Pensionswelle bei Polizei und Justiz gefährdet Stabilität des Rechtsstaates
(Berlin) - Die auf Polizei und Justiz in den nächsten Jahren hereinbrechende Pensionswelle gefährdet nach Auffassung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und des Deutschen Richterbundes (DRB) die Stabilität des deutschen Rechtsstaates. Der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow und der DRB-Vorsitzende Jens Gnisa forderten die politischen Entscheider in Bund und Ländern auf, Polizei und Justiz unmittelbar und vorbehaltlos zu stärken. Die Erosion der inneren Sicherheit müsse gestoppt werden, betonten Malchow und Gnisa am Mittwoch in der Bundespressekonferenz in Berlin.
Gnisa sagte: "Ein starker Rechtsstaat, der die Bürger effektiv vor Kriminalität schützen soll, braucht nicht nur deutlich mehr Polizisten, sondern mindestens 2.000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte." Malchow unterstrich: "Um die von der GdP seit längerem geforderten 20.000 Polizeivollzugsbeamten (PVB) bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode auch tatsächlich auf die Straße zu bringen, müssten die Einstellungszahlen bereits in 2017 und 2018 deutlich angehoben werden."
Seit vielen Jahren mahnt die GdP laut dem GdP-Bundesvorsitzenden, die erheblichen Personallücken bei der Polizei vielerorts in Deutschland endlich ernst zu nehmen. Malchow: "Jahrzehntelang stießen wir jedoch auf taube Ohren in der Politik. Wie brisant die Personallage ist, zeigte erneut der G20-Gipfel in Hamburg. Fest steht ebenso, die innere Sicherheit in Deutschland kann nur gewährleistet werden, wenn die Kette Polizei - Staatsanwaltschaft - Gericht funktioniert. Das heißt, nach den abgeschlossenen Ermittlungen der Polizistinnen und Polizisten wird der Vorgang der Staatsanwaltschaft übergeben, um bei Anklageerhebung anschließend vor Gericht zeitnah entschieden zu werden."
"Die schon heute sehr angespannte Situation wird sich in den kommenden 10 bis 15 Jahren noch verschärfen, denn auf die deutsche Justiz rollt eine gewaltige Pensionierungswelle zu", führte der DRB-Vorsitzende Gnisa fort. Rund 40 Prozent aller Juristen schieden bundesweit bis 2030 aus dem Dienst aus, die Justiz verliere etwa 10.000 Richter und Staatsanwälte. Gleichzeitig drängten aber immer weniger Nachwuchsjuristen in die Justiz. "Eine vorbeugende Personalpolitik muss jetzt, nicht erst in zehn Jahren beginnen. Wenn die Politik hier nicht aktiv wird, droht der Rechtsstaat zu erodieren. Deutliche Warnsignale zeigen sich schon heute. Besonders alarmierend ist, dass die Gerichte zuletzt immer wieder Angeklagte aus der Untersuchungshaft entlassen mussten, weil Strafverfahren unvertretbar lange dauerten", so der DRB-Vorsitzende.
"Unsere Kolleginnen und Kollegen beklagen bereits seit Jahren, dass die von ihnen ermittelten Tatverdächtigen viel zu lange auf die Strafe warten müssen. Und viele Verfahren werden auch eingestellt", unterstrich Malchow. Die Folge: Der Frust im Dienst steige - gerade bei wiederholt auffallenden Tatverdächtigen. Auch bei der Polizei ist Malchow zufolge mit Blick auf die sehr angespannte Personalsituation in vielen Bundesländern und im Bund trotz aller Beteuerungen von Politikern und Parlamentariern keine entscheidende Trendwende absehbar. So würden nach GdP-internen Berechnungen im Zeitraum von 2017 bis 2021 etwa 56.000 künftige Polizistinnen und Polizisten nach ihrer dreijährigen Ausbildung den polizeilichen Dienststellen zur Verfügung stehen. Demgegenüber schieden bis 2021 etwa 44.000 Kolleginnen und Kollegen aus dem Polizeidienst aus, die vor allem in den Ruhestand gehen.
Malchow: "Das ist fast jeder fünfte der rund 215.000 Vollzugsbeamtinnen und -beamten hierzulande. Unter dem Strich haben wir demnach ein Plus von 12.000 Polizistinnen und Polizisten. Davon bleiben bei den 16 Bundesländern über dem Strich jedoch nur 5.500, die Mehrzahl von 6.500 ist bei der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt angesiedelt, rechnet man neue Kollegen gegen Pensionäre auf."
Der DRB-Vorsitzende Gnisa: "Es ist zwar zu begrüßen, dass die Justizminister endlich die Zeichen der Zeit erkannt zu haben scheinen und im Juni zusätzliche Stellen für die Justiz versprochen haben. Den politischen Ankündigungen für Polizei und Justiz müssen nun aber rasch Taten folgen, damit die Strafverfolgung nicht vollends in die Krise gerät."
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