Prozessfinanzierungen sorgsam prüfen
(Berlin/München) - Jung und unerfahren ist die Branche der Prozessfinanzierer. Unternehmen die einen guten Schnitt machen, indem sie Ingenieuren zu ihrem Recht verhelfen, sprießen wie Pilze aus dem Boden. Wo vor Gericht hohe Gewinne winken, aber weder Prozesskostenhilfe noch Rechtsschutzversicherungen einspringen, treten die mit Wagniskapital operierenden Finanzierer gern in Vorkasse. Allerdings nicht ohne sich vorher bis zu fünfzig Prozent der (Honorar-) Forderung zu sichern. Langwierige Prozesse, ein harter Verdrängungswettbewerb und das Damoklesschwert der Insolvenz setzen den weder von den Rechtsanwaltskammern noch von der Versicherungsaufsicht kontrollierten Unternehmen zu. Hinweise zu außergerichtlichen Streitschlichtungsmodellen, beispielsweise zu den Schlichtungsausschüssen der Ingenieurkammern, darf angesichts dieses Wettbewerbsdrucks kein Ratsuchender erwarten. Anlass genug für die Baukammer Berlin und die Bayerische Ingenieurekammer-Bau ihren Mitgliedern zu empfehlen, nicht vorschnell Angebote zu akzeptieren, sondern den Markt sorgsam zu sondieren.
Nicht selten schrecken Ingenieurbüros davor zurück, gegen zahlungsunwillige Auftraggeber gerichtlich vorzugehen. Anwalts- und Gerichtskosten, Sachverständigenhonorare und eine langwierige Verfahrensdauer rauben ihnen den Mut. Stets schwingt die Sorge mit, im schlimmsten Fall nicht nur die (Honorar-) Forderung abschreiben zu müssen, sondern auch mit den Verfahrenskosten belastet zu werden.
Die Last der Ingenieure ist die Lust der Prozessfinanzierer. Nach Überprüfung des Falles und der Zahlungsfähigkeit des Beklagten sind die Juragent AG, die D.A.S. ProFi AG, die Proxx AG und die Foris AG bereit, ab einem Mindeststreitwert von 100.000 DM Anwalts- und Gerichtskosten vorzuschießen. Verbraucherfreundlicher präsentieren sich da schon Finanzierer, die bereits ab 50.000 DM (RIMA AG), 30.000 DM (Gloria Prozeßfinanzierungs AG), 20.000 DM (Avico Prozeßfinanzierungs AG) oder sogar schon ab 1.000 DM (ExActor Forderungsmangement AG) für Ingenieure in die Bresche springen.
Dieses Risiko lassen sich die Finanzierer jedoch üppig honorieren. Dreißig bis vierzig Prozent verlangen sie bei einem Obsiegen im Wert von 100.000 DM bis zu einer Million DM und zwanzig Prozent des Streitwerts ab einer Million DM (Foris AG, D.A.S. ProFi AG, Avico Prozeßfinanzierungs AG). Die in Fragen des Baurechts spezialisierte Proxx AG fordert für ihre "Speziallösung auf dem Gebiet des Bauwesens" gar eine "Erfolgsbeteiligung in Höhe von fünfzig Prozent des realisierten Klageergebnisses".
Eins sollte zu denken geben: Warum nicht selber auf eigene Kosten klagen, wenn der Prozessfinanzierer die Erfolgsaussichten als gut bewertet. Natürlich kann eine durchschnittliche "Gewinnbeteiligung" von dreißig bis vierzig Prozent ein angemessener Preis für sorgloses Prozessieren sein: Allerdings geht auch ein mit Hilfe eines Prozessfinanzierers gewonnener Prozess immer zu Lasten des Ingenieurs. Darüber hinaus springen die Finanzierer auch in eben den Fällen ein, bei denen keine Versicherungspolice hilft, etwa im Baurecht.
Allerdings darf sich kein Ingenieur darauf verlassen, im Ernstfall ein finanzierungswilliges Unternehmen zu finden. Nach Angaben der Zeitschrift finanztest übernehmen diese nur in fünfzehn Prozent der Finanzierungsanfragen die Kosten. Ungeklärt ist auch die Frage, ob Ingenieure möglicherweise in der Rechtsmittelinstanz den Beistand ihres Financiers verlieren. Auch ist die Unabhängigkeit der juristischen Beratung bedroht, wenn andere Streitschlichtungsmodelle, wie etwa die außergerichtliche Mediation, außen vor bleiben. Da den Berliner Finanztestern zufolge allein 2.500 Anwälte Aktionäre der Foris AG sein sollen, ist die Frage eventuellen Anteilbesitzes des beratenden Rechtsanwalts mehr als berechtigt. Ebenso muss über die Zahl der bereits vom Finanzierer geführten Prozesse offen informiert werden. Dessen wirtschaftliche Lage darf keinesfalls ausgeklammert werden, denn auch im Bund mit einem Finanzierer bleibt der klagende Ingenieur Auftraggeber seines Rechtsanwalts. Damit steht er in der Pflicht, bei Ausfall des Prozessfinanzierers nicht nur die eigenen, sondern gegebenenfalls auch die gegnerischen Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen.
Quelle und Kontaktadresse:
Baukammer Berlin Körperschaft des öffentlichen Rechts
RA Dr. Peter Traichel
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