Presserat stellt neue Leitlinien zur Börsenberichterstattung vor / Selbstregulierung ersetzt gesetzliche Vorgaben
(Bonn) - Der Deutsche Presserat hat heute seine neuen Leitlinien zur Börsenberichterstattung vorgestellt. Mit dieser Erweiterung und Konkretisierung seiner bisherigen Regeln um die neue Richtlinie 7.4 zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung sowie ergänzende Verhaltensgrundsätze reagiert der Presserat auf eine Sonderregelung für Journalisten im neuen Wertpapierhandelsgesetz. Das Gesetz wird damit zum Teil durch die Selbstregulierung ersetzt.
In einem Grußwort würdigte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium der Finanzen, Frau Dr. Barbara Hendricks, die Journalistischen Verhaltensgrundsätze zur Finanzmarktberichterstattung als einen wichtigen Beitrag zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Information des Anlegerpublikums. Mit der Verabschiedung der Verhaltensgrundsätze würden zugleich die Anforderungen der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie im Rahmen der Finanzmarktberichterstattung umgesetzt. Man setze hierbei primär auf die journalistische Selbstkontrolle und nicht auf staatliche Eingriffe.
"Die Presse setzt mit diesen neuen Leitlinien ein wichtiges Signal", betonte auch der Sprecher des Deutschen Presserats, Fried von Bismarck. "Die grundrechtlich garantierte Pressefreiheit wurde von der Branche im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eingefordert jetzt nimmt die Presse die damit verbundene Verantwortung wahr. Saubere und sorgfältige Berichterstattung ist dabei unbedingte Leitlinie. Die strikte Trennung zwischen publizistischer Tätigkeit und persönlichen Interessen der Journalisten ist von jeher Bestandteil der presseethischen Regeln nach dem Pressekodex. Dieser Grundsatz erstreckt sich nun ausdrücklich auch auf den Bereich der Finanzmarktberichterstattung. Dass dies Marktmanipulationen oder persönliche Vorteilsnahmen von Journalisten oder Verlegern ausschließt, versteht sich dabei von selbst", so von Bismarck.
Die neuen Regeln des Pressekodex legen ausdrücklich fest, dass beruflich erlangte Informationen vor ihrer Veröffentlichung ausschließlich für publizistische Zwecke und nicht zum eigenen persönlichen Vorteil verwendet werden dürfen. Ebenso wenig vertretbar sind Veröffentlichungen über bestimmte Aktien, die durch persönliche Bereicherungsabsicht gesteuert sind. So sollen mindestens in einem Zwei-Wochen-Zeitraum vor und nach einer Veröffentlichung Geschäfte mit den betreffenden Aktien völlig unterbleiben. Es gilt, Interessenkonflikte der berichtenden Journalisten weitest möglich auszuschließen. Darauf ist auch durch die Presseverlage selbst mit Hilfe organisatorischer Maßnahmen hinzuwirken. Sollten dennoch Interessenkonflikte aufkommen, ist eine entsprechende Offenlegung geboten.
Eine besondere Handreichung sind neben der neuen Kodex-Richtlinie 7.4 die ergänzenden Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen, die der Presserat am 2. März verabschiedet hat. Zusammengefasst und informativ werden hier nicht nur die weiterhin geltenden gesetzlichen Vorgaben zum Marktmissbrauch sowie zum Umgang mit Insiderinformationen erläutert. Alle Aspekte, die bei der Wirtschaftsberichterstattung einschließlich der Erstellung und Verbreitung von Finanzanalysen zu beachten sind, werden hier noch einmal dargelegt. Fachbegriffe werden erläutert und Beispiele für die Umsetzung der neuen Presserats-Richtlinie gegeben.
"Aus Sicht der Journalisten war wichtig, dass die tägliche Arbeit der Wirtschaftsmedien und Wirtschaftsredaktionen nicht erschwert wird. Für die meisten Journalisten, die ständig über Unternehmen und Märkte berichten, gelten bereits hausinterne, meist auch arbeitsrechtlich verbindliche Vorschriften, die den jetzt verabschiedeten Leitlinien entsprechen oder durch kleine Ergänzungen kompatibel gemacht werden können. Die Leitlinien geben zugleich all den Journalisten und Redaktionen Orientierung, die sich nur selten mit marktrelevanten Themen befassen", so die Bewertung von Peter Ehrlich, Chefkorrespondent der Financial Times Deutschland, der im Rahmen einer Expertenrunde an der Erarbeitung dieser Regeln mitgewirkt hatte.
Für die Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen treten nun die Presseratsregelungen an die Stelle der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften. Diejenigen Journalisten, die sich dem Pressekodex verpflichten, sind insoweit nicht an das Gesetz und die staatliche Aufsicht, sondern an das Verfahren beim Presserat gebunden. Ein vergleichbares Modell bewährt sich beim Presserat bereits seit 2002 im Bereich des redaktionellen Datenschutzes, wo es für einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Datenschutz und der Pressefreiheit sorgt. Auch im Bereich der Finanzberichterstattung wird die Selbstregulierung eine gute Grundlage bieten, um sowohl den Anlegerschutz als auch die Pressefreiheit angemessen sicherstellen zu können.
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Deutscher Presserat
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