Positive Ansätze, aber kein großer Wurf / Statement von BÄK-Präsident Montgomery zum Koalitionsvertrag
(Berlin) - "Der Koalitionsvertrag zeigt durchaus gesundheitspolitische Ansätze, die in die richtige Richtung weisen. Die hausärztliche Versorgung wird gestärkt. Junge Ärzte sollen durch die Erhöhung der Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für dieses Fachgebiet gewonnen werden. Die Finanzierung von Krankenhäusern der Maximalversorgung und der Universitätskliniken wird stabilisiert und endlich sollen auch die Personalkosten in die DRG-Kalkulation einfließen. Und auch die langjährige Forderung der Ärzteschaft nach einer klaren, strafrechtlichen Regelung zu Korruption im Gesundheitswesen ist aufgenommen worden.
Leider müssen wir aber auch feststellen, dass die Große Koalition in der Gesundheitspolitik keinen wirklich großen Wurf vorgelegt hat. Mit detailistischer Akribie soll im Gesundheitswesen die Kontrollbürokratie noch weiter verschärft werden. Die Kompetenzausweitung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist so umfassend geplant, dass die Selbstverwaltung an Gestaltungskraft verliert. Und abermals sollen die Interventionsmöglichkeiten der Kostenträgerorganisationen erheblich ausgebaut werden. Kassenfunktionäre können jetzt nach Gusto den Medizinischen Dienst zu unangemeldeten Razzien in Krankenhäuser schicken. Das alles ist mehr geprägt von längst überwunden geglaubter Misstrauenskultur als vom Anspruch auf Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit.
Eine Große Koalition hätte es in der Hand gehabt, die Finanzierung des Krankenversicherungssystems jetzt demografiefest und generationengerecht zu gestalten.
Auch ist nicht ersichtlich, wie der Bund gemeinsam mit den Ländern die dringend notwendigen Investitionen für die Krankenhausversorgung auf Dauer gewährleiten will.
Im Gegensatz zum letzten Koalitionsvertrag findet sich in diesem Vertrag auch kein Wort zur GOÄ, weder zum jetzt dringend erforderlichen Inflationsausgleich, noch zur Notwendigkeit einer grundsätzlichen Novellierung. Bedauerlich ist auch, dass die Großkoalitionäre die geplanten Mittel zur Prävention und Gesundheitsförderung in einer nächtlichen Rotstiftaktion wieder gestrichen haben.
Schließlich fehlen der Blick über die Grenzen und der erkennbare Wille, europäische Gesundheitspolitik nur auf die Felder von echtem Mehrwert zu begrenzen. Die europäischen Normungsvorhaben im Bereich der Medizin zeigen den dringlichen Handlungsbedarf auf.
Verfassungsrechtlich bedenklich und für die Patientenversorgung gefährlich ist die gesetzliche Erzwingung der Tarifeinheit in Betrieben. Arztspezifische Tarifverträge verbessern die Arbeitsbedingungen für angestellte Ärztinnen und Ärzte und tragen mit dazu bei, dass diese der kurativen Medizin in Deutschland erhalten bleiben. Eine erzwungene Tarifeinheit wäre da höchst kontraproduktiv.
Wir alle werden bei der kommenden Gesetzgebung sehr auf den Grundsatz des bürokratischen Minimalismus achten müssen: Weniger ist mehr."
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