Rahmenbedingungen für die Medizintechnik-Branche stärken
(Berlin) - Die Infrastruktur im Gesundheitssektor ist nicht nur für die Gesundheit der Menschen entscheidend, "sondern auch für den Wirtschaftsstandort Europa und Deutschland. Wir müssen deshalb die Strukturen und unsere Lieferketten in kritischen Sektoren wie der Medizintechnik stärken". Das sagte der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) beim Online-Format "Aktuelle Stunde aus Brüssel" des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) am 5. März 2024. Lange ist unter anderem Vorsitzender des Internationalen Handelsausschusses (INTA) sowie Vorsitzender der Konferenz der Ausschussvorsitzenden (CCC) im Europäischen Parlament. Zu den hohen regulatorischen Hürden für die Medizintechnik-Branche durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) merkte Lange an, dass eine gesetzliche Änderung jederzeit durch eine Initiative der EU-Kommission möglich sei.
Der SPD-Europapolitiker plädierte dafür, dass Europa bei den Verfahren sehr viel schneller werden sowie Bürokratie und Berichtspflichten überprüfen und abbauen müsse. Lange: "Wenn wir bestehen wollen, müssen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit stärker offensiv vorantreiben, beispielsweise durch die Förderung von Technologien und die Beschleunigung von Verfahren. Wir müssen den Industriestandort Europa mit einer nachhaltigen Standortpolitik stärken. Das lag zu lange in der EU brach." Ob es eine neue Chance für ein Handelsabkommen der EU mit den USA gibt, sieht Lange eher skeptisch. Es sei sowohl unter Trump als auch unter Biden schwieriger geworden, Bereiche zu finden, in denen es um Kooperation gehe. Die Antwort Europas dürfe aber nicht "Europe first", sondern vielmehr "Europa fast" lauten.
Der Europaabgeordnete sprach sich dafür aus, dass sich Europa bei kritischen Produkten besser diversifizieren und bei bestimmten Vorprodukten unabhängiger machen müsse, "um die Lieferketten zu stärken und Versorgungsengpässe zu vermeiden". Lange weiter: "Derzeit wird stark diskutiert, wie die Strukturen gestärkt werden können. Beispielsweise wird auch über einen eigenen Ausschuss für Gesundheit im Europäischen Parlament diskutiert."
Handelspolitiker in Zeiten der Fragmentierung der Globalisierung
In der Handelspolitik sieht Lange viele Gestaltungsmöglichkeiten, da die EU hier allein zuständig sei. Die große Herausforderung sei die Fragmentierung der Globalisierung seit der Finanzkrise. China sei sehr stark geopolitisch unterwegs, die USA setzen dagegen eher innenpolitische Schwerpunkte. Die Zeiten der regelorientierten Ordnung sind aus seiner Sicht ein Stück weit. Das sei eine große Herausforderung für Deutschland, dessen Wirtschaft global sehr verwoben ist - sowohl beim Import als auch beim Export.
Der EU-Handelsexperte Lange erläuterte beim BVMed-Gesprächskreis drei Ebenen:
- Die multilaterale Zusammenarbeit sei schwieriger geworden. Die WTO sei aktuell in einer schwachen Situation. Das habe die jüngste Konferenz ohne Einigung gezeigt. Europa versuche Motor für globale Regeln zu sein - während Länder wie Indien sehr stark eigene Interessen durchzusetzen versuchten und die USA eher innenpolitisch fokussiert sei.
- Deshalb müsse die bilaterale Zusammenarbeit stärker ausgebaut werden, "um eine Stabilisierung zu erreichen", so Lange. Dazu gehören die jüngst abgeschlossenen, guten und modernen Abkommen beispielsweise mit Vietnam, Japan, Neuseeland oder Chile. Sie umfassen auch wirtschaftliche Entwicklung in beiderseitigem Interesse. "Das ist der richtige Ansatz, um stabile Handelsbeziehungen zu entwickeln".
- Auf der unilateralen Ebene sei Deutschland eher zurückhaltend. Die Ebene gewinne jedoch an Bedeutung, um sich beispielsweise vor unlauteren Subventionen mit Dumpingpreisen zu schützen und mit Zöllen gegenzusteuern, da die WTO-Mechanismen Schwächen haben, erläutert der SPD-Europapolitiker.
BVMed-Gesprächskreis "Aktuelle Stunde aus Brüssel"
Am 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt. Vor diesem Hintergrund hat der BVMed mit der "Aktuellen Stunde aus Brüssel" ein neues Format für seine Mitgliedsunternehmen geschaffen, um mit politischen Entscheidungsträger.innen in Brüssel aktuell relevante Themen zu diskutieren.
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