Pressemitteilung | Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)

Rentenreform: Vom großen Wurf bleibt nur die große Idee

(Berlin) - Auszug aus dem Grußwort von GDV-Präsident Dr. Bernd Michaels anlässlich der 100-Jahrfeier des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) am 18. Mai 2001 in Berlin:

>es gilt das gesprochene Wort<

Mein letztes Thema muss natürlich der politischen Frage der letzten Woche gelten: der Rentenreform. Die Versicherungswirtschaft hat diese Reform seit Jahren und Jahrzehnten angemahnt. Es ist das Verdienst dieser Bundesregierung, erstmals die umlagefinanzierte gesetzliche Rente zu beschränken und die so entstehende Lücke durch eine private, kapitalgedeckte Altersvorsorge steuergefördert zu ersetzen. Und gleichzeitig muss der Vorwurf erhoben werden, dass es ein im einzelnen unbefriedigendes Gesetz ist, das im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens immer unbefriedigender, - nein einfach schlechter geworden ist. Eine Koalition, die um des lieben Friedens willen, ein so wichtiges Gesetz immer weiter verwässert, darf sich nicht wundern, wenn zum Schluss ein völlig unsystematisches und deshalb eben schlechtes Gesetz herauskommt. Schade um den großen Gedanken: es hätte ein großer Wurf werden können: nun bleibt nur die große Idee, aber eben schlecht umgesetzt.
In Kürze die wichtigsten Kritikpunkte:
1. Die Kriterien, die die Produkte erfüllen müssen, die steuerlich gefördert werden - also vor allem die Garantie der eingezahlten Beiträge und die lebenslange, mindestes gleichbleibend hohe Rente, sind Mindestkriterien, die dem Anspruch einer wirklichen Absicherung im Alter kaum gerecht werden. Das gilt um so mehr, als das Kriterium der lebenslangen, gleichbleibenden Rente im letzten Moment nun noch einmal verwässert wurde. Ein Gesetzgeber aber, der nicht festlegt, dass die lebenslange, gleichmäßige Rente auch bei der neuen Privatrente garantiert sein muss (in der umlagefinanzierten Rente, die doch nur insoweit ersetzt werden soll, ist das doch auch eine Selbstverständlichkeit !) handelt sozialpolitisch unverantwortlich! Er setzt das mühsam angesparte Kapital - und damit auch die Milliarden an DM, die der Steuerzahler als Förderung dazu zahlt - unter Umständen dem Zufall einer jeweiligen Börsensituation aus, - und das in der für den Rentner schwierigsten Lebensphase ! Und wir reden nicht von demjenigen, der im Alter 10.000.- DM aus verschiedenen Quellen monatlich zur Verfügung hat, sondern von der Rentnerin und dem Rentner, bei dem 500.- DM monatlich mehr oder weniger den Unterschied zwischen Altersarmut und einigermaßen zufriedenem Lebensabend ausmachen. Wenn der Gesetzgeber diesen Fehler nicht schnell beseitigt, hat er nicht nur das Ziel des Gesetzes geradezu in sein Gegenteil verkehrt, die Situation des Rentners gegenüber heute nicht verbessert, sondern verschlechtert und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, zutiefst unsozial gehandelt zu haben.
2. Die besondere und übermäßige Förderung der betrieblichen Altersvorsorge gegenüber der privaten - also die Bevorzugung der zweiten gegenüber der dritten Säule - mag Gewerkschaften befriedigen und ihrem Wunsch auf mehr Einfluss entgegenkommen. Schon heute hört man die Forderung, dass auf diese Weise auch die paritätische Finanzierung dieser neuen privaten Ersatzrente, also die Beteiligung des Arbeitgebers an der Finanzierung, erreicht werden soll, obwohl man dann ein Ziel des Gesetzes, nämlich die Lohnnebenkosten nicht noch weiter steigen zu lassen, wieder aushebeln würde. Eine solche Bevorzugung der betrieblichen Altersvorsorge ist aber durch nichts gerechtfertigt, steht der Eigenverantwortung des einzelnen entgegen, ist damit systemfremd und wird den Absatz bekannter und langfristig bewährter Produkte erschweren, - hoffentlich nicht zu Lasten unserer Kunden. Und wenn man dann noch feststellen muss, dass ausgerechnet die Direktversicherung - das Instrument der betrieblichen Altersvorsorge in kleinen und mittleren Betrieben und das auch wieder ganz besonders in den neuen Bundesländern - nicht gleichermaßen gefördert wird, ist das eine mittelstandsfeindliche Maßnahme! und kommt einem die Annahme, hier handle es sich um einen Kotau vor den Gewerkschaften, recht glaubhaft vor. Und ob von Gewerkschaften gemanagte oder auch nur mitgemanagte Tariffonds eine sichere Altersvorsorge darstellen, darf nach den Erfahrungen mit Neuer Heimat, BfG und anderen Abenteuern jedenfalls leise gefragt werden. Aber das - und es mag zynisch klingen - beunruhigt Politiker vielleicht weniger, weil die Folgen falscher Weichenstellungen heute, erst nach Jahrzehnten, also nach vielen weiteren Legislaturperioden, zum Tragen kommen werden.
3. Und darüber hinaus ist das Gesetz in der Durchführung derartig kompliziert, dass es das Produkt verteuern wird, - ganz abgesehen von notwendigen neuen Planstellen in der Verwaltung, was doch nun wirklich nicht in die Zeit passt. Aber vielleicht ist ja gerade diese Kompliziertheit eine - ungewollte und ungeplante - Chance für den selbständigen Vermittler. Nur er wird in der Lage sein, dem Kunden die geänderte Rentenversorgung, das neue Rentensystem und vor allem die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Fördermittel so zu erläutern, dass er in die Lage versetzt wird, das auf seine spezielle Lebenssituation passende Produkt auszuwählen. Das Gesetz ist entgegen mancher von Dummheit geleiteter Bemerkungen in der Öffentlichkeit weder für die Versicherungswirtschaft gemacht noch wird es ein Selbstgänger für den Absatz von Versicherungsprodukten sein. Es bietet aber die Chance, mit dem Kunden über seine Alters- und Hinterbliebenenversorgung, vor allem auch über die verschlechterte Situation im Fall der Berufsunfähigkeit insgesamt zu sprechen. Und das endet dann nicht mit der sog. "Riesterrente", sondern muss darüber hinaus gehen.
Aber auch wenn das Gesetz noch so unbefriedigend ist, hat es die Versicherungswirtschaft für richtig gehalten (allerdings kannten wir damals noch nicht die Änderungen, die in der letzten Nacht vor der Verabschiedung eingefügt worden sind), dass das Gesetz mit seinem Einstieg in einen Teil kapitalgedeckter Vorsorge jetzt in Kraft getreten ist. Es ist nicht, wie man meinen könnte, der Wunsch nach schnellem Geschäft: wir hätten mit dem ausschließlichen Verkauf unserer klassischen Lebensversicherung als optimale Altersvorsorge noch viele Jahre weiter leben können. Aber schon heute haben wir gegenüber allen vergleichbaren Ländern Jahre und Jahrzehnte versäumt und jede weitere Verzögerung ginge zu Lasten der jüngeren Generation, die noch weniger Zeit für den Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersvorsorge hätte. Deshalb sollte man eher die Möglichkeit wählen, die gröbsten Fehler des Gesetzes auch auf dem Gesetzweg möglichst rasch zu berichtigen. Das ist allerdings auch nötig! Die Versicherungswirtschaft wird sich aber auch durch ein fehlerbehaftetes Gesetz nicht daran hindern lassen, allen Kunden ihre Produkte zur Altersvorsorge, die allen Anforderungen gerecht werden und alle entstehenden Lücken auszufüllen in der Lage sind anzubieten. Und Sie werden Ihre Kunden sorgfältig und fachgerecht beraten. Die Symbiose zwischen Versicherungsunternehmen und Vermittlern wird sich hier in besonderem Masse wieder einmal bewähren.

Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) Friedrichstr. 191-193a 10117 Berlin Telefon: 030/20205000 Telefax: 030/20206000

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