Presse-Grosso ruft Verlage zum Dialog auf
(Wiesbaden) - Branchenverband des Pressevertriebs warnt vor Risiken eines einseitigen Systemumbaus / Rund 150 Teilnehmer bei der Grosso-Jahrestagung des Gesamtverbands Pressegroßhandel (GVPG) in Wiesbaden
Das Pressevertriebssystem in Deutschland sei weltweit einzigartig, betonte Vincent Nolte, Vorstand des Gesamtverbandes Pressegroßhandel (GVPG), zum Auftakt der heutigen Grosso-Jahrestagung in Wiesbaden. „Ob Hallig Hooge oder Bayerischer Wald, es garantiert die flächendeckende Verfügbarkeit von Presseprodukten und schafft fairen Wettbewerb im Lesermarkt und eine enorme Vielfalt unseres Pressesortiments“, so Nolte. Eine Einschätzung, die Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des Medienverbands der freien Presse (MVFP) und Vorstands von Hubert Burda Media, erst jüngst in seinem „Memorandum zur Lage der freien Presse“ bestätigt habe.
Es gibt gute Gründe, weshalb der GVPG-Vorstand konkret und detailliert auf die Vorzüge des Grosso-Systems verwies. Man habe von den Verlagen gehört, dass dieses System in der heutigen Form nicht mehr finanzierbar sei. „Diese Aussage ist bemerkenswert“, befand Nolte. Schließlich hatte der Verband bei den letzten Verhandlungen ein „Leitplankenmodell“ vorgeschlagen. Die Kernidee: Handelsspannen und Leistungen des Pressevertriebs werden an die Umsatz- und Absatzentwicklung angepasst, eine Reduktion der Grosso-Renditen wäre dann bereits einkalkuliert.
Die Verlage zogen garantierte Preise einem flexiblen Modell vor. „Das haben wir akzeptiert und sind selbst ins Risiko gegangen“, sagt Nolte. Der Markt habe sich besser entwickelt als damals erwartet. Und jetzt würden sich die Verlage beschweren, dass sie zu viel zahlen. Nolte: „Das ist genau so, als wenn man fordert, dass man eine Versicherung erst abschließen muss, wenn ein Schaden eingetreten ist – zu niedrigen Kosten.“ Das Presse-Grosso sei immer bereit gewesen, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen und die Folgen notwendiger Veränderung mitzutragen. „Aber das muss fair und partnerschaftlich erfolgen“, so Vincent Nolte.
Umso erstaunter zeigte sich der GVPG-Vorstand von der Prognose der „Fit for Future“-Verlage (FFF), wonach der Pressevertrieb „nicht zukunftsfähig“ sei und „ein Zusammenbruch“ verhindert werden müsse. Das sei „schlichtweg nicht erkennbar“, bekräftigte Nolte, zumal sich Markt und Kosten besser entwickelt haben als erwartet. Das Presse-Grosso erwirtschaftet einen Umsatz von knapp 2 Milliarden Euro zu Copypreisen, mehrere tausend Menschen arbeiten im Pressegroßhandel. „Und nun soll diese Branche am Reißbrett aufgeteilt werden?“, fragte Vincent Nolte an die Verlage gewandt, die offenbar einen Umbau des Systems mit wenigen Großhändlern anstreben. Ein Systemumbau würde Synergien schaffen, aber nicht den größten Kostentreiber des Pressevertriebssystems reduzieren, nämlich die Auslieferungskosten auf der letzten Meile. „Sicher ist nur, dass dies der massivste Angriff auf das bestehende, neutrale und diskriminierungsfreie Pressevertriebssystem wäre“, warnt Nolte.
Ein solcher Umbau würde das freie Presse-Grosso entmachten und somit auch die unternehmerische Freiheit der Grossisten abschaffen. Heute haben fünf Verlagspartner im Presse-Grosso einen Marktanteil von mehr als 70 Prozent. „Was passiert, wenn es kein neutrales Korrektiv für die Pressefreiheit mehr gibt?“, so Nolte. Getreu dem Kongress-Motto „Dialog in bewegten Zeiten“ ruft der GVPG-Vorstand die Verlage zu Gesprächen auf, „um gemeinsam zu gestalten, statt zu spalten“. Zumal die Vorstellungen über die Zukunft des Systems „nicht so weit auseinander liegen, dass wir in einen offenen Konflikt gehen müssen“. Ein am 25. Juni vorgelegtes Angebot mit stabilen Handelsspannen bis 2027 hat der Verband schriftlich unterbreitet. „Wir sind nah an den Forderungen der Verlage, der Konditionenstabilität bis 2030“, so Nolte.
Stefan Hilscher, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), betonte in seinem Impulsvortrag die herausragende Bedeutung des bisherigen Vertriebssystems: „Die Neutralität des Presse-Grosso ist ein hohes Gut und sichert die Meinungsvielfalt in unserer Medienlandschaft. Gerade in Zeiten von Fake News, Hatespeech und einer oft polarisierten Öffentlichkeit seien die Tagespresse und unabhängige Medien „ein entscheidender Anker des Vertrauens und der Seriosität“, so Hilscher. Er bekräftigte trotz rückläufiger Erlöse die starke Position der Printmedien. Laut BDZV-Umfrage bezeichnen 76 Prozent der Bürger die Zeitungen als unverzichtbar für die freie Meinungsbildung. Deutschland sei der größte Zeitungsmarkt Europas und der fünftgrößte weltweit.
Eric Heger von Topps Europe Limited berichtete dem Publikum über den Vertrieb der Sammelbilder zur UEFA EURO 2024. Die Zusammenarbeit mit dem Pressegroßhandel, betonte er, „war für uns ein wichtiger Erfolgsfaktor.“ Marktforscher Ralf Deckers, Bereichsleiter Customer Insights des IFH Köln, berichtete über aktuelle „Trends im Handel“, der langjährige USA-Korrespondent Arthur Landwehr sprach über die „US-Wahlen und die Rolle der Medien“ und Malte Schwerdtfeger, Geschäftsführer im Landwirtschaftsverlag Münster und der Verlagsgruppe Deutsche Medien-Manufaktur (DMM), verriet, wie erfolgreiche Publikumsmagazine entstehen.
Zum Abschluss wurden die Preise für „Deutschlands bestes Presseregal 2024“ in verschiedenen Kategorien verliehen. Der Wettbewerb wird gemeinschaftlich von der RUNDSCHAU für den Lebensmittelhandel und Partnern aus Presse-Grosso, Industrie und Verlagswesen ausgerichtet.
Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband Pressegroßhandel e.V., Händelstr. 25-29, 50674 Köln, Telefon: 0221 9213370