Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Reform der Anwaltsgebühren dringend geboten

(München) - Anlässlich des Deutschen Anwaltstages vom 09. bis 11. Mai 2002 in München, forderte der Deutsche Anwaltverein (DAV) eine Verabschiedung der Gebührenreform der Anwaltsgebühren noch in dieser Legislaturperiode. Daher müsse der angekündigte Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zügig vorgelegt werden, damit er geprüft und diskutiert werden könne. Dies sei notwendig, damit eine für alle Beteiligten einvernehmliche Lösung gefunden werden könne.

Die Anwaltschaft gehöre zu den kleineren und mittleren Unternehmen. Nach wie vor würden rund die Hälfte als Einzelanwälte arbeiten. 86 Prozent der Anwaltskanzleien seien in diesem Bereich. Diese Kanzleien würden nach wie vor überwiegend nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung abrechnen, und als kleinere und mittlere Unternehmen seien sie besonders durch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, Lohnkosten und Mieten betroffen. Auf der anderen Seite seien sie maßgeblich an der Arbeitsplatzsicherung, -beschaffung und der Ausbildung von Mitarbeitern beteiligt. Daher sei der Gesetzgeber aufgefordert, nach mehr als acht Jahren eine Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten umzusetzen. Es dürfe nicht zu einer Existenzgefährdung vieler Kanzleien kommen. Im Übrigen müsse sich eine Vergütung an der tatsächlichen in Kanzleien geleisteten Arbeit orientieren. Durch den vorliegenden FDP-Entwurf und den angekündigten Koalitionsentwurf scheint diese Reform in dieser Legislaturperiode möglich.

Insgesamt stellt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eine Paketlösung dar, die in einigen Bereichen zu Gebührenermäßigungen in anderen zu Gebührensteigerungen führen wird. Bei dieser Paketlösung gehen das Bundesministerium der Justiz sowie die Anwaltschaft davon aus, dass sich die Anwaltsgebühren nach den Kommissionsvorschlägen durchschnittlich zwischen 13 und 16 Prozent und nach einer Pressemitteilung des BMJ um etwa 12 Prozent hinsichtlich des angekündigten Kommissionsentwurfs erhöhen werden. Eine solche Gesamtanpassung der Anwaltsgebühren sei angesichts des Inkrafttretens im Jahre 2003, d.h. nach neun Jahren seit der letzten Gebührenanpassung, das Minimum, um einen Ausgleich für die Steigerung der Lebenshaltungskosten zu gewährleisten.

Hierzu im Einzelnen:

Ziele der Gebührenstrukturreform

- Anpassung der Anwaltseinkommen an die wirtschaftliche Entwicklung
- Entlastung der Gerichte
- Vereinfachung des Kostenrechts
- Leistungsorientierte Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit
- Mehr Transparenz und Anwenderfreundlichkeit, beispielsweise durch Wegfall der Beweisgebühr

Anpassung der Anwaltseinkommen

- Für den maßgeblichen Gebührenanpassungszeitraum von Anfang 1994 bis Ende 2002 geht das Bundesjustizministerium (BMJ) von einer geschätzten Einkommensentwicklung der Angestellten in der gewerblichen Wirtschaft von ca. 24 % aus. Für die mögliche weitere Verzögerung der überfälligen Anwaltsgebührenanpassung bis zum 01. Juli 2003 ist von einer weiteren Steigerung der Angestellteneinkommen von + 1,5 % auszugehen.

- Anhand der amtlichen Statistiken des Statistischen Bundesamtens in Wiesbaden muss für den Zeitraum vom 01. Juli 1994 bis 31. Dezember 2002 mit einer Steigerung der Lebenshaltungskosten von + 12,8 % ausgegangen werden. Eine Verzögerung der Gebührenanpassung zum 01. Juli 2002 würde eine weitere Steigerung der Lebenshaltungskosten nach der derzeitigen Entwicklung von + 1 % bis + 1,5 % also auf insgesamt + 13,9 % bis +14,4 % erwarten lassen.

Keine nennenswerte Anpassung der Anwaltseinkommen durch Streitwerterhöhungen

Die Gebühren richten sich nach den Streitwerten. Eine Erhöhung der Streitwerte führt nicht automatisch zu höheren Gebühren, da es Streitwertstufen mit einer Anwaltsgebühr von Betrag x bis zum Betrag y gibt.

Beispiele:

Bei einem Streitwert von 2.000 DM (rund 1.023 €) und einer unterstellten Steigerung der Lebenshaltungskosten von lediglich 11,5 % würde heute der Streitwert 2.230 DM (rund 1.140 €) betragen. Da aber die Streitwertstufe zwischen 2.000 DM (rund 1.023) und 2.400 DM (rund 1.227 €) liegt, bewegt sich die Anwaltsgebühr sowohl bei dem Streitwert von 2.000 DM (rund 1.023 €) wie auch bei dem Streitwert von 2.230 DM (rund 1.140 €) unverändert bei 170 DM (rund 87 €). Hier wäre also eine Steigerung der Anwaltsgebühr von 0 % zu konstatieren.

Ein Kündigungsstreit bei einem Bruttoeinkommen von 3.400 DM (rund 1.738 €) würde zu einem Streitwert im Jahre 1994 von 11.400 DM (rund 5.829 €) und einer Anwaltsgebühr von 695 DM (rund 355 €) führen. Unter Zugrundelegung einer zurückhaltenden Einkommenssteigerung von 15 % (=1.530 DM = 782 €) ergebe sich ein Streitwert von 5.997 DM und damit bliebe die Anwaltsgebühr unverändert bei 695 DM (rund 355 €) auch im Jahre 2001. Steigerung der Anwaltsgebühr: 0 %.

Gebühren in Strafsachen

Zu dem Bereich der Strafverteidigergebühren ist anzumerken, dass übereinstimmend die Landesjustizverwaltung, Bundesministerium der Justiz und Anwaltschaft der Auffassung sind, dass nach der derzeitigen Gesetzeslage Anwälte, insbesondere Pflichtverteidiger für ihre Tätigkeit im Hinblick auf die Arbeitsbelastung und auch die Belastung für den betroffenen Bürger nicht ausreichend vergütet werden.

Umsatzentwicklungen in Einzelkanzleien

Vor Steuern und ohne Berücksichtigung der vom Rechtsanwalt allein zu tragenden Beiträge für Sozialversicherungen und Altersvorsorge ist der Jahresüberschuss in Einzelkanzleien laut der STAR-Untersuchung von 73.000 DM 1994 auf 58.000 DM 1999 gesunken. Dies zeigt, dass auch die wirtschaftliche Situation der Anwälte in der Realität nicht die ist, die man aus dem Fernsehen kennt.

Anwaltschaft als wirtschaftlicher Leistungsträger

Die Anwaltschaft zählt mit seinen über 116.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten zum leistungsfähigen Teil des Mittelstandes in der Bundesrepublik. Sie schaffen Arbeitsplätze und sorgen für die Ausbildung. In der Regel erhält auch in Kanzleien ausgebildetes Büropersonal feste Anstellungen. Daher kann mit einer Gebührenstrukturreform nicht gewartet werden, bis eine Existenzgefährdung zahlreicher Rechtsanwaltskanzleien mit ihren Auswirkungen auf Ausbildungs- und Arbeitsplätze eintritt.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Littenstr. 11 10179 Berlin Telefon: 030/7261520 Telefax: 030/726152190

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