Presserat fordert Stärkung des Informantenschutzes / Durchsuchungen zeigen: Pressefreiheitsgesetz hat noch Schwächen
(Berlin) - Der Deutsche Presserat nimmt die diversen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktionen in Redaktionen und bei einzelnen Journalisten während der letzten Monate - Augsburger Allgemeine, Berliner Morgenpost, Fotografen - zum Anlass, auf den Quellen- und Informantenschutz sowie den Grundsatz unabhängiger Berichterstattung hinzuweisen. Nach Auffassung des Presserats offenbaren die Fälle die Schwäche des Pressefreiheitsgesetzes, das im August 2012 in der Fassung des Regierungsentwurfs in Kraft getreten ist. Das geltende Gesetz weist noch einzelne Lücken im Schutz gegen Ermittlungsmaßnahmen auf.
So sollten nach Auffassung des Presserats Redaktionsdurchsuchungen, Beschlagnahmen in Wohnungen und Arbeitsräumen bei Journalisten auch bei Gefahr im Verzug nur noch von einem Richter angeordnet und unter strikter Beachtung der Pressefreiheit begründet werden können. Damit würden Journalisten in Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die Zulässigkeit von Maßnahmen den übrigen Berufsgeheimnisträgern, wie Geistlichen, Rechtsanwälten und Abgeordneten, gleichgestellt. Des Weiteren sollte die Straffreiheit nicht nur auf die Beihilfe zur Verletzung von Dienstgeheimnisse nach § 353b StGB beschränkt sein. Der Deutsche Presserat appelliert an den Gesetzgeber, diese Lücken in der bestehenden Rechtslage zu schließen.
Problematische Kombination von Foto und Werbung
Befasst hat sich der Presserat auch mit einer Beschwerde über die Online-Veröffentlichung eines Fotos eines schweren Verkehrsunfalls, bei dem zwei Frauen getötet wurden, beschäftigt. In das Foto eingeklinkt war Werbung für eine Risikolebensversicherung.
Ein Leser kritisierte diese Kombination als unsensibel und geschmacklos. Die Redaktion teilte mit, dass solche Werbung unbeeinflusst von Redaktion und Anzeigenabteilung aus einem Pool von Anzeigen eines Dienstleisters eingespielt würde. Es finde keine inhaltliche Abstimmung dazu statt, dass beispielsweise zu einem Unfall eine Versicherung "passen" könnte. Es handele sich im konkreten Fall schlicht um einen Zufall. Man habe aber großes Verständnis für die Kritik des Lesers und mittlerweile Maßnahmen ergriffen, um solche Kombinationen in Zukunft zu verhindern.
Der Presserat sieht in der Angelegenheit eine Verletzung der Ziffer 1 Pressekodex und hier speziell der Menschenwürde der Unfallopfer und ihrer Hinterbliebenen. Zwar ist die Redaktion nicht für die automatisierte Einblendung von Werbung verantwortlich, weshalb auch auf das Aussprechen einer Maßnahme verzichtet wurde. Das Gremium ist aber der Auffassung, dass - auch im Hinblick auf das Ansehen der Presse - derart unglückliche Kombinationen vermieden werden sollten. Der Presserat empfiehlt den Verlagen daher, Vorkehrungen zu treffen, um solche Veröffentlichungen auszuschließen.
Selbstkontrolle statt Co-Regulierung
Der Deutsche Presserat hat sich kritisch mit den Empfehlungen einer von der EU-Kommission eingesetzten Beratergruppe auseinandergesetzt, die Vorschläge zur Sicherung der Presse- und Medienfreiheit erarbeitete. Er hält den Überlegungen für eine Co-Regulierung das funktionierende System der Freiwilligen Selbstkontrolle entgegen, wie es in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert wird. Mit seinem Einsatz für berufsethische Regeln im Journalismus, der Prüfung von Beschwerden - seit 2009 auch in Onlinemedien - und seinen Sanktionen auf einer Basis der Selbstverpflichtung der Akteure, gewährleistet der Presserat eine optimale Entfaltung der Pressefreiheit und eine hohe Qualität der journalistischen Arbeit. Eine Überwachung auf Initiative des Staates - auch auf europäischer Ebene - reduziert die Medienfreiheit nach Auffassung des Presserates.
In Sorge um die Pressefreiheit in Europa hatte sich die EU-Gruppe für eine Verpflichtung zur Einrichtung unabhängiger Medienräte ausgesprochen. Diese sollen dann Strafzahlungen verhängen und Gegendarstellungen erzwingen können. Um einem vermuteten schleichenden Qualitätsverlust in der Berichterstattung vorzubeugen, empfiehlt die EU-Gruppe zudem, dass sämtliche Medien einen Verhaltenskodex und redaktionelle Richtlinien veröffentlichen müssen.
Personalwechsel und Verabschiedungen
Der Presserat hat neue Mitglieder in seine Reihen: Johannes Endres, Chefredakteur des Computermagazins "c´t", vertritt den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger im Beschwerdeausschuss 3 (Redaktionsdatenschutz). Peter Höver, Redakteur beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, wird für den Deutschen Journalisten-Verband (DJV) stellvertretendes Mitglied im Beschwerdeausschuss 1. An der Spitze des Beschwerdeausschuss 1 gab es zudem einen Personalwechsel: Sigrun Müller-Gerbes, Redakteurin der Neuen Westfälischen, übernimmt den Vorsitz von Manfred Protze. Beide sind Vertreter der Deutschen Journalisten-Union (dju).
Nach langjähriger Mitarbeit hat das Plenum drei Mitglieder aus seinen Reihen verabschiedet: Ulrike Maerks-Franzen (dju), die seit 2002 im Trägerverein des Presserats aktiv war; Georg Wallraf (VDZ), der seit 1994 im Plenum des Presserats und im Redaktionsdatenschutz-Ausschuss aktiv war; Dr. Ilka Desgranges (DJV), die seit 1995 im Plenum sowie im Beschwerdeausschuss 1 aktiv war. Von 2004 bis 2006 war die Journalistin zudem Sprecherin des Presserats.
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Deutscher Presserat
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