Pressemitteilung | Bauverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. - Hauptgeschäftsstelle

Offener Brief der Bauwirtschaft

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Ringstorff,

die Bauwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern leidet akute Not. Was aus eigener Kraft an Strukturwandel notwendig war, hat die Branche geleistet. Jetzt ist schnelle und zugleich nachhaltige Hilfe durch die Politik notwendig. Die bisher mit verschiedenen Partnern in der Landesregierung geführten Gespräche machen künftig nur Sinn, wenn auch Taten folgen. Die Zerstörung eines für die Zukunft des Landes wichtigen Wirtschaftszweiges darf nicht fortgesetzt werden. Das Land und seine Bauwirtschaft brauchen ein Zukunftsinvestitionsprogramm.

Seit 1995 sank der Umsatz im Bauhauptgewerbe von 7,6 Mrd. DM auf 5,1 Mrd. DM pro Jahr; das entspricht einem Rückgang von fast einem Viertel (-22,3 Prozent). In einem sehr schmerzhaften Prozess hat die Branche ihre Kapazitäten den veränderten Marktbedingungen angepasst. Die Zahl der Beschäftigten fiel von 54.000 auf 34.000. Gegenwärtig weist die amtliche Statistik sogar nur noch 28.000 Bauarbeiter aus. Mehr als 20.000 Menschen verloren Ihre berufliche Perspektive. Auch die Binnenstruktur der Branche hat sich radikal verändert. Die Zahl der Bauunternehmen hat sich seit dem von 1.495 auf 1.828 erhöht. Gemessen an den Beschäftigten hat sich die durchschnittliche Betriebsgröße von 34 auf 19 verringert. Unsere Unternehmen haben ihre Schularbeiten gemacht und ein hohes Maß an marktwirtschaftlicher Flexibilität nachgewiesen.

Jetzt besteht aber die Gefahr der Zersplitterung der Branche in Kleinunternehmen. Der Leistungsträger Mittelstand und damit das Know-how für größere und anspruchsvollere Bauvorhaben ist bedroht. Unser Mittelstand braucht wieder eine Zukunft. Die Aussicht ist jedoch düster.

Für das Jahr 2001 rechnen wir erneut mit einem zweistelligen Umsatzeinbruch. Die Entwicklung in den ersten sechs Monaten bestätigt unsere Befürchtungen überdeutlich. Die Folgen sind weitere Entlassungen. Unser Sozialsystem wird belastet, berufliche Perspektive wird massenhaft zerstört.

Leider geschieht Anpassung nicht nur geordnet. Der Druck auf die Branche erzeugt radikalen Preisverfall, eine eklatante schlechte Zahlungsmoral und die Zunahme von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung. Deshalb verwundert es nicht, wenn die Insolvenzen von Jahr zu Jahr zunehmen. Im vergangenen Jahr haben 372 Bauunternehmen Insolvenz anmelden müssen. Zum 30. 6. diesen Jahres waren es bereits 254, das bedeutet eine Zunahme gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 61 Prozent.

Diese Situation ist durch zahlreiche statistische Veröffentlichungen, Presseartikel und verbandliche Publikationen bekannt. Die Landesregierung zeigt jedoch keine Reaktion.

Solange die Bauwirtschaft Motor der Wirtschaftsentwicklung unseres Landes war, gab es ein hohes Maß an politischer Identifikation. Heute muss die Bauwirtschaft die bittere Erfahrung machen, dass ihre Probleme verdrängt werden.
Wachstum lässt sich leichter verantworten als Krise. Wir fordern die Landesregierung auf, eine aktive Baupolitik zu gestalten.
Dabei schlagen wir folgende Handlungsfelder vor :

· Es muss eine ungeschminkte Bilanz der Infrastrukturentwicklung im Land und der noch bestehenden Infrastrukturdefizite erarbeitet werden. Mit dem "Memorandum Infrastruktur" der Bauindustrie liegt für verschiedene Bereiche bereits eine solche realistische Betrachtung vor.

· Auf dieser Basis sind Investitionsprogramme mit klaren Zielen für den Infrastrukturausbau zu bestimmen.

· Die Finanzierung der Infrastrukturentwicklung muss höchste politische Priorität erhalten. Eine dogmatische Sparpolitik nach dem Motto "Sparen um jeden Preis" darf nicht über dem Erfordernis stehen, den Standort Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.

· Sämtliche Förderprogramme sind auf ihre Bedeutung für die Infrastrukturentwicklung zu überprüfen und gegebenenfalls neu auszurichten.

· Die Kofinanzierung von Förderprogrammen des Bundes und der EU, die Investitionen erzeugen, sind in jedem Fall zu sichern. Nach unseren Informationen besteht zur Zeit eine Lücke von ca. 500 Mio. DM.

· Der Solidarpakt II oder die EU- Fördermittel müssen für Investitionen und nicht für die Haushaltssanierung zum Einsatz gebracht werden. Das Land darf sich nicht auf Kosten fremder Fördermittel aus der eigenen Verantwortung stehlen.

· Von besonderer Bedeutung ist die Stärkung der Investitionskraft der Kommunen. Während in den alten Ländern die Gemeinden einen Anteil von 46 Prozent an den öffentlichen Bauausgaben haben, sind es im Osten nur 16 Prozent. Hier ist dringend Hilfe notwendig. Im kommunalen Bereich liegen auch die größten Infrastrukturdefizite.

· Die Privatisierung oder Privatfinanzierung öffentlicher Infrastruktur muss stärker zur Entlastung öffentlicher Kassen genutzt werden.

· Die Wohnungsbauförderung, insbesondere die Wohneigentumsförderung, muss verstetigt werden. Schluss mit Förderzyklen auf Achterbahnniveau.

· Die Landesregierung muss Vorbild bei einer formstrengen Anwendung der öffentlichen Vergabe- und Vertragsrechtes sein. Vergaben auf Billigstangebote und Verzögerungen bei der Zahlung der vertraglichen Vergütung sind ebenso zu vermeiden wie überzogene Bürgschaftsforderungen und die Einführung vergabefremder Zuschlagskriterien.

· Wegen des fehlenden Vergaberechtsschutzes unterhalb der EU - Schwellenwerte sollte die Landesregierung im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht wieder eine VOB -Clearing - Stelle einrichten.

Quelle und Kontaktadresse:
Bauindustrieverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. Eckdrift 93 19061 Schwerin Telefon: 0385/6356300 Telefax: 0385/6356311

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