Positivliste diskriminiert bewährte Medikamente
(Berlin) - Als Beispiel dafür, dass die Arzneimittel-Vielfalt lebenserhaltend sein kann und deshalb notwendig ist, wertet der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie den Fall "Lipobay". BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Hans Sendler forderte am 27. August 2001 in Berlin, dass "bekannte und bewährte Medikamente einerseits und innovative Medikamente andererseits gleichermaßen für die Verordnung der Kassenpatienten zur Verfügung stehen". Bewährte Medikamente dürften nicht einfach als "umstritten" diskriminiert werden, auch wenn sie noch in der Nachzulassung seien. Genau dies passiere aber, wenn die Positivliste eingeführt werde, so Sendler.
"Es ist absurd, wenn behauptet wird, die Positivliste verbessere die Qualität auf dem Arzneimittelmarkt", betonte der BPI-Hauptgeschäftsführer. Das Gegenteil werde eintreten. Die Positivliste werde seit langem bewährte und sichere Medikamente vom Markt fegen und zur Substitution zwingen. Sendler: "Damit müssen neue Medikamente herangezogen werden, deren Risiken und Nebenwirkungen erheblich höher liegen können. Der Arzt müsse weiterhin, so erklärte der BPI-Hauptgeschäftsführer, über die Anwendung des für den Patienten individuell geeigneten Medikaments entscheiden können. So gesehen bedeute die Positivliste eine teilweise "Entmündigung" des Arztes zum Schaden für die Patienten.
Wie Prof. Dr. Barbara Sickmüller (BPI-Geschäftsführerin Medizin und Pharmazie) berichtete, liegt der Vorschlagslistenentwurf den Verbänden derzeit zur Stellungnahme vor. Die gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsfrist der Verbände ende am 14. September. Der BPI erhebe massive Einwände gegen die Liste, so Prof. Sickmüller:
- Klinische Prüfungen nach neuestem Stand werden jetzt als Maß aller Dinge betrachtet, um die Wirksamkeit eines Produktes nachzuweisen. Anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial, das bei bekannten Stoffen richtigerweise für die Zulassung herangezogen werden kann und das auch die praktischen Erfahrungen bei der Anwendung einbezieht, bleibt außen vor. Häufig zeigen sich Nebenwirkungen aber erst in der breiten Anwendung. Viele Produkte, die noch in der Nachzulassung sind, haben über viele Jahre und Jahrzehnte ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bewiesen. Viele dieser Arzneimittel sollen nun diskriminiert werden. Dabei sind diese bewährten Medikamente gerade auch unter Kostengesichtspunkten attraktiv.
- Chemisch-synthetische Arzneimittel führt die Vorschlagsliste im Hauptteil auf, Phytopharmaka im Anhang. Ein zwingender Grund für diese im Gesetz allerdings ermöglichte Zuordnung ist nicht ersichtlich. Denn die Zulassungskriterien der Phytotherapeutika entsprechen den Produkten auf chemisch-synthetischer Basis.
- Jede Verordnungseinschränkung bringt Nachteile für die Patienten, stellt die Finanzierbarkeit der Pharmakotherapie durch hochpreisige Substitution verordnungsfähiger Arzneimittel in Frage und verbessert keinesfalls die Qualität der Therapie, da eine abgestufte Behandlung der Patienten entsprechend dem Schweregrad der jeweiligen Erkrankung nicht mehr möglich sein wird.
- Die medizinischen Fachgesellschaften sind bei der Erstellung der Vorschlagsliste nicht systematisch befragt und berücksichtigt gewesen. Die Folge: Viele wichtige Arzneimittel sind im Entwurf negativ bewertet.
- Beispiele für Präparate, die künftig nicht mehr von der GKV verordnet werden sollen, sind: Viele topische Hämorrhoidenmittel, bestimmte Arzneimittel für Kinder, Augenarzneimittel (Ophthalmika) und Dermatika. Dies würde für die Patienten eine 100-prozentige Zuzahlung für diese Arzneimittel bedeuten, die keinesfalls für geringfügige Gesundheitsstörungen eingesetzt werden.
- Die Kommission benutzte nur öffentlich zugängliche Literatur für ihre Bewertung. Weitere Informationen blieben unberücksichtigt, obwohl diese über die Zulassungsbehörde verfügbar gewesen wären.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI)
Karlstr. 21
60329 Frankfurt
Telefon: 069/25560
Telefax: 069/237813