Oberfrankens Wirtschaft am Scheideweg / Kurzfristig innovative, unbürokratische und nachhaltige Ansätze erforderlich
(Bayreuth) - Der Wirtschaftsraum Oberfranken ist zuletzt in schwieriges Fahrwasser geraten, so Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth, in seinem Resümee zur Wirtschaftsentwicklung 2023. Vor der Zukunft ist ihm nicht bange, wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen.
"Wenn ich einen Blick auf die Langfristentwicklung der oberfränkischen Wirtschaft werfe, könnte ich mich eigentlich zufrieden zurücklehnen", zeigt sich der Präsident der Industrie- und Handelskammer für Oberfranken Bayreuth zuversichtlich. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in Oberfranken seit 2005 um knapp 85.300 oder 24 Prozent auf den neuen Rekordwert von 443.968 gestiegen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosenquote von 9,1 auf 3,7 Prozent gesunken (jeweils November).
Gemessen an seiner Beschäftigtenzahl werden in Oberfranken außerdem doppelt so viele Patente entwickelt, wie im Rest Deutschlands. Außerdem verzeichnet die Region erneut weit überdurchschnittlich viele Bundesbeste bei der Ausbildung.
Ein Blick auf den IHK-Konjunkturklimaindex zeigt aber, dass es auch eine andere Seite gibt neben der hervorragenden Entwicklung der vergangenen Jahre: Der Index stürzte zuletzt von 109 auf 91 Punkte regelrecht ab. Waasner: "Strukturelle Herausforderungen und schlechte Konjunkturdaten verstärken sich gegenseitig."
Einschränkungen wegen Corona, unterbrochene Lieferketten und explodierende Energiekosten haben ihre Spuren hinterlassen. "Dazu kommen ein immer stärker spürbarer Arbeitskräftemangel, die Herausforderungen der Transformation gerade bei den Automobilzulieferern und vor allem die zunehmend überbordende Bürokratie", so Dr. Waasner. "Kein Wunder, dass viele Unternehmerinnen und Unternehmer tief verunsichert sind."
Dr. Waasner: "Frust von Unternehmerinnen und Unternehmern immer öfter greifbar"
Deutschland verliert zusehends seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Waasner: "Die Digitalisierung kommt nicht voran, die Dauer von Planungen und Genehmigungen wird längst nicht mehr in Monaten, sondern in Jahren gemessen." Zum Jahreswechsel sinke die Wettbewerbsfähigkeit erneut, wenn Netzentgelte und CO2-Abgabe spürbar steigen.
"Kontraproduktiv ist auch die fehlende Planungssicherheit, einstmals eine ausgeprägte Stärke des Wirtschaftsstandortes Deutschland", macht Dr. Waasner deutlich. "Wenn Unternehmen investieren wollen, aber wegen verschiedenster Hemmnisse nicht können, werden auch gesellschaftliche Projekte wie die Energiewende nicht voran kommen."
Der Frust vieler Unternehmerinnen und Unternehmer sei regelrecht greifbar. Nicht überraschend für den IHK-Präsidenten, schließlich hätten sie sich selbständig gemacht, um etwas zu unternehmen, etwas zu entwickeln und voranzubringen. Dr. Waasner: "Stattdessen schlagen sie sich immer mehr mit nicht zeitgemäßer Infrastruktur und vor allem bürokratischen Hemmnissen herum."
Kopf nicht in den Sand stecken!
Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen. "Auf der Habenseite stehen - gerade auch in Oberfranken - ein starker Mittelstand, eine ausgeprägte Innovationsstärke und eine hohe Exportorientierung", so Dr. Waasner. "Aber allein schafft das die Wirtschaft nicht. Wir brauchen die Unterstützung von Staat und Verwaltung, keinen Gegenwind." Erste Maßnahmen wurden auf den Weg gebracht, etwa die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich. Dr. Waasner: "Ähnliche Ansätze und Maßnahmen brauchen wir dringend auch an anderen Stellen."
Wirtschaftsstandort zu alter Stärke zurückführen
"Gelingt uns das, bin ich zuversichtlich, was die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Oberfranken angeht", macht Dr. Waasner deutlich. Dazu sei es aber notwendig, die Vielzahl der Herausforderungen zeitnah und auch unkonventionell anzupacken. "Wir als IHK für Oberfranken Bayreuth bringen vor Ort und über die IHK-Organisation auf Bundesebene gerne unsere Expertise mit ein. Das geballte Wissen unserer Unternehmerinnen und Unternehmer wird etwa auf Gesetzgebungsseite noch viel zu wenig genutzt. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam den Standort Deutschland und damit auch Oberfranken wieder zu alter Stärke führen können."
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