auch der Auffassung, dass Reformen der Rentenversicherung im Konsens der großen Parteien erfolgen sollen.

Die neue Bundesregierung hat die schwerwiegenden Sündenfälle der Vorgängerregierung weitgehend bereinigt:

durch die Einbeziehung von geringfügig Beschäftigten, Scheinselbständigen und arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung sowie die Übertragung versicherungsfremder Leistungen (z. B. deutsche Renteneinheit, Frühverrentung und Familienzeiten) auf die Steuerzahler.

Dies war die Korrektur gravierender politischer Fehlleistungen und die Auflösung eines wichtigen Reformstaus, den die Vorgängerregierung als schwere Hypothek hinterlassen hatte.

Ein erheblicher Fehler war allerdings die Absenkung der Beiträge für Arbeitslosenhilfeempfänger an die gesetzliche Rentenversicherung sowie die willkürliche Umstellung der Rentenanpassung auf die Inflationssteigerung 2000 und 2001. Dies hat die Finanzen der GRV erneut belastet und Vertrauen gefährdet.

Die vorgelegten Vorschläge kommen den Gewerkschaften teilweise entgegen. Sie sind aber in wichtigen Teilen korrektur- und ergänzungsbedürftig.

Die Gewerkschaften akzeptieren den zusätzlichen Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge als Anpassung an die demographischen Veränderungen. Allerdings müssen daran die Arbeitgeber beteiligt werden. Deshalb wäre die gerechteste Lösung die Einführung einer obligatorischen betrieblichen Altersvorsorge.

Nicht akzeptieren können wir die starke Absenkung des Rentenniveaus, die mit dem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung jetzt verbunden ist.

Vor allem ist nicht ausreichend erkennbar, inwieweit unsere Forderungen nach Einbeziehung der Arbeitgeber in die Finanzierung und Verantwortung für die Zusatzvorsorge Berücksichtigung finden sollen.
Zwar ist die Bundesregierung gegenüber ihren ursprünglichen Vorstellungen bereits auf die Gewerkschaften zugegangen. Dies reicht aber bei weitem nicht aus.

Die Rückkehr zur nettolohnbezogenen Rentenanpassung bereits 2001 ist dringend erforderlich, bringt aber keine nennenswerten Verbesserungen beim Rentenniveau, da sich die Inflationssteigerung und die Nettolohnsteigerung kaum voneinander unterscheiden werden.

Den Forderungen der Gewerkschaften entspricht die soziale Komponente bei der Förderung der privaten Zusatzvorsorge. Es muss jedoch dringend sichergestellt werden, dass hierbei tarifliche und betriebliche Altersvorsorgesysteme Priorität haben.

Wir bieten weiterhin an, mit der Bundesregierung die notwendigen gesetzlichen Vorschriften zu erarbeiten.

Es soll offensichtlich dabei bleiben, dass das Rentenniveau vor allem für die Jüngeren stark abgesenkt wird (gemessen an heutigen Berechnungen des Rentenniveaus auf 61 %). Selbst das Niveau für den Rentenbestand soll auf rund 65 % sinken.

Ein Rentenniveau von 61 % bedeutet, dass ein Durchschnittsverdiener rund 30 Jahre Pflichtbeiträge entrichten muss, um überhaupt erst einmal eine Leistung auf Sozialhilfeniveau zu erhalten (Sozialhilfeniveau gleich etwa 40 % des durchschnittlichen Nettolohns). Bei dem heutigen Rentenniveau von rund 70 % reichen bereits 26 Jahre.

Da viele – vor allem Frauen, aber nicht nur diese – weder 100 % des Durchschnittverdiensts noch 45 Versicherungsjahre erreichen, geraten durch diese gravierende Absenkung des Niveaus mehr Versicherte als heute mit ihrer Rente in die Nähe oder sogar unter die Sozialhilfeschwelle. Hinzu kommt, dass die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wohl erfolgende Besteuerung der Renten gerade für die jüngeren Jahrgänge zu einer weiteren Senkung des Rentenniveaus führen wird.

Das notwendige Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wird hierdurch kaum wiederhergestellt werden können.

Die von der Regierung vorgeschlagene Förderung der privaten Vorsorge ist keinesfalls ein ausreichender Ersatz für das abgesenkte Niveau der gesetzlichen Rente.

Bei der angenommenen Verzinsung von 4 % pro Jahr hätte der Durchschnittsverdiener im Jahr 2030 gerade 70 DM mehr Gesamtversorgung als er an Rente ohne Reform hätte. Dies aber nur dann, wenn er ab 2001 jeweils den geförderten Höchstbeitrag zu privaten Vorsorge (ab 2008: 4 %) aufbringt. Trotz staatlicher Förderung ist seine Gesamtbelastung aber erheblich höher als ohne Reform.

Kein Wunder: bei der privaten Vorsorge ist kein Arbeitgeberbeitrag vorgesehen. Dies ist eine Aushöhlung der paritätischen Finanzierung der Altersvorsorge, die von den Gewerkschaften nicht akzeptiert wird. Der Teilersatz der gesetzlichen Rente durch die private Vorsorge bedeutet mehr Risiken, weniger Sicherheit, weniger Solidarität.

Besonders betroffen werden jene, die trotz staatlicher Förderung nicht privat vorsorgen können. Und - besonders betroffen sind Frauen: Da sie erheblich geringere Rentenansprüche als Männer haben, wirkt sich die geplante Absenkung des Rentenniveaus besonders negativ aus. Es sind zwar Verbesserungen bei der Höherbewertung der Rentenleistungen während der Kindererziehung für langjährig versicherte Frauen vorgesehen. Gleichzeitig soll jedoch die Hinterbliebenenrente verschlechtert werden, ohne dass ein über-zeugendes Konzept für die Partnerschaftsrente angeboten wird.

In der privaten Zusatzvorsorge müssen Frauen erheblich höhere Beiträge zahlen.

Aus all diesen Gründen ist für uns entscheidend, dass das Rentenniveau nicht so stark abgesenkt wird.
Der Ausgleichsfaktor ist eine willkürliche Bestrafung der jüngeren Generation. Auf ihn kann und muss verzichtet werden. Die Beitragssatzentwicklung in den nächsten 30 Jahren würde davon kaum berührt. 2020 beträgt die Einsparung gerade 0,1 und 2030 0,3 Punkte.

Wir schlagen vor, dass die Beiträge für Arbeitslosenhilfeempfänger wieder auf dem alten Niveau gezahlt werden. Dies würde bereits kurzfristig den Beitragssatz um 0,3 Punkte senken.

Darüber hinaus würde eine Einbeziehung weiterer Personenkreise –Stichwort Erwerbstätigenversicherung –über Jahrzehnte einen positiven Finanzsaldo für die gesetzliche Rentenversicherung ergeben. Gleichzeitig würde ein Beitrag zur Armutsvermeidung geleistet.

Der Verzicht auf den Ausgleichsfaktor würde die private und betriebliche Vorsorge stärker zu dem Instrument machen, das sie sein sollte, nämlich die Rentenversicherung ergänzen und nicht sie teilweise zu ersetzen.

Die jüngere Generation hätte eine klare Perspektive: was sie privat oder betrieblich vorsorgen, wird ihnen nicht bei der gesetzlichen Rente abgezogen.

Wir werden uns deshalb als Gewerkschaften weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen, dass die notwendigen Korrekturen erfolgen – hin zu mehr Gerechtigkeit und Sicherheit, vor allem für die jüngere Generation.

Die angekündigten Protestaktionen im Oktober werden dieser Forderung Nachdruck verleihen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Burgstr. 29-30, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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