Prozess um mögliche Risiken von Becel pro.activ geht in die zweite Instanz: foodwatch legt Berufung ein - Hersteller täuscht Kunden über die Sicherheit seines Cholesterinsenkers
(Berlin) - Im Prozess um mögliche Risiken der cholesterinsenkenden Margarine Becel pro.activ hat die Verbraucherorganisation foodwatch Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg eingelegt. Ziel der Klage ist es, Hersteller Unilever die Verbreitung unwahrer Aussagen über die Sicherheit seines Produktes zu untersagen, mit denen das Unternehmen die vorhandenen Hinweise auf Nebenwirkungen verschleiert. In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die Aussagen nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft.
"Nach dem Urteil in erster Instanz darf Unilever die Verbraucher weiter über Risiken von Becel pro.activ täuschen - obwohl zahlreiche Studien Hinweise auf Nebenwirkungen geliefert haben. Aus Verbrauchersicht ist das inakzeptabel. Deshalb gehen wir in Berufung", sagte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga.
Das Landgericht Hamburg hatte die foodwatch-Klage am 14. Dezember 2012 erstinstanzlich abgewiesen (Az 324 O 64/12). Die Richter stuften die verfälschenden Behauptungen Unilevers, wonach es bei Becel pro.activ "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe, nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als bloße Meinungsäußerung ein - eine Einschätzung mit entscheidender juristischer Konsequenz: Während eine Tatsachenbehauptung einer Überprüfung auf den Wahrheitsgehalt hin hätte standhalten müssen, fällte das Landgericht somit nach eigenen Angaben gar kein Urteil darüber, ob die Aussage wahr oder unwahr ist. Unilever darf sie unabhängig vom Wahrheitsgehalt weiter verbreiten.
Bereits im November 2011 hatte foodwatch die Vermarktung des Cholesterinsenkers wegen des unbewiesenen gesundheitlichen Nutzens und ungeklärter Risiken kritisiert und auf www.abgespeist.de eine Beschwerde-E-Mail-Aktion an Unilever gestartet. Der Konzern behauptete daraufhin in einem Antwortschreiben an tausende Unterzeichner der E-Mail-Aktion und in einer Pressemitteilung ("Wissenschaftler bestätigen die cholesterinsenkende Wirkung von Becel pro.activ" vom 15. November 2011) unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers, es gebe bei Becel pro.activ "aus wissenschaftlicher Sicht keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen. Gegen diese Aussage klagte foodwatch, denn tatsächlich hat eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien den Verdacht erhärtet, dass die der Margarine zugesetzten Pflanzensterine das verursachen können, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Das staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) äußerte sich bereits mehrfach kritisch zu Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen. Auch die europäischen Fachgesellschaften für Herz-Kreislauf-Krankheiten EAS (European Atherosclerosis Society) und ESC (European Society of Cardiology) halten Langzeitstudien für nötig, um die Sicherheit der Produkte zu überprüfen.
Oliver Huizinga von foodwatch: "Mit Becel pro.activ doktern Menschen unkontrolliert an ihren Blutwerten herum, gefährliche Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen. Ein solches Quasi-Medikament in Margarine-Form hat freiverkäuflich im Supermarkt überhaupt nichts verloren - doppelt unverantwortlich ist es, wenn Unilever seine Kunden auch noch über die Sicherheit des Produktes täuscht."
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