Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

PISA-Ergebnisse sind kein Grund für Euphorie / BLLV-Präsident Klaus Wenzel: „Neue Bundesländer rücken vor, weil sie ein moderneres Schulsystem haben und es mehr individuelle Förderung gibt“

(München) - Keinen Grund zum Jubeln sieht der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, in den Ergebnissen der neuen Pisa-Studie zum Bundesländervergleich 2006. „Die Studie belegt erneut, dass Bildung in Bayern abhängig ist von den Einkommensverhältnissen, der Herkunft und dem jeweiligen Wohnort einer Familie. Für Selbstzufriedenheit gibt es keinen Anlass. Dass Sachsen an der Spitze steht und auch die übrigen neuen Bundesländer zugelegt haben, ist kein Zufall. Sie verfügen über modernere Schulsysteme und mehr Lehrkräfte für individuelle Förderung“. Wenzel kritisierte die Stagnation in der bayerischen Schulpolitik: „Nach jeder Pisa-Veröffentlichung folgt entweder ein Schönreden der schulischen Situation oder eine Betroffenheitsrhetorik, die zu keinerlei hilfreichen Konsequenzen führt. In Bayern haben es Kultusministerium und Staatsregierung noch nicht geschafft, Ungerechtigkeiten und Ausgrenzung abzubauen.“ Wenzel forderte erneut tiefgreifende Reformen. Dazu gehören eine deutlich längere gemeinsame Schulzeit, mehr Autonomie für die Einzelschule und eine neue Kultur der Förderung. „Die ständige Leistungsmessung gehört abgeschafft.“


Das relativ gute Abschneiden Bayerns beim Ländervergleich führt Wenzel nicht auf eine erfolgreiche Schul- und Bildungspolitik zurück, sondern auf das hohe Engagement der Schüler und Lehrer. „Sie leisten Vorbildliches, nicht wegen, sondern trotz der Voraussetzungen.“ Für die neuen Bundesländer zahlt es sich allmählich aus, dass sie von einem Schulsystem Abstand genommen haben, das ungerecht und überholt ist, und dass sie mehr Geld in den Schulbereich investiert haben. Insbesondere in Sachsen hat eine moderne Schulpolitik dazu geführt, dass die Schülerinnen und Schüler mit großem Erfolg wertvolle Kompetenzen erwerben.

Der BLLV-Präsident warnte vor politischen Reflexen, die dazu führen, den Finger auf andere zu zeigen, anstatt eigene Schwächen zu erkennen und zu beheben. „Unstrittig ist doch, dass auch in Bayern Jahr für Jahr nahezu Zehntausend junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen und eine zu hohe Zahl 15-Jähriger sehr schlecht lesen und rechnen kann. Viele Studien belegen inzwischen auch, dass das Leistungsgefälle zwischen strukturstarken und -schwachen Regionen eklatant ist. Diese Mängel müssen von der neuen Staatsregierung schnell behoben werden.“ Dazu gehört, dass Schulen nicht länger die Lebenswege junger Menschen früh zementieren. Bildungsbiografien im 21. Jahrhundert müssen offen sein, sie müssen sich auszeichnen durch Förderung und sie müssen jedem Jugendlichen Anschlüsse und Aufstiegsmöglichkeiten bieten. „Zwar ist es erfreulich, dass Bayern weiterhin einen Spitzenplatz einnimmt. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Schulsystem den Vorwurf der Ausgrenzung und Ungerechtigkeit gefallen lassen muss.“ Wenzel forderte, allen Kindern die gleichen Chancen einzuräumen, Schulen und Lehrer zu stärken. „Es ist auch aus volkswirtschaftlicher Sicht unsinnig, Jahr für Jahr Zig-Tausende junge Menschen in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.“ Die PISA-Studien zeigen immer wieder auf, dass frühe Auslese von Kindern - und darin ist vor allem Bayern Spitzenreiter - nicht zu besseren Leistungen führt, sondern zu einer verschärften sozialen Auslese.

Grundsätzlich sieht sich der BLLV in seiner Kritik an der derzeitigen Schulpolitik in Bayern, an falschem Lernverständnis, an der Vernachlässigung der didaktisch-methodischen Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer und in seiner Kritik an der frühen Auslese bestätigt. Der Handlungsdruck ist inzwischen enorm. Noch immer dreht sich an den Schulen alles um Noten und Berechtigungen. Nach wie vor ist das Bildungswesen unterfinanziert, die Lehrerversorgung auf Kante genäht, die Unterrichtsausfälle sind zu hoch.

„Die Missstände sind längst offen gelegt“, erklärte Wenzel. „Es mangelt jedoch an echtem Reformwillen. Mit kleinen Korrekturen da und dort ist es nicht getan, das deutsche Bildungssystem muss sich grundsätzlich neu ausrichten. Ziel muss sein, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler möglichst gute Abschlüsse erreichen.“

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Andrea Schwarz, Pressereferentin Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

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