Rechtsgutachten zeigt: Europäische CO2-Flottenregulierung verstößt gegen Unionsrecht
(Berlin) - Ein von Prof. Dr. Martin Kment, dem geschäftsführenden Direktor des Instituts für Umweltrecht der Universität Augsburg und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Europarecht, Umweltrecht und Planungsrecht, erstelltes Rechtsgutachten über die aktuelle Ausgestaltung der EU-Flottenregulierung (Verordnung (EU) 2023/851)) kommt zu dem Ergebnis, dass diese Regulierung aus mehreren Gründen unionsrechtsrechtswidrig ist. UNITI hatte die rechtliche Prüfung beauftragt.
EU-Grundrechte und EU-Grundsätze werden durch überholte Messmethodik verletzt
Die der Flottenregulierung zugrundeliegende Messmethodik des sog. Tailpipe-Ansatzes, wonach die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs nur am Auspuff bilanziert werden, ist gemäß dem Gutachten von Prof. Dr. Martin Kment europarechtswidrig und schadet einem effektiven Umweltschutz. Die veraltete Prüfmethode zieht auch Verstöße gegen das europäische Primärrecht nach sich: Art. 191 Abs. 2 AEUV wird ebenso verletzt wie Art. 16 GRCh (Unternehmerische Freiheit), Art. 20 GRCh (Gleichheit vor dem Gesetz) und Art. 37 GRCh (Grundsatz des Umweltschutzes). Der Gutachter zieht den Schluss, dass der veraltete Tailpipe-Ansatz durch eine zeitgemäße Messmethodik ersetzt werden sollte, die die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus bilanziert.
Das Gutachten weist nach, dass nicht nur Hersteller von Pkw mit Verbrennungsmotor, sondern auch Produzenten von alternativen Kraftstoffen durch den Tailpipe-Ansatz benachteiligt werden. UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn ordnet ein: "Daraus folgt unsere dringende Handlungsaufforderung an die Politik, die gegenwärtige Flottenregulierung für Pkw-Neufahrzeuge unverzüglich zu überarbeiten. Es gilt, sämtliche rechtswidrigen Regulierungsinhalte, die beispielsweise im Jahr 2035 zu einem vollständigen Neuzulassungsverbot für Verbrenner führen, weil die Klimawirkung von regenerativen Kraftstoffen nicht anrechenbar ist, zu ändern." Auch die Lkw-Flottenregulierung, die erst 2027 überprüft werden soll, sollte aus Sicht von UNITI möglichst zeitnah auf rechtswidrige Elemente überprüft und entsprechend abgeändert werden.
Für Strafzahlungen der Fahrzeughersteller fehlt die rechtliche Grundlage
Verstoßen Fahrzeughersteller gegen EU-Flottenziele müssen sie Strafzahlungen leisten. Das Gutachten von Prof. Dr. Martin Kment zeigt aber auf, dass die EU-Kommission für die Erhebung und Vereinnahmung von Strafzahlungen bzw. der Emissionsüberschreitungsabgabe nicht zuständig ist. Die Überführung der Einnahmen daraus in den allgemeinen Haushalt der EU ist vertragswidrig, so Prof. Dr. Kment. Für Strafzahlungen der Fahrzeughersteller bei Überschreiten der vorgegebenen Flottenziele fehlt also die rechtliche Grundlage.
Bereits in einem im Jahr 2008 gefassten Beschluss zur ersten Verordnung der Pkw-Flottenregulierung hatte der Deutsche Bundesrat erhebliche Zweifel an der EU-Kompetenz zur Einführung einer solchen umweltschutzbezogenen und steuerähnlichen Abgabe zugunsten des Haushalts der EU geäußert. Die Ministerpräsidenten der Länder Bayern, Dr. Markus Söder, und Niedersachsen, Dr. Christian Wulff, hatten damals in ihren Plenarreden erhebliche Bedenken angemeldet. Auch im rechtswissenschaftlichen Diskurs wurden wiederholt entsprechende Standpunkte vorgetragen.
UNITI-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn: "Wir haben unter anderem deutsche Automobilhersteller und -zulieferer über die Ergebnisse des Rechtsgutachtens informiert. Wir gehen davon aus, dass die Unternehmen eingehend prüfen werden, welche Schlüsse sie daraus ziehen."
System der EU-Flottenregulierung in den Grundfesten erschüttert - dringender Handlungsbedarf
Aus Sicht von UNITI wird das bestehende System der EU-Flottenregulierung durch das Gutachten in seinen Grundfesten erschüttert. "Aus der Verwendung des unionsrechtsrechtswidrigen Tailpipe-Ansatzes folgt unmittelbar eine einseitige regulatorische Bevorzugung der batterieelektrischen Mobilität zum Nachteil anderer ökologisch sinnvoller Lösungen wie etwa erneuerbaren Kraftstoffen. Damit muss Schluss sein!", so Elmar Kühn von UNITI. Die von der wiedergewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihren Leitlinien für die nächste EU-Kommission angekündigte Überarbeitung des Systems der Flottenregulierung muss aus UNITI-Sicht vor allem eine Bilanzierung der CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs und der verwendeten Antriebsenergie einführen, wie sie etwa in anderen europäischen Regelwerken wie beispielsweise der neuen EU-Batterieverordnung bereits Anwendung findet.
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