Pressemitteilung | Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

Pkw-Inlandsmarkt 2004 nahe Vorjahresniveau / Gottschalk: 2005 wird für die Automobilindustrie ein Arbeitsjahr

(Frankfurt am Main) - „Es war kein leichtes Jahr, und uns ist nichts geschenkt worden. Es war kein Jahr des Zuckerschleckens für die Automobilindustrie. 2004 war alles andere als ein Geradeauslauf. Die Unwucht im Räderwerk der Automobilindustrie war unverkennbar. Aber in der Summe haben wir es gemeistert und können dabei durchaus auf das eine oder andere Highlight stolz sein“, betonte Prof. Dr. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf der VDA-Jahresendpressekonferenz in Frankfurt.

„Zu Anfang dieses Jahres wurden wir mit unseren sehr vorsichtigen Erwartungen für 2004 noch als Pessimisten gescholten; dann im späteren Verlauf des Jahres als durch nichts zu belehrende Optimisten dargestellt. So bleibt nunmehr – drei Wochen vor Jahresende – festzustellen, dass wir mit der zu erwartenden Gesamtbilanz von klar über 3,2 Mio. neu zugelassenen Pkw auf dem deutschen Markt am Ende die Realisten geblieben sind“, sagte Prof. Gottschalk.

Der Pkw-Absatz im November hat mit 11 Prozent Zuwachs erneut ein besseres Ergebnis gegenüber dem Vorjahr gebracht. Seit sechs Monaten werden ununterbrochen steigende Auftragseingänge bei den deutschen Herstellern verzeichnet – im November sogar plus 21 Prozent. Prof. Gottschalk: „Wir sollten diese Entwicklung aber nicht überschätzen, eine Wende zum verstetigten Aufwärtstrend in der deutschen Automobilkonjunktur sehen wir darin noch nicht.“

Auf das Gesamtjahr 2004 bezogen betonte der VDA-Präsident: „Wir nähern uns langsam auf den letzten Metern dem Vorjahresabsatz von 3,237 Mio. Pkw.“ Der Dezember habe nicht schlecht begonnen, der Auftragseingang sei gut. Prof. Gottschalk: „Aber auch wenn wir nahezu 3,24 Mio. Pkw erreichten, wäre das gerade einmal Stagnation nach vier Jahren Rückgang im deutschen Markt. Die Erwartungen waren höher gesteckt.“

Erfreulicherweise haben die deutschen Marken nicht nur in den letzten Monaten, sondern auch im Gesamtjahr 2004 weit besser abgeschnitten als ihre französischen Wettbewerber, die im bisherigen Jahresverlauf sogar einen Absatzrückgang von 13 Prozent hinnehmen mußten. Die deutschen Neuprodukte kommen im Markt gut an. Der Auftragsbestand deutscher Pkw-Marken ist in den letzten 12 Monaten um 56.000 Einheiten auf 356.000 Pkw gewachsen. Der Bestelleingang ist bei den deutschen Herstellern deutlich höher als bei den Wettbewerbern.

Allerdings werde der Absatz zunehmend mit Marketinginstrumenten angeregt. Prof. Gottschalk: „Der Einfallsreichtum auf diesem Sektor ist inzwischen kaum noch zu toppen. Das Verschleudern, Preisnivellieren und ‚Unter Wert Verkaufen‘ sollte bald ein Ende haben.“

Im Gesamtjahr 2004 dürften erneut rund 5,2 Mio. Pkw produziert werden - selbst wenn die Produktion im Dezember sinken sollte. Bis einschließlich November ist die Fertigung in Deutschland um 2 Prozent auf 4,82 Millionen Pkw gestiegen. Prof. Gottschalk: „In Deutschland werden wir damit im sechsten Jahr nacheinander die Marke von 5 Millionen überschreiten. Das ist fürwahr kein schlechtes Resultat für die Beschäftigung am Standort Deutschland.“

Der nochmals leicht gestiegene Export – bis November wurden 3,4 Millionen Pkw exportiert, ein Plus von 2 Prozent – sei einmal mehr das überragende Kennzeichen des Autojahres 2004, das ein Exportschlager wurde. Das sei nicht ohne weiteres zu erwarten gewesen. Nach dem All-Time-High 2003 steuere man nun eine nochmalige Höchstmarke im Export an. Der Export bleibt damit der zuverlässigste Stoßdämpfer auf einer ansonsten holprigen Strecke.“ Die Exportquote liegt inzwischen bei über 70 Prozent.

Das qualitative Wachstum war beträchtlich und hat zu einem Umsatzwachstum von 9 Prozent geführt. Prof. Gottschalk: „Die erfreuliche Ausstattungsvielfalt der Fahrzeuge hat die Wertstrategie unserer Unternehmen bestätigt.“ Der durchschnittliche Ausstattungsgrad mit z. B. ESP, Seitenairbag, Klimaanlage oder Navigationssystem, der sich in den letzten fünf Jahren nahezu verdoppelt habe, sei ein Fingerzeig dafür, dass der Kunde eben doch „mehr Auto“ wünsche und nicht „abgespeckt“ auf „billig billig billig“ setze. Billigangebote verstärken nur den „grassierenden Preisnivellierungsbazillus“, der dem Kunden fälschlicherweise vorgaukle, Technologie könne auch zu Discounter-Preisen erhältlich sein.

Die Nachfrage nach Schwer-Lkw ist hoch, und auch die Ordereingänge bei leichten Nutzfahrzeugen nehmen Fahrt auf. Der Auftragseingang, der im schweren Bereich seit Jahresbeginn um rund ein Viertel und im Transportersegment um 10 Prozent über Vorjahresniveau liegt, sowie der Auftragsbestand deutscher Marken, der um 16 Prozent zugenommen hat, zeigen, dass 2004 ein „Brummi-Jahr“ war.

Das von uns prognostizierte Zulassungsvolumen von 81.000 schweren Nutzfahrzeugen in Deutschland im Gesamtjahr 2004 (+14 Prozent) dürfte eine Punktlandung werden. Beim Export schwerer Nutzfahrzeuge wird das bislang beste Ausfuhrergebnis im Jahr 1982 sogar deutlich übertroffen werden.

Prof. Gottschalk unterstrich, dass sich die allgemeine Verbraucherstimmung im gesamten Jahr bisher nicht wirklich gebessert habe. Trotz eines ungebrochenen Interesses am Auto sei die Kaufstimmung verhalten geblieben: „Hauptursache waren das mangelnde Vertrauen und die unklaren Zukunftsperspektiven. Die Politik war nicht in der Lage, den Menschen reinen Wein einzuschenken und verlässliche Perspektiven zu vermitteln. Ohne Konsum gibt es aber keinen Aufschwung.“

Prof. Gottschalk: „Die Menschen sind es leid, mit höheren Benzin-, Diesel- und Energiepreisen Windmühlen und Solardächer zu bezahlen. Die Lenkungswirkung der Ökosteuer ist tatsächlich eingetreten, aber nicht – wie angestrebt – bei der Verlagerung von der Straße auf die Schiene, sondern vom Inland ins Ausland: Wir sind Weltmeister im Tanktourismus geworden.“

Prof. Gottschalk: „Ein Thema, das uns elektrisiert und auf das gesamte Geschehen im Jahr 2005 ausstrahlt, ist die Rohstoffversorgung und -verteuerung, insbesondere bei Stahl, aber auch bei Kunststoffen, Aluminium, Kupfer und Kautschuk. Die Versorgung unserer Unternehmen, insbesondere der mittleren und kleinen, mit Stahl beschäftigt uns rund um die Uhr. Anders als in Japan ist die Lieferkette bei uns noch nicht gerissen. Wir helfen, wo wir helfen können in Moderatorenrunden mit der Stahlindustrie, Krisensitzungen mit unseren Zulieferern, gemeinsamen Sitzungen mit unseren Herstellern und Zulieferern.“

Eine weitere Herausforderung des Autojahres 2005 sei der schwache Dollarkurs. Prof. Gottschalk: „Es sieht so aus, als ob die USA Währungspolitik nach dem Motto machen: Unsere Währung – Euer Problem.“ Der Euro sei in den letzten drei Jahren um nahezu 50 Prozent gestiegen. Daraus erwachse zumindest die Sorge, dass 2005 der Export währungsbedingt erschwert werde.

Prof. Gottschalk: „Sorge bereitet mir auch die Diskussion über Verkehrsbeschränkungen, mit denen wir im kommenden Jahr erstmals seit langem wieder konfrontiert sein könnten, wenn die auf EU-Ebene festgelegten Immissionsobergrenzen für Feinstaub in allen Mitgliedstaaten verbindlich einzuhalten sind. Da ist es einer Gruppe von „sogenannten Experten“ in Brüssel gelungen, Partikularinteressen durchzusetzen und die klimapolitischen Weichen so zu stellen, dass wir früher oder später in der Sackgasse landen, um Verkehrsbeschränkungen nicht mehr umhinkommen, wenn wir die gesetzlichen Vorschriften einhalten wollen. Bundesländer, Kommunen, Bürger – alle wollen diese Beschränkungen nicht. Ich sehe schon die Schadenfreude in den Gesichtern der Initiatoren, wenn die Messgeräte durch Pollenstaub oder Saharasand ausschlagen, der Diesel verboten und Sperren verordnet werden, ohne dass die Werte zurückgehen – ein Schildbürgerstreich.“

Prof. Gottschalk zog ein erstes Fazit für 2005: „Angesichts dieser Rahmendaten ist aus heutiger Sicht ein ‚Durchstarten‘ des Automobilgeschäfts im Inland wenig wahrscheinlich, es sei denn, die Verunsicherung weicht“. Andererseits haben wir ein ‚As im Ärmel‘ – und das sind unsere neuen Modelle. Das zeigt sich im Auftragseingang und in den Neuzulassungen. Die Modelloffensive 2005 wird wichtige Impulse liefern, die wir auch brauchen, um den schwierigen Rahmendaten etwas entgegen zu setzen. Aus heutiger Sicht müssen wir zwar erwarten, dass das Geschäft zäh bleibt, dass der Kunde sich weiter zurückhält, aber ein Absatzniveau 2005 leicht über dem des laufenden Jahres ist durchaus drin.“

2005 werde nochmals ein schweres Stück Arbeit, allerdings sei Potenzial für Besseres vorhanden. Prof. Gottschalk: „Viele Baustellen zeigen, dass wir handeln. Neue Fundamente werden errichtet, die uns neue Möglichkeiten des Wachstums bringen werden. Unsere neuen Modelle werden greifen. Das Autojahr 2005 wird – das wissen wir schon heute – ein Arbeitsjahr 2005, aber kein Jahr, das wir frühzeitig abschreiben, nur weil das Licht am Ende des Tunnels noch etwas schemenhaft ist. Es ist zumindest erkennbar!“

Prof. Gottschalk wandte sich vehement gegen die These, aufgrund aktueller Kostensenkungs- oder Restrukturierungsprogramme die Zukunft des automobilen Produktionsstandortes Deutschland in Zweifel zu ziehen: „Die nüchterne Analyse der Beschäftigtenzahlen und die Investitionen unserer Industrie am Standort Deutschland sind ein Beleg für unsere Entschlossenheit, diesen Standort zu verteidigen und seine durchaus vorhandenen Stärken noch besser zur Geltung zu bringen.“ Insgesamt sind im bisherigen Jahresdurchschnitt 776.000 Menschen direkt in dieser Schlüsselbranche beschäftigt. Bis September wurden gegenüber dem Vorjahresmonat 6.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Prof. Gottschalk: „Welche andere Industrie kann das schon von sich behaupten?“

„Deutschland bleibt unser wichtigster automobiler Standort. Deutschland bleibt Autoland. Aber: Die deutsche Automobilindustrie wird ihre globale Vernetzung weiter ausbauen. Sie wird dies um so schneller tun müssen, je langsamer sich der Standort Deutschland nach vorn bewegt“, unterstrich der VDA-Präsident.

Es sei ein Irrglaube, dass Auslandswerke, z. B. in China, unter Anlegen patriotischer Investitionsmotive in Bochum oder Wolfsburg stehen müssten. Prof. Gottschalk: „Da greifen andere Gesetzmäßigkeiten: Globalen Erfolg gibt es nicht ohne globale Präsenz.“ Die Automobilindustrie ist die einzige Branche, für die die Globalisierung auch in der Beschäftigungsbilanz eine „Win-Win-Situation“ ist: 160.000 neue Arbeitsplätze wurden in Osteuropa seit dem Fall des Eisernen Vorhangs geschaffen, aber auch 130.000 neue Arbeitsplätze seit 1994 im Inland.

In Deutschland sind in den letzten zehn Jahren 100 Milliarden Euro von dieser Branche investiert worden, davon über 12 Milliarden im laufenden Jahr. Jeder vierte Investitions-Euro in Deutschland stammt aus dieser Industrie. Im Ausland waren es in den letzten zehn Jahren 60 Milliarden Euro. Die Pkw-Fertigung stieg in Deutschland in den letzten zehn Jahren um 36 Prozent. Der Export vom Standort Deutschland aus stieg um 76 Prozent. Prof. Gottschalk: „Wir tun gut daran, den Forschungsstandort Deutschland nicht auch noch in die Diskussion zu bringen, denn jeder dritte Euro, der in Deutschland für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, stammt aus der Automobilindustrie. Um so wichtiger ist, dass wir es uns nicht leisten dürfen, gerade diese hochqualifizierten Ingenieure nur nach 35-Stunden-Tarif zu beschäftigen.“

Prof. Gottschalk betonte, es werde noch vieles auf den Prüfstand kommen, ob Steinkühler-Pause oder Nachtschichtzuschläge ab Mittag: „Wenn wir Arbeitsplätze in Deutschland halten wollen, dann ist die Überprüfung übertariflicher Leistungen letztlich sozialer als die Verlagerung von Arbeitsplätzen und damit deren Verlust im Inland. Richtig ist, dass wir heute mit größerer Klarheit und Entschiedenheit an die Politik, an die Gewerkschaften, an unsere Belegschaften und an uns selbst adressieren, dass der Standort Deutschland sich einer Inventur unterziehen muss, damit wir wieder mehr Wertschöpfung am heimischen Standort gewinnen können. Inventur bei Arbeitskosten, sozialen Sicherungssystemen, Steuern, Flexibilität des Faktors Arbeit, Höhe der Staatsquote oder Dichte der Bürokratie. Der Standort hat seine ausgesprochenen Qualitäten. Darauf dürfen wir stolz sein, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen.“

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) Westendstr. 61, 60325 Frankfurt Telefon: 069/975070, Telefax: 069/97507261

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