Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Öffentliche Haushalte 2003/2004: Fehlbeträge steigen weiter / Entspannung nicht in Sicht

(Berlin) - Für dieses und das nächste Jahr ist keine Entspannung der Finanzlage der öffentlichen Haushalte in Sicht – im Gegenteil: Der aktuelle Wochenbericht des DIW Berlin 36-37/2003 schätzt das Defizit bei Bund, Ländern und Gemeinden in diesem Jahr auf 80 Mrd. Euro (in Abgrenzung der Finanzstatistik); dies sind 20 Mrd. Euro mehr als 2002. Im nächsten Jahr dürfte der Fehlbetrag mit 87 Mrd. Euro noch höher ausfallen, wenn die dritte Stufe der Steuerreform auf 2004 vorgezogen wird. Legt man die Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bei der Schätzung zugrunde, die für die Errechnung des Defizits gemäß Maastricht relevant ist, so errechnen sich für beide Jahre Defizitquoten von jeweils 4,3 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts, d.h. Defizitgrenze und Defizitziel werden abermals weit verfehlt. Auch die Grenze für den Schuldenstand (60 Prozent) wird mit voraussichtlich 64 Prozent bzw. 67 Prozent deutlich überschritten.

In diesem Jahr werden die Ausgaben der öffentlichen Haushalte um 3,2 Prozent erhöht, während die Einnahmen geringfügig sinken. Für 2004 werden ein Rückgang der Einnahmen um 1,4 Prozent und stagnierende Ausgaben für wahrscheinlich gehalten. Bereinigt um den konjunkturellen Einfluss – Zuschüsse des Bundes an die Bundesanstalt für Arbeit und höhere Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe – errechnet sich für dieses Jahr ein leichter Zuwachs, im nächsten Jahr dagegen ein Rückgang.

Mit dem geplanten Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform hat die Finanzpolitik aus konjunktureller Sicht angemessen reagiert. Kurzfristig sollte der ausgabeseitige Konsolidierungskurs nicht noch verstärkt werden. Mittelfristig darf das Konsolidierungsziel nicht aus den Augen verloren werden. Dies erfordert ein längerfristig angelegtes Konzept, dem eine größere politische Verbindlichkeit bei der Umsetzung zukommen muss, als dies bei den bisherigen Vorhaben der Fall war. Die Politik sollte sich nicht auf ein Defizitziel, sondern auf eine Ausgabenlinie verbindlich festlegen, wobei die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit ausgeklammert bleiben sollten. Zusätzliche Sparmaßnahmen wie ein breit angelegter Subventionsabbau sollten verzögert in Kraft treten, damit der Aufschwung nicht schon blockiert wird, ehe er begonnen hat.

Sorge bereitet die öffentliche Investitionstätigkeit, die abermals schrumpft. Zu geringe Infrastrukturausgaben - und hierzu gehören auch Ausgaben für Bildung und Forschung - können als Wachstumsbremse dienen. Internationale Vergleichsdaten zeigen, dass Deutschland zu geringe Infrastrukturausgaben tätigt. Eine grundlegende Voraussetzung für vermehrte Infrastrukturausgaben ist eine bessere Finanzausstattung der Gemeinden, aber auch der Länder. In der Diskussion um die Reform der Gewerbesteuer wird zu wenig berücksichtigt, dass die lokale Wirtschaft erheblich vom kommunalen Infrastrukturangebot profitiert, in guten wie in schlechten Zeiten und unabhängig von der Höhe des Gewinns. Die Diskussion konzentriert sich zu sehr auf die Belastung - doch sollte berücksichtigt werden, dass die Unternehmen bereits durch die Reform 2001 erheblich entlastet worden sind. Reformbedarf sieht das DIW Berlin auch bei der Erbschaftsteuer. Eine Verdoppelung des Aufkommens könnte den Ländern immerhin Mehreinnahmen von 3 Mrd. Euro verschaffen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: 030/897890, Telefax: 030/89789200

NEWS TEILEN: