Publikumspresse und Fachmedien treiben Transformation voran
(Berlin) - Investitionen in die digitale Transformation zahlen sich aus: 40 Prozent der Umsätze von Publikumsmedien und 60 Prozent von Fachmedien kommen aus digitalen und nicht klassischen Geschäftsfeldern.
Die Zeitschriftenpresse hat im Geschäftsjahr 2023 einen großen Schritt bei der Transformation ihres klassischen Geschäftsmodells vollzogen und die Umsätze mit digitalen und nicht klassischen Geschäften deutlich ausgebaut. Rund 40 Prozent des Umsatzes erwirtschaften die Publikumsverlage mittlerweile in den digitalen und nicht klassischen Geschäftsfeldern. Bei den Fachverlagen liegt dieser Umsatzanteil sogar bei rund 60 Prozent. Wie der Medienverband der freien Presse (MVFP) heute auf seiner Jahrespressekonferenz in Berlin betonte, haben die Zeitschriftenverlage in Deutschland den finanziell und strukturell herausfordernden Transformationsprozess mit unternehmerischer Risikobereitschaft und hohen Investitionen erfolgreich auf den Weg gebracht - und das in einem überaus anspruchsvollen wirtschaftlichen Umfeld. Dies zeigt auch die aktuelle MVFP-Trendumfrage, die im ersten Quartal 2024 erhoben wurde. Die zunehmende Dominanz von Plattformunternehmen im Werbemarkt hat sich zusammen mit den weiter gestiegenen Energie-, Papier-, Logistik- und Personalkosten sowie dem eingetrübten Konsum- und Werbeklima bei diesem anspruchsvollen Change-Prozess als zusätzliche Belastung erwiesen.
"Unsere Gesellschaft ist konfrontiert mit einer explosiven Kombination aus wirtschaftlicher und politischer Fragilität. In dieser Situation sehen wir eine fundamentale Aufgabe der freien Presse darin, durch verlässliche und unabhängige Information einen Beitrag zur Stabilität unserer liberalen Demokratie und zum Fortschritt unserer freien Marktwirtschaft zu leisten. Diesem Auftrag muss die freie Presse jedoch unter völlig veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht werden und gleichzeitig Hunderte von Millionen in die digitale Transformation der Medienwelt investieren. Dieser Transformationsprozess verlangt von jedem einzelnen Verlag, unabhängig von Größe oder Gattung, enorme Kraftanstrengungen, und nur weil die Verlage sich seit jetzt drei Jahrzehnten dieser Herausforderung erfolgreich stellen, haben wir heute die vielfältigste unabhängige Medienlandschaft der Welt", erklärte Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des MVFP und Vorstand von Hubert Burda Media, auf der Jahrespressekonferenz.
Philipp Welte forderte die Politik auf, jetzt auch ihren Teil zur Zukunftssicherung der freien Presse beizutragen: "Nach mehreren gescheiterten Anläufen zur Gestaltung einer diskriminierungsfreien Zustellförderung periodischer Presse ist es an der Zeit, dass Regierung und Parlament sich auf einen schnellen und unbürokratischen Weg der Zukunftssicherung der freien Presse einigen. Die einzige sofort wirksame und ordnungspolitisch einwandfreie Lösung ist die weitere Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für die gedruckte und digitale Presse."
Das herausfordernde Geschäftsjahr 2023 der Zeitschriftenbranche
Im Geschäftsjahr 2023 hat sich der Gesamtumsatz der Zeitschriftenpresse unter Einbeziehung nicht publizistischer (sonstiger) Geschäftsfelder über alle Gattungen (Publikumspresse, Fachpresse und konfessionelle Presse) auf dem Vorjahresniveau von 19,3 Milliarden Euro stabil entwickelt. Die Zeitschriftenpresse verzeichnete 2023 laut MVFP-Trendumfrage im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzwachstum des digitalen Werbegeschäfts um +3 Prozent, des Digitalvertriebs um +8 Prozent und Paid Content um +10 Prozent. In den Erlösfeldern Print-Anzeigen einen Umsatzrückgang von -9 Prozent und im Print-Vertrieb von -4 Prozent. Das Umsatzwachstum reichte dort allerdings nicht aus, um die Erlösrückgänge und die hohen Kostensteigerungen in allen Bereichen vollständig auszugleichen. Die Fachpresse konnte demgegenüber 2023 einen auf 8,58 Mrd. Euro (2022: 8,33 Mrd. Euro) gestiegenen Umsatz erzielen. Wesentlich für das Wachstum der Fachmedien war das Plus von 21,4 Prozent bei Veranstaltungen und von 4,6 Prozent bei den Digitalumsätzen, während die Erlöse aus dem Printgeschäft weitgehend stabil gehalten wurden.
Sonstige Geschäftsfelder sind mit über 5 Mrd. Euro eine wachsende Umsatzgröße
Die bereits zum sechsten Mal von der Highberg Unternehmensberatung - ehemals Schickler - im Auftrag des MVFP ermittelten Umsatzerlöse der MVFP-Mitgliedsverlage in den Bereichen Veranstaltungen, Bildung, Software sowie Services, Stellen- und Transaktionsplattformen sind ebenfalls ein klarer Beleg für den Transformationserfolg. 2023 stiegen die Umsätze in nahezu allen Bereichen der sonstigen Geschäftsfelder erneut. Insgesamt erwirtschafteten die Verlage 5,1 Mrd. Euro (+4,1 Prozent). Den größten Anteil machten mit 2,45 Mrd. Euro (+2,3 Prozent) die Transaktionsplattformen aus, also jene Erlöse, die über Kanäle wie E-Commerce, Vergleichsportale und Online-Rubriken-Märkte erzielt wurden. Über den Bereich Bildung wurden Umsätze in Höhe von 305 Mio. (+16 Prozent) Euro, über Veranstaltungen 193 Mio. Euro (+33 Prozent) sowie über Stellen-Plattformen 1,22 Mrd. (+0,2 Prozent) erzielt. Die Umsätze mit Software und Services wuchsen um +7,5 Prozent auf 937 Mio. Euro.
KI-Anwendungen in Verlagen vielfach im Einsatz
Innerhalb kurzer Zeit hat sich künstliche Intelligenz bereits als Transformationsbeschleuniger, Innovationstreiber und anerkanntes Arbeitsmittel in zahlreichen Medienhäusern erwiesen. Ein Einsatzschwerpunkt von KI-Anwendungen ist der MVFP-Trendumfrage zufolge zurzeit die Bearbeitung von Texten für digitale Angebote, die 44 Prozent der Verlage bereits nutzen und 42 Prozent planen. Bei der Textbearbeitung für Print-Angebote liegen die Werte für KI-Anwendungen bei 30 Prozent Nutzung und 37 Prozent in Planung. Bei der Illustrierung sind ebenfalls KI-Anwendungen verbreitet: Während bei den Digital-Angeboten diese bereits von 33 Prozent genutzt und von weiteren 28 Prozent geplant werden, sind es bei den Print-Angeboten 23 Prozent bzw. 28 Prozent.
Erfolgreiche Ansprache junger Zielgruppen auf den Social-Media-Kanälen
Bei den beiden News- und Community-getriebenen Social-Media-Plattformen X und Facebook zählen jeweils sechs große Titel der Publikumspresse zu den Top-10-Angeboten mit den höchsten Follower-Zahlen unter den Medienaccounts. Diese erfolgreiche Präsenz auf den relevanten Social-Media-Plattformen zählt für die Zeitschriftenpresse zu den wesentlichen Bausteinen bei der Ansprache jüngerer Zielgruppen wie der Gen Z. So werden diese Kanäle für zielgruppenspezifische Aktivitäten mit der eigenen Medienmarke bereits von 72 Prozent der Verlage genutzt, 63 Prozent nutzen diese für entsprechendes Zielgruppen-Marketing. In der Hälfte der Zeitschriftenverlage (51 Prozent) arbeiten eigenständige Redaktionsteams für Social Media.
MVFP-Trendumfrage 2024 zeigt verhaltenen Optimismus
Für das laufende Geschäftsjahr 2024 zeichnet die MVFP-Trendumfrage, deren teilnehmende Verlage über zwei Drittel des Branchenumsatzes repräsentieren, insbesondere für die digitalen und sonstigen Geschäftsfelder eine weiterhin positive Entwicklung. Den erwarteten Umsatzsteigerungen bei Paid Content (+8 Prozent), im digitalen Werbegeschäft (+5 Prozent), im Digital-Vertrieb (+9 Prozent) und beim Brand Business (+7 Prozent) stehen sinkende Umsätze im Print-Werbegeschäft von -5 Prozent und -4 Prozent im Print-Vertrieb gegenüber. Um zusätzliche Umsätze zu generieren, planen 65 Prozent der Befragten, neue journalistische Digital-Angebote auf den Markt zu bringen, 44 Prozent neue Audio-Angebote und 47 Prozent neue Videoformate wie Short-Clips. Auch in neue Printprodukte wollen Medienhäuser weiterhin investieren. So plant mehr als die Hälfte der Verlage neue Print-Sonderausgaben und ein gutes Viertel neue periodische Printtitel.
Das Vertriebsgeschäft wird laut MVFP-Trendumfrage durch eine dringend verbesserungsbedürftige Zustellqualität bei den Abonnements zusätzlich belastet. Fast zwei Drittel der Verlage beklagen häufige bzw. immer wieder auftretende Beschwerden aus dem Abonnentenstamm und gut jeder vierte Verlag gab an, durch die schlechte Zustellqualität der Post Abo-Auflage zu verlieren.
Leistungsschutz für Verlage gegen Ausbeutung durch KI-Presse dringend erforderlich
Um die Verlegerrechte auch in Zeiten künstlicher Intelligenz geschützt zu sehen, fordern laut der MVFP-Trendumfrage 91 Prozent der Verlage, dass eine Ausbeutung der Leistung der Verlage durch die konkurrierende KI-Presse sicher unterbleibt. 84 Prozent halten eine Anpassung des Rechts für notwendig, falls sich herausstellen sollte, dass die Verwertung der Verlagsinhalte durch konkurrierende KI-Veröffentlichungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht verhindert werden kann.
Regulierung der Digitalmonopole und Entlohnung nach Presseverlegerrecht wichtig
Für die Mitgliedsverlage sind faire rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen im Wettbewerb mit den GAFAs entscheidende Faktoren zur Zukunftssicherung. So fordern in der MVFP-Trendumfrage 82 Prozent eine Verpflichtung der Digitalmonopole, alle Zeitschriften und Zeitungen diskriminierungsfrei für die Nutzung des Presseverlegerrechts zu entlohnen. In der weiteren Monopolisierung der wirtschafts- und werberelevanten Datenverarbeitung durch Digitalplattformen wie Apple und Google sehen 89 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Presseverlage erhebliche Gefahren für das digitale Verlagsgeschäft, denen mit Wettbewerbsrecht und Regulierung begegnet werden muss. 93 Prozent der Umfrageteilnehmer fordern, dass alle legalen Presse-Inhalte, die offline am Kiosk verbreitet werden dürfen, auch auf den digitalen Monopolplattformen diskriminierungsfrei zugänglich sein müssen. Die Bestätigungslösung für das Telefonmarketing, das für den Erhalt der Abo-Auflagen von existenzieller Bedeutung ist, da damit ein relevanter Beitrag zur Refinanzierung erzielt wird, beinhaltet für 80 Prozent der Verlage ein hohes Gefährdungsrisiko für den Bestand der Zeitschriftenpresse.
"Generative künstliche Intelligenz ist wie Elektrizität: Sie betrifft und verändert seit 2023 jeden Geschäftsbereich in Print, Digital und Social. Die Verlage sind in dieser neuen Transformation in den Leser- und Werbemärkten unter hohem Kosten- und Veränderungsdruck sehr resilient und unternehmerisch aktiv. Um dieses Momentum nicht zu gefährden und um auch in der digitalen Welt Pressefreiheit zu sichern, müssen die digitalen Megaplattformen verpflichtet werden, alle legalen Presseprodukte fair und diskriminierungsfrei zu verbreiten", so Stephan Scherzer, Bundesgeschäftsführer des MVFP. "Künstliche Intelligenz kann in Sekundenschnelle und zu geringsten Kosten menschengemachte Presse als Konkurrenzveröffentlichung auf den Markt bringen. Deshalb benötigen Verlage ein robustes Verfügungsrecht, für jede Verwertung ein Vergütungsrecht und eine Rechenschaftspflicht der KI-Anbieter über die verwendeten Inhalte", forderte Stephan Scherzer.
Quelle und Kontaktadresse:
MVFP Medienverband der Freien Presse e.V.
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