Pressemitteilung | Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V. (DStGB)

Reformen statt Kahlschlag: Berliner Appell der deutschen Städte und Gemeinden

(Berlin) - Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben am 24.09.2003 auf einer zentralen Kundgebung in Berlin den Berliner Appell der deutschen Städte und Gemeinden "Reformen statt Kahlschlag" auf den Weg gebracht. Unterstützt von Vertretern zahlreicher großen Organisationen wie des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Deutschen Sportbundes forderten mehr als 1600 Oberbürgermeister, Bürgermeister und Ratsvertreter aus ganz Deutschland Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat auf, nach Jahren der Untätigkeit und der Missachtung kommunaler Interessen zum 1. Januar 2004 eine gestärkte und verstetigte Gewerbesteuer sowie wirksame Entlastungen bei den Ausgaben zu beschließen. "Am Zustand der Städte lässt sich der Zustand des ganzen Landes ablesen", sagte die Präsidentin des DST, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Der Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, der Alzeyer Bürgermeister Ernst Walter Görisch, sprach von einer Krise der Kommunen, die die Zukunft des Gemeinwesens massiv in Frage stelle. "Längst geht es nicht mehr nur um die Finanzen. Es geht um die Zukunft unseres Gesellschaftsmodells und damit um unsere Demokratie", sagte Görisch. Er forderte Regierung und Opposition auf, gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen einen Kommunalgipfel zur Gemeindefinanzreform einzuberufen. "Wir können im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bis zu einem ungewissen Ausgang eines Vermittlungsverfahrens warten", sagte Görisch abschließend. Weitere Redner waren u.a. der Hannoveraner Oberbürgermeister und Vizepräsident des DST, Herbert Schmalstieg, der Bundesvorsitzende des DGB Michael Sommer und Manfred Richthofen, Präsident des Deutschen Sportbundes sowie Anke Fuchs, Präsidentin des Deutschen Mieterbundes. Beide kommunalen Spitzenverbände kündigten für die nächsten Wochen ein Aktionsprogramm "Reformen statt Kahlschlag" an. Der Berliner Appell ist nachstehend veröffentlicht.


Reformen statt Kahlschlag:
Berliner Appell der Deutschen Städte und Gemeinden

1. Die deutschen Städte und Gemeinden befinden sich in der schlimmsten finanziellen Krise seit der Gründung der Bundesrepublik. Sie sind empört darüber, wie sie in dieser Situation von Bund und Ländern hingehalten und vertröstet werden. Damit muss endlich Schluss sein!

2. Die Städte und Gemeinden fordern die Entscheidungsträger auf, nach Jahren der Untätigkeit und der Missachtung kommunaler Interessen für eine nachhaltige Verbesserung der kommunalen Finanzlage zu sorgen. Wir brauchen zum 1. Januar 2004 eine gestärkte und verstetigte Gewerbesteuer und wirksame Entlastungen bei den Ausgaben.

3. Deutlicher denn je zeigt sich: Die Städte und Gemeinden sind recht- und schutzlos gegenüber der Politik der Länder und des Bundes. Dies ist mit dem Aufbau unseres demokratischen Staates und dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nicht vereinbar. Es wird ignoriert, dass es sich bei der Gemeindefinanzreform um eine historische Weichenstellung für die Demokratie vor Ort handelt.

4. Die Städte und Gemeinden beklagen seit langem, dass sie ihre Aufgaben für die Bevölkerung, für Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr angemessen wahrnehmen können.
Sie sind enttäuscht, ja verbittert, dass der Kanzler sein Versprechen, dies bis zum Ende des Jahres zu ändern, nicht erkennbar einhalten wird. Auch die Länder nehmen ihre Verantwortung für die Kommunen nicht wahr. Wenn es bis zum 1. Januar 2004 keine nachhaltige Verbesserung der Finanzen der Städte und Gemeinden geben wird, tragen Bund und die Länder die volle politische Verantwortung

- für massive Einschnitte in die öffentlichen Dienstleistungen auf örtlicher Ebene,
- für einen Investitionsstopp in immer mehr Städten und Gemeinden,
- für einen fortschreitenden Verfall der Infrastruktur,
- für die Schließung von Einrichtungen,
- für die Entlassung von Personal und
- für die Streichung der freiwilligen Leistungen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich.

5. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schwächt die Gewerbesteuer statt sie zu stärken. Im Verhältnis zum Status Quo würde mit diesem Gesetz eine drastische Verschlechterung für die Kommunen durchgesetzt. Die großen Kapitalgesellschaften müssen sich wieder angemessen an der Finanzierung städtischer Aufgaben beteiligen. Sie dürfen nicht noch zusätzlich um weitere 3 Mrd. Euro bei der Gewerbesteuer entlastet werden. Die Städte lehnen den Vorschlag der Bundesregierung aufs schärfste ab. Er darf nicht Gesetz werden.

6. Die städtischen Dienstleistungen dürfen nicht länger darunter leiden, dass sich Bund und Länder nicht auf Lösungen zur Verbesserung der kommunalen Leistungsfähigkeit einigen können. Halbherzige Übergangslösungen sind kein Ersatz für die notwendigen Reformen. Sofort wirksame Finanzhilfen in Ergänzung der Reformbemühungen dagegen sind längst überfällig.

7. Die Städte und Gemeinden fordern, von Sozialausgaben in Milliardenhöhe entlastet zu werden. Das hat die Bundesregierung versprochen. Die Aufgabenträgerschaft und Finanzverantwortung des Bundes für die zusammengeführte Arbeitlosen- und Sozialhilfe ist für eine solche Entlastung unverzichtbar. Sie darf aber nicht dazu genutzt werden, dass der Bund ausschließlich sich selbst statt die Kommunen entlastet. Eine Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit wäre eine arbeitsmarktpolitische Sackgasse zum Schaden der Arbeitslosen und der Kommunen. Die Städte und Gemeinden lehnen eine Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit entschieden ab.

8. Die Städte und Gemeinden appellieren an die Verbände, Organisationen und Initiativen der Bürgerinnen und Bürger, die vor Ort mit den Städten zusammenarbeiten und auch auf kommunale Leistungen und Einrichtungen angewiesen sind, eine wirkungsvolle Reform der Gemeindefinanzen zu unterstützen und mitzuhelfen, gegenüber Bund und Ländern die Bedeutung sicherer Kommunalfinanzen für die Bürgerinnen und Bürger zu verdeutlichen.

9. Die Städte und Gemeinden ermutigen die zahlreichen Politikerinnen und Politiker in Bund und Ländern, in Regierung und Opposition, die sich für die notwendige Abwendung der verheerenden Finanzkrise der Städte einsetzen, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) Marienstr. 6, 12207 Berlin Telefon: 030/773070, Telefax: 030/77307200

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