Pressemitteilung | Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) - Bundesgeschäftsstelle

Pflegedienste in Trägerschaft von Krankenkassen? Rechtswidrig!

(Hamburg) - Nach streng vertraulichen Informationen will die Betriebskrankenkasse des Landes Berlin (BKK Berlin) im Laufe dieses Jahres Schwerkranke, die zu Hause gepflegt werden, selbst versorgen - so die Berliner Zeitung vor einigen Wochen.

Die Versorgung der Versicherten mit häuslicher Krankenpflege soll danach durch eigene Angestellte der Krankenkasse erfolgen. Leidtragende wären die Patienten, die zwangsversorgt werden würden, da sie sich den Pflegedienst nicht mehr selbst aussuchen könnten. Erklärtes Ziel der BKK ist es, damit Kosten zu sparen.

Der bpa hat gegen diese BKK-Aktivitäten erhebliche rechtliche Bedenken geltend gemacht, da auf diese Weise das Sachleistungsprinzip im SGB V ausgehebelt werden würde. Diese Position ist jetzt im Auftrag des bpa durch ein aktuelles Gutachten des renommierten Hamburger Sozialrechtlers Dr. Markus Plantholz untermauert worden.

Dürfen gesetzliche Krankenkassen die häusliche Krankenpflege durch Exklusivverträge, Eigenbetriebe oder die Anstellung eigener Pflegekräfte monopolisieren?

Das Ergebnis des Gutachtens fällt eindeutig aus: "Die ausschließlich durch die BKK oder exklusiv in Zusammenarbeit mit einem oder wenigen Trägern durchgeführte Versorgung mit häuslicher Krankenpflege ist rechtswidrig."

SUBSIDIARITÄT
Dies ergibt sich, so das Gutachten des bpa, aus dem an zentraler Stelle im Krankenversicherungsrecht verankerten Sachleistungsprinzip. Zur Erbringung der Sachleistungen - wie der häuslichen Krankenpflege oder der ärztlichen Versorgung - schließen die Krankenkassen Verträge z.B. mit den Pflegediensten oder Ärzten (§ 2 Abs. 2 SGB V). Der Patient kann dann zwischen den Pflegediensten und Ärzten, mit denen ein Vertrag existiert, auswählen. Auch der von der BKK zitierte § 132 a Abs. 4 SGB V, nachdem Kassen zur Gewährung von häuslicher Krankenpflege geeignete Personen anstellen können, rechtfertigt die Pläne der BKK Berlin nicht. Denn der Gesetzgeber hat eindeutig bestimmt, dass im Sinne der Subsidiarität die Krankenkassen erst dann, wenn keine Vertragsdienste vorhanden sind und Versorgungsengpässe auftreten, eigenes Pflegepersonal anstellen dürfen.

"Subsidiarität meint viel mehr, dass die Krankenkasse nur dann zum Mittel der Anstellung greifen darf und ggf. auch muss, soweit der Bedarf nach diesen Leistungen nicht zu qualitativ und wirtschaftlich befriedigenden Bedingungen durch vertraglich gebundene Leistungserbringer gedeckt werden kann" so das Gutachten.

Wenn aber kein Mangel an Vertragspartnern gegeben ist und keine dadurch bedingten Versorgungslücken auftreten, haben die Krankenkassen keine Möglichkeit, eigene Pflegedienste zu gründen:

Eine Krankenkasse darf also nach dem Gesetz nicht auswählen, ob sie Verträge mit Pflegediensten schließt, oder die Leistung selber erbringt, wenn externe Leistungserbringer die Versorgung unstreitig zu wirtschaftlich und qualitativ angemessenen Bedingungen erfüllen können. Dass es im Stadtstaat Berlin keine Versorgungsengpässe gibt, ist unstreitig.

Der bpa sieht sich, und insbesondere die Rechte der Kranken, durch dieses Gutachten bestätigt. Dazu Bernd Tews, Geschäftsführer des bpa:

"Durch den Plan der BKK Berlin wird das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten massiv eingeschränkt. Die Umsetzung würde bedeuten, dass der Patient sich seinen Pflegedienst nicht mehr selber auswählen kann, und es würde eine gigantische Patientenumschichtung zu Lasten alter und kranker Menschen vorgenommen werden. Die BKK Berlin muss ihren Versicherten deutlich sagen, ob sie dies wirklich will."

Das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten (§ 33 SGB I), das auch eine Auswahl unter der Vielzahl der Leistungserbringer sichert (§ 2 Abs. 3 SGB V), untersagt daher eine monopolisierte Versorgungsstruktur, wie sie die BKK Berlin für die häusliche Krankenpflege anstrebt.

Neben den Auswirkungen auf die Patienten wären durch diese laut Gutachten rechtswidrige Initiative der BKK Berlin Hunderte von qualifizierten Arbeitsplätzen in den Pflegediensten gefährdet.

Und selbst die AOK Berlin geht davon aus, dass die BKK Berlin schon "gut rechnen" müsse, damit sie die gewünschten Einsparungen erreichen könne. Denn angesichts der derzeitigen Vergütungssätze in der häuslichen Krankenpflege, die in den letzten Monaten über 20% abgesenkt wurden, ist kaum vorstellbar, wie eine Krankenkasse diese Leistungen noch günstiger anbieten könnte. Da liegt es auf der Hand, dass eine billigere Krankenpflege nur durch weniger Leistung und Qualität erreicht werden kann.

Vor dem Hintergrund des vorgelegten Gutachtens fordert der bpa die Aufsichtsbehörden auf, dieses Vorgehen der BKK Berlin zu unterbinden.

Bernd Tews weiter:
"Die Berliner Gesundheitssenatorin sollte sehr aufmerksam auch das gesundheitspolitische Signal wahrnehmen, das von dieser Initiative ausgeht: Heute soll den Patienten die freie Auswahl des Pflegedienstes genommen werden - und was wird morgen eingeschränkt? Darf man sich dann als Versicherter der gesetzlichen Krankenkasse seinen Arzt auch nicht mehr aussuchen? Und wird womöglich übermorgen der Patient verpflichtet, sich ausschließlich in Krankenhäusern mit Sonderangeboten operieren zu lassen? Das subsidiäre Sachleistungsprinzip unseres Gesundheitssytems ist kein Selbstzweck und muss geschützt werden."

Das vollständige Gutachten finden Sie in der Pressebox unter www.bpa.de.

Quelle und Kontaktadresse:
Bernd Tews Telefon: 040/2517815 Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste e.V. (bpa), Bundesgeschäftsstelle Oxfordstr. 12-16 53111 Bonn Telefon: 0228/604380 Telefax: 0228/6043899

NEWS TEILEN: