Profite so hoch wie nie, Investitionen im Keller
(Berlin) - Die Gewinne deutscher Großunternehmen haben 2004 ein Rekordniveau erreicht. Nach Angaben des französischen Finanzanalysten JCF stiegen im vergangenen Jahr die Gewinne der Dax-30-Unternehmen vor Steuern um 69 Prozent. Damit übertrafen die deutschen Konzerne deutlich die Gewinnsteigerungen, der an der New Yorker Börse notierten Aktiengesellschaften (+27 Prozent).
Die Verbesserung der deutschen Unternehmensprofite drückt sich auch in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aus. Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen stiegen im letzten Jahr um 10,7 Prozent. Die Arbeitnehmerentgelte (Bruttolöhne plus Lohnnebenkosten) stagnierten hingegen. Dabei handelt es sich um einen langfristigen Trend. Die Lohnquote hat im vergangenen Jahr mit 69,5 Prozent den niedrigsten Stand seit Anfang der 70er-Jahre erreicht.
Gleichzeitig ist die Finanzlage deutscher Großkonzerne so günstig wie noch nie. Der deutschen Bundesbank zufolge verzeichnen die deutschen Kapitalgesellschaften seit drei Jahren Finanzierungsüberschüsse. Die Bilanzen sind längst konsolidiert, Investitionen könnten zu 100 Prozent durch Eigenmittel finanziert werden. Das Zinsniveau in Deutschland ist niedrig und die Fremdkapitalfinanzierung weiterhin günstig. Kurzum:
Die Finanzlage der Unternehmen ist alles andere als ein Investitionshemmnis.
Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen hat sich seit Mitte der 90er-Jahre kontinuierlich verbessert. Eine der zentralen Ursachen dafür sind die geringen Nominallohnsteigerungen. Unter den führenden Industriestaaten stiegen in den letzten zehn Jahren nur in Japan die Löhne geringer als in Deutschland. Die Lohnstückkostenposition deutscher Unternehmen hat sich ebenfalls verbessert. Im vergangenen Jahr sind die Lohnstückkosten sogar um 1,3 Prozent zurückgegangen. Niederschlag findet die verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit in einem Rekordhandelsüberschuss von 117 Mrd. Euro.
Im Kontrast zu der nahezu optimalen Gewinn-, Finanzierungs- und Wettbewerbsposition deutscher Großunternehmen steht die schwache Investitionstätigkeit. In den vergangenen beiden Jahren lag der jährliche Anstieg der Bruttoinvestitionen unter 0,5 Prozent.
In Anbetracht des hohen Ersatz- und Modernisierungsbedarfes deutscher Unternehmen - immerhin nach drei Jahren Stagnation - ist ein Anziehen der Investitionstätigkeit im ersten Halbjahr 2005 nicht auszuschließen. Dies würde dem klassischen Konjunkturzyklus entsprechen. Wenn bis Mitte des Jahres aber keine Belebung der privaten Investitionstätigkeit einsetzt, ist davon auszugehen, dass die Investitionsschwäche struktureller Natur ist. Hierfür gibt es dann im Wesentlichen zwei Erklärungsansätze, die sich gegenseitig ergänzen.
Chronische Nachfrageschwäche
Deutschland ist konjunkturell gespalten: in einen boomenden Export und eine am Boden liegende Binnennachfrage. Das klassische deutsche Aufschwungmuster - Exportkonjunktur stimuliert Binnenkonjunktur - funktioniert aufgrund veränderter Rahmenbedingungen nicht mehr. Grund dafür ist zunächst ein wachstums- und beschäftigungsfeindliches europäisches Umfeld (Stabilitäts- und Wachstumspakt, Preisstabilitätsorientierung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.
Hinzu kommt auf nationaler Ebene eine nun schon zehn Jahre andauernde Lohnzurückhaltung. Je weniger die Menschen verdienen, desto weniger können sie ausgeben, desto schlechter geht es der Wirtschaft. Die seit über drei Jahren anhaltende Konsumschwäche ist im wesentlichen durch die stagnierende Entwicklung der Löhne und Gehälter begründet. Die nominalen Bruttolöhne stiegen in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um 1,4 Prozent, die nominalen Nettolöhne im gleichen Zeitraum lediglich um 1,2 Prozent. Preisbereinigt gingen die Nettolöhne und -gehälter zurück. Verstärkend kommt die Verunsicherung der Verbraucher infolge der Reformen der sozialen Sicherungssysteme hinzu.
Die schwache Lohn- und Gehaltsentwicklung ist die Kehrseite der hohen Unternehmensgewinne. Denn ein nicht unerheblicher Teil der Gewinne ist auf unternehmensinterne Umverteilung zurückzuführen (der andere Teil auf die boomende Exportkonjunktur). Diese Umverteilung trägt zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum bei. Profite, die aus den Beschäftigten durch Lohn- und Gehaltskürzungen herausgeholt werden, schwächen direkt den Konsum und somit auch das Wachstum.
Am schwachen Konsum wird sich nichts vorerst nichts ändern. Jedenfalls dann nicht, wenn es bei den hohen Arbeitslosenzahlen bleibt, der sich verstärkenden negativen Lohndrift und der bremsenden Finanzpolitik. Damit bleiben die Nachfragerwartungen der Unternehmen weiterhin pessimistisch. Erweiterungsinvestitionen bleiben aus. Lediglich die exportorientierten Unternehmen können sich von dieser Entwicklung frei machen. Die Spaltung der Konjunkturlandschaft wird zementiert.
Fatale Shareholder-Value-Orientierung
Der Fall Ackermann und die Deutsche Bank werfen Licht auf eine andere Ursache der Investitionsschwäche: Die Orientierung der Geschäftspolitik einzelner Großunternehmen an der kurzfristigen Aktienkursentwicklung schwächt die Investitionsdynamik. Das Geld, das heute für eigene Aktienrückkäufe (Deutsche Bank: acht Mrd. Euro) und Dividendenausschüttungen ausgegeben wird, fehlt morgen für die Finanzierung von Realinvestitionen. Auf langfristige Investitionen in Qualifikation und Ausbildung, Forschung und Entwicklung sowie die Modernisierung des Kapitalstocks wird verzichtet, wenn diese Investitionen die kurzfristigen Renditeziele nicht erfüllen. Häufig wird versucht, das Ziel einer hohen Eigenkapitalrendite durch kurzfristig ausgerichtete Arbeitskostensenkungsprogramme zu erreichen. Die damit verbundenen Lohn- und Gehaltskürzungen sowie Entlassungswellen schwächen aber die Konsumnachfrage. Und damit die Wirtschaft.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060324
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