Regierungsentwurf zum Steuerfortentwicklungsgesetz: Kleinster gemeinsamer Nenner im Gemeinnützigkeitsrecht
(Berlin) - Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz - SteFeG) - bislang bekannt als Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024 II) - beschlossen.
Regierungsentwurf als Minimalkompromiss
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen bekräftigt seine bereits im Rahmen der Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (vgl. Stiftungsposition 07-2024) geäußerte Einschätzung, dass der vorliegende Regelungsinhalt der im Koalitionsvertrag vereinbarten Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts noch nicht gerecht wird. Der Regierungsentwurf greift lediglich zwei wesentliche Aspekte auf:
- Die Klarstellung, dass eine Organisation gelegentlich auch außerhalb ihrer steuerbegünstigten Satzungszwecke zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden.
- Die ersatzlose Streichung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung und damit zusammenhängend die Aufhebung der Bestimmungen zur Rücklagen- und Vermögensbildung und zur behördlichen Setzung einer Mittelverwendungsfrist.
Den Kabinettsbeschluss kommentiert Friederike v. Bünau, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, wie folgt:
"Der Regierungsentwurf erweckt leider den Eindruck, die Bundesregierung habe nach langen Monaten unergiebiger Verhandlungen nun die Flucht nach vorn angetreten: Indem die meisten strittigen Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts nun Bundesrat und Bundestag überlassen werden, müssen wir uns fragen: Meint es diese Koalition ernst mit der Zivilgesellschaft? Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg - wir appellieren an die zuständigen Länderressorts und Parlamentarier:innen, bei der Ergänzung der noch ausstehenden Vorhaben im Steuerfortentwicklungsgesetz aktiv mitzuwirken."
Klarstellung zur gelegentlichen tagespolitischen Stellungnahme: Mehr Rechtssicherheit für demokratisches Engagement gemeinnütziger Organisationen
Der Bundesverband begrüßt ausdrücklich die gesetzliche Klarstellung, dass steuerbegünstigte Organisationen nun gelegentlich zu aktuellen politischen Themen außerhalb der eigenen Satzungszwecke Stellung nehmen dürfen, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu riskieren. Der Regierungsentwurf bleibt jedoch die gesetzliche Klarstellung zur politischen Betätigung innerhalb der Satzungszwecke - wie ausdrücklich im Koalitionsvertrag vereinbart, schuldig.
Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung: Fragwürdiger Paradigmenwechsel, der Folgewirkungen für good governance unberücksichtigt lässt
Mit der ersatzlosen Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung geht demgegenüber ein völlig überraschender Paradigmenwechsel einher, dessen möglicher Beitrag zur Bürokratieentlastung nur auf den ersten Blick trägt. Der Folgewirkungen für die Governance aller gemeinnützigen Organisationen ist sich das federführende Bundesministerium der Finanzen offenbar nicht bewusst. Aus verfassungsrechtlicher Sicht gewährleisten die bestehenden Regelungen - auch, indem sie eine missbräuchliche Akkumulation von Mitteln verhindern - den Rechtfertigungszusammenhang zwischen dem staatlichen Verzicht auf Steuern und dem zivilgesellschaftlichen Beitrag zum Gemeinwohl.
In seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf führt der Bundesverband im Detail aus, welche Argumente gegen eine so weitreichende Lösung sprechen und warum der vorliegende Entwurf eher dazu geeignet ist, neue Rechtsunsicherheit zu verursachen. Bevor ein solcher Schritt Gesetz wird, sollte ein umfassender Fachaustausch mit den Dachverbänden und der Finanzverwaltung geführt werden, wie ihn bereits der Nationale Normenkontrollrat angeregt hat.
Zur zeitnahen Mittelverwendung erläutert Prof. Dr. Sebastian Unger, Vorstandsmitglied im Bundesverband Deutscher Stiftungen und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Wirtschafts- und Steuerecht an der Ruhr-Universität Bochum:
"Gesetzgebung als Überraschungspaket: So begrüßenswert erste Schritte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Zivilgesellschaft sind, so unvermittelt und unabgestimmt kam der Vorschlag, die Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung abzuschaffen. Mehr Rechtssicherheit, weniger Bürokratie - grundsätzlich gern, aber bitte nicht so!"
Dringende Ergänzungen im parlamentarischen Verfahren erforderlich
Die Regierungskoalition hatte sich ausdrücklich vorgenommen, die Zivilgesellschaft in dieser Legislatur zu stärken. Im Koalitionsvertrag ist - neben einer Klarstellung zur politischen Betätigung - Folgendes vereinbart:
- Die Entlastung des Ehrenamts von Bürokratie und möglichen Haftungsrisiken (bspw. durch eine Business Judgement Rule, wie sie auch der Nationale Normenkontrollrat fordert),
- die Beseitigung umsatzsteuerrechtlicher Hürden für Sachspenden ("Spenden statt Vernichten") sowie
- die Erleichterung grenzüberschreitender Kooperationen.
Praxistaugliche und oftmals nur mit minimalem Aufwand umsetzbare Reformvorschläge für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht liegen seit Langem auf dem Tisch (vgl. Stiftungsposition 01-2024) - getreu dem Motto 'kleiner Aufwand, große Wirkung'.
Der Bundesverband wird sich im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens zum Steuerfortentwicklungsgesetz intensiv für eine Umsetzung dieser noch offenen Punkte einsetzen, die der Bedeutung des Gemeinnützigkeitsrechts für die Zivilgesellschaft gerecht wird: Es betrifft als maßgeblicher Rechts- und Handlungsrahmen das ehrenamtliche Engagement für das Gemeinwohl in zehntausenden Stiftungen und hunderttausenden Vereinen in Deutschland - vom Sportverein über die Obdachlosenhilfe, vom Feuerwehrfest bis zur Hausaufgabenbetreuung, von der Kulturstiftung bis hin zum lokalen Bürgerradio.
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