Post-Corona-Plädoyer: Prüfet aber alles, und das Gute behaltet
(Berlin) - In seiner (virtuellen) Sitzung hat der Vorstand des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD) am 24. Juni 2020 ein Thesenpapier beschlossen, dass angesichts der Folgen der sog. Corona-Krise eine Neubewertung der sozialen Infrastruktur fordert.
Versorgungsstandards nach der Corona-Pandemie nicht absenken
Angesichts der sich abzeichnenden Wirtschaftskrise und der deswegen rückläufigen Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen, erwartet Christian Dopheide, Vorstandsvorsitzender des VdDD, einen höheren Konsolidierungsdruck in den öffentlichen Haushalten. Dies dürfe sich jedoch nicht negativ auf die Versorgungsstandards sozialer Dienste auswirken. Denn: Ein resilientes Gesundheits- und Sozialsystem ist nicht nur auf einen gewissen Wohlstand angewiesen. Vielmehr schafft und sichert es solchen Wohlstand zugleich. Christian Dopheide erklärt dazu: "Gesellschaften, die ihr Gesundheits- und Sozialsystem übereffizient ausgerichtet haben, verlieren durch eine Krise wie die gegenwärtige mehr Wohlstand, als sie durch jene Maßnahmen zu sichern glaubten. Wir warnen deshalb eindringlich davor, nach der Krise und zur Bewältigung der Krisenkosten diese Systeme nach Vorbildern, die sich nicht bewährt haben, übereffizient auszugestalten." Stille Reserven und Redundanzen im Gesundheitssystem, die während der akuten Phase der Pandemie die flächendeckende, qualitativ hochwertige Versorgung in Deutschland erst sichergestellt haben, dürfen nicht Sparmaßnahmen zum Opfer fallen. Vielmehr gilt es, diese Reservekapazitäten zukünftig besser in der Refinanzierung abzubilden.
Mehrbelastungen gerecht honorieren
Der VdDD forderte schon frühzeitig eine Ausweitung der sog. Corona-Prämien für alle Mitarbeitenden in den sozialen Diensten (z.B. in der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe), die aufgrund der Covid-19-Pandemie höheren Risiken und Belastungen ausgesetzt sind. Die Verzögerungen und das Regelungswirrwarr auf Ebene der Bundesländer bei der Umsetzung frustrieren sowohl die relativ wenigen Prämien-Empfänger, als auch diejenigen, die leer ausgehen. "Es bleibt bei vielen Beschäftigten der Eindruck, die Politik finanziere lediglich nach Kassenlage, nicht nach begründeten Anforderungen und Ansprüchen. Solche ´Luftnummern` wirken im mageren Ergebnis demokratieschädigend", so Christian Dopheide.
Außerdem ersetze eine Prämienzahlung in der Pflege nicht die notwendigen Reformen bei der Pflegeinfrastruktur und in der Pflegeversicherung angesichts der alternden Gesellschaft. Hinsichtlich der Arbeitsbedingungen greifen einseitige pauschale Forderungen nach Personalkostenerhöhungen zu kurz, hier sind auch umfassende und nachhaltige Finanzierungskonzepte erforderlich.
Alle Hilfefelder im Blick behalten - wirtschaftliche Verlustrisiken ausgleichen
In der ersten akuten Phase der Covid-19-Pandemie konzentrierte sich die politische Aufmerksamkeit auf die Bereiche Krankenhilfe und Pflege. Andere Hilfefelder wie die Eingliederungshilfe, die Kinder- und Jugendhilfe, Beratungsstellen, der Bildungs- und Arbeitsbereich, Reha-Kliniken und Tagungshäuser sind nicht hinreichend berücksichtigt worden - obwohl auch hier kurzfristige Umstrukturierungen für Klienten, Angehörige und Mitarbeitende erfolgen mussten. Die damit einhergehenden höheren Verlustrisiken sind von den derzeitigen "Rettungsschirmen" weitestgehend ausgenommen. Damit die finanziellen Verluste nicht in einem Verlust der Angebotsvielfalt enden, müssen seitens der Politik pragmatische Lösungen gefunden werden.
Investitionen in digitale Infrastrukturen fördern
Viele der aktuell erprobten Instrumente haben gezeigt, dass neue Modelle in der Arbeitswelt - wenn auch nicht an allen Stellen - machbar und produktiv sind. Ein Beispiel dafür sind intelligente digitale und hybride Lehr- und Lernformate für Kinder und Jugendliche, für Berufsschüler oder ehrenamtliche Helfer, die derzeit an unterschiedlichen Stellen entwickelt und getestet werden. Gleichzeitig fehlt noch an etlichen Stellen das (technische) Know-how und eine angemessene Refinanzierung der notwendigen Investitionen. Die bislang dafür zugesicherten Gelder dürften den Bedarf kaum decken.
Weitere Forderungen des Thesenpapiers betreffen föderale und zentrale Entscheidungsstrukturen, Selbstbestimmungsrechte von Klientinnen und Klienten sowie die Rolle diakonischer Unternehmen.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD)
Corinna Schwetasch, Pressesprecherin
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