Personal-Service-Agenturen stellen sich mit Niedrigstlöhnen selbst ein Bein: Institut Arbeit und Technik zieht kritische Zwischenbilanz zu einem neuen arbeitsmarktpolitischen Ansatz
(Gelsenkirchen) - Zeitarbeit kann Arbeitslosen durchaus helfen, durch Übernahme in den Entleihbetrieb wieder einen festen Arbeitsplatz zu finden. Dies haben Ansätze wie die START Zeitarbeit NRW GmbH in Nordrhein-Westfalen, die 1996 gegründet wurde, gezeigt. Die seit 2003 bundesweit eingerichteten Personal-Service-Agenturen (PSA) scheinen allerdings Schwierigkeiten zu haben, ausreichend betriebliche Einsätze zu organisieren und stellen ihrer Vermittlungsarbeit durch z.T. extrem niedrige Verleihsätze selbst ein Bein.
Denn je billiger die PSA-Kräfte angeboten werden, desto geringer ist der Anreiz, diese in feste Beschäftigung zu übernehmen, was ja eigentlich das Ziel der PSA ist. Diese Zusammenhänge untersuchte Dr. Claudia Weinkopf, Forschungsdirektorin am Institut Arbeit und Technik/ Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen (IAT/Gelsenkirchen), in einer kritischen Zwischenbilanz des neuen arbeitsmarktpolitischen Instruments der „PSA“.
Die Zahl der PSA ist – nicht zuletzt wegen der Maatwerk-Pleite - gegenĂĽber dem Höchststand von fast 1000 Ende Februar 2004 inzwischen deutlich zurĂĽckgegangen. Ende Juni 2004 gab es nur noch 807 PSA bundesweit mit einer Gesamtzahl von 34 873 Arbeitsplätzen, von denen nur knapp 74 % tatsächlich besetzt waren. Bis zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 44 732 PSA-Beschäftigte bereits wieder ausgeschieden. Der Anteil derjenigen, die in sozialversicherungsÂpflichtige Beschäftigung vermittelt werden konnten, lag bei knapp 31 % – und damit deutlich niedriger als bei entsprechenden Initiativen in der Vergangenheit.
Eine Ursache hierfür dürfte darin bestehen, dass die PSA-Kräfte nach vorliegenden Informationen im Jahresdurchschnitt 2003 in deutlich weniger als der Hälfte ihrer Arbeitszeit in Betrieben tätig waren. Gelingt aber die Organisation von betrieblichen Einsätzen nicht oder nur in geringem Maße, verpufft der erhoffte „Klebeeffekt“ – die Übernahme auf einen festen Arbeitsplatz in einem Unternehmen. Wie der Maatwerk-Skandal gezeigt hat, ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass PSA-Beschäftigte untätig zuhause sitzen, statt an Betriebe verliehen zu werden. Ob und inwieweit PSA-Betreiber Angebote zum Coaching und zur Qualifizierung bereithalten und welche Qualität diese haben, ist bislang offen. Diese können ohnehin betriebliche Arbeitseinsätze nur ergänzen, aber keinesfalls ersetzen. „Anderenfalls wären die Betreffenden in einer geeigneten Qualifizierungsmaßnahme mit einem integrierten Betriebspraktikum wohl besser aufgehoben“, so Dr. Weinkopf.
Die bisherige PSA-Konstruktion beinhaltet darüber hinaus die Gefahr, dass reguläre Arbeitsplätze zugunsten des Einsatzes von PSA-Kräften abgebaut und dass bestehende Zeitarbeitsunternehmen durch besonders niedrige Verleihtarife vom Markt verdrängt werden. Arbeitsverträge mit PSA-Kräften müssen grundsätzlich für eine Dauer von neun bis zwölf Monaten abgeschlossen werden. Wenngleich diese Vorgabe aus arbeitsmarktpolitischer Sicht zu begrüßen ist, weil sie darauf abzielt, „Hire-and-Fire“-Strategien zu unterbinden, kann sie gleichzeitig erheblichen Druck auf die Höhe der Verleihsätze ausüben – insbesondere bei Schwierigkeiten, betriebliche Einsätze zu akquirieren. In diesem Fall werden Personal-Service-Agenturen ggf. versuchen, die Betroffenen durch besonders niedrige Verleihsätze doch noch in einem Betrieb „unterzubringen“ – was finanziell für die PSA immer noch sinnvoller ist, als Beschäftigte untätig zuhause „rumsitzen“ zu lassen und gar keine Einnahmen zu erzielen.
Dies kann jedoch gravierende Nebenwirkungen haben: Der Einsatz von PSA-Kräften wird für die Betriebe lukrativer, was zur Verdrängung bestehender Arbeitsverhältnisse führen kann. Im Extremfall könnten die Unternehmen insbesondere für gering qualifizierte Tätigkeiten nur noch PSA-Beschäftigte einsetzen – subventioniert durch öffentliche Zuschüsse.
Eine große Differenz zwischen den Kosten für PSA-Arbeitskräfte und für die eigenen Beschäftigten in den Betrieben beeinträchtigt zudem auch die Übernahmechancen: Je billiger geeignete PSA-Beschäftigte angeboten werden, desto geringer ist der Anreiz der Unternehmen, sie in feste Beschäftigung zu übernehmen. Damit würde das erklärte Ziel der PSA „ausgehebelt“.
Mit niedrigen Kosten für PSA-Beschäftigte wächst auch der Druck auf das Lohnniveau der Beschäftigten in den Betrieben – vor allem auf den Qualifikationsebenen, für die alternativ auch PSA-Beschäftigte ohne längere Anlernphasen eingesetzt werden können. Das Beispiel der Gebäudereinigung zeigt, dass solche Wirkungen bereits eingetreten sind: Hier sind die Tariflöhne seit April 2004 unter Verweis auf die neuen Tarifverträge in der Zeitarbeit abgesenkt worden. Auch in anderen Branchen gibt es erste Hinweise, dass eine Auslagerung bestimmter Tätigkeiten in die Arbeitnehmerüberlassung erwogen wird.
Wenn es den Personal-Service-Agenturen auch künftig nicht gelingen sollte, die Anteile von betrieblichen Einsätzen deutlich zu steigern, wird kritisch zu prüfen sein, ob das Konzept insgesamt tragfähig und arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Besonderes Augenmerk ist dabei auf Art und Umfang zusätzlicher Integrationshilfen wie z.B. Coaching und Qualifizierung zu richten und auf die Frage, inwieweit die eigentlich anvisierte Zielgruppe der „schwer vermittelbaren“ Arbeitslosen erreicht wird. Anderenfalls wäre die Subventionierung der PSA in der bisherigen Höhe kaum zu rechtfertigen. Eine kostengünstigere und stärker erfolgsbezogene Alternative könnte z.B. darin bestehen, Zeitarbeitsunternehmen für die
Einstellung von Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen einen Lohnkostenzuschuss und bei erfolgreicher Vermittlung in feste Beschäftigung eine Prämie zu gewähren, schlägt die IAT-Wissenschaftlerin vor.
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