Oberfränkische Wirtschaft erwartet harten Winter / Bayreuther IHK: Politik muss Rahmenbedingungen umgehend verbessern
(Bayreuth) - Hohe Kosten, steigende Zinsen, ein schwacher privater Konsum, die seit längerem schwächelnde Inlandsnachfrage und die zunehmend ins Stocken geratende Auslandsnachfrage bilden ein schwieriges Marktumfeld für die oberfränkische Wirtschaft.
Präsident fordert bessere Rahmenbedingungen
"Die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen müssen sich durchgreifend verbessern, sonst schaden wir dauerhaft unserer Wettbewerbsfähigkeit", mahnt Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth. "Hier müssen auch der neu gewählte Bayerische Landtag und die neue Staatsregierung schnell Akzente setzen." Zwar beurteilen im Saldo weiterhin mehr Unternehmen Ihre aktuelle Geschäftslage positiv, die Erwartungen verschlechtern sich jedoch spürbar, vor allem in der wichtigem Leitbranche Industrie.
Die führenden Wirtschaftsinstitute haben für das laufende Jahr ihre Prognose für die Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsproduktes auf -0,6 Prozent gesenkt. Die oberfränkische Wirtschaft kann sich diesem Sog nicht vollends entziehen, behauptet sich aber zu Beginn des Winterhalbjahres noch recht gut. 29 Prozent der befragten Betriebe beurteilen ihre Geschäftslage gut, 21 Prozent negativ. Der Saldo bleibt damit zwar positiv, ist aber so niedrig, wie zuletzt im Mai 2021, also kurz nach den Corona-Lockdowns.
Den sich anbahnenden negativen Konjunkturverlauf bekommen zunächst das Verarbeitende Gewerbe und der Großhandel zu spüren. Dort ist der Lagesaldo bereits negativ. Für Oberfranken sind das keine guten Nachrichten, bildet die Industrie doch das wirtschaftliche Rückgrat der Region. Positive Rückmeldungen kommen vor allem aus dem Tourismus und mit Abstrichen aus dem Dienstleistungssektor.
Umsätze geben auf breiter Front nach
"Nahezu alle Wirtschaftsbereiche berichten im Saldo von rückläufigen Umsätzen und das zum Teil in erheblichem Umfang", macht Wolfram Brehm deutlich, Hauptgeschäftsführer der IHK für Oberfranken Bayreuth. In der Industrie und im Großhandel verbuchten über die Hälfte der Unternehmen Umsatzrückgänge, auch der Einzelhandel ist mit über 40 Prozent stark betroffen. Absetzen von diesem Negativtrend kann sich vor allem der Tourismus.
Exporte stark unter Druck
Brehm: "Die schwache Weltwirtschaft belastet zunehmend die Geschäfte der oberfränkischen Exporteure." War die Einschätzung des Auslandsgeschäftes im Frühjahr noch weitgehend ausgeglichen, rutscht sie im Herbst in den tiefroten Bereich. Fast die Hälfte aller exportierenden Firmen verzeichnen zuletzt Rückgänge beim Exportvolumen. Betroffen sind alle globalen Märkte, vor allem aber Europa. "Das relativiert natürlich auch die Lagebeurteilung, müssen wir doch davon ausgehen, dass die Geschäftslage bei vielen Unternehmen zwar noch positiv beurteilt wird, diese aber im Trend bereits rückläufig ist, so Brehm.
Dass die Konjunktur in eine Negativentwicklung rutscht, lässt sich auch gut am Beispiel des Baugewerbes zeigen. Brehm: "Während die aktuelle Geschäftslage dort noch sehr positiv beurteilt wird, ist der Auftragseingang komplett eingebrochen. Im Wohnungsbau etwa gibt ein Drittel der Unternehmen einen gleichbleibenden, zwei Drittel einen rückläufigen Auftragsbestand an. Mehr Aufträge verzeichnet kein einziges der befragten Unternehmen."
Erwartungen im Sinkflug
"Die Auftragsbücher werden spürbar dünner, die Lagerbestände zunehmend größer", warnt der IHK-Präsident. 37 Prozent aller Betriebe rechnen in den kommenden Monaten mit einer Verschlechterung der Geschäftslage, mit einer Verbesserung nur 14 Prozent. Damit schwenkt der Saldo ins Negative. Die pessimistische Prognose zieht sich durch alle Branchen. Besonders eingetrübt sind die Erwartungen im Einzel- und Großhandel, dem Tourismus sowie der Baubranche
Investitionsneigung und Beschäftigtenplanungen geraten unter Druck
Wie ernst die Lage ist, zeichnet sich bei der prognostizierten negativen Beschäftigtenentwicklung ab, mit der die Industrie, der Handel und die Dienstleistungen rechnen. Brehm: "Eigentlich eine paradoxe Situation, ist der Fachkräftemangel doch so groß wie nie zuvor." Bei der Industrie rutscht zudem der Saldo der Investitionsplanungen im Inland in den negativen Bereich.
Wirtschaftspolitik muss den Fuß von der Bremse nehmen
Unter den meistgenannten Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung der oberfränkischen Unternehmen befinden sich viele, die vor allem von der Politik beeinflusst werden können. Ob Energiepreise, Fachkräftemangel, wirtschaftliche Rahmenbedingungen oder Arbeitskosten, jeweils über die Hälfte der Befragten stuft die genannten Punkte als wirtschaftliches Risiko für den eigenen Betrieb ein.
Plädoyer für eine starker digitalisierte und effizientere Verwaltung
Deutschland ist nach Einschätzung der OECD neben Argentinien das einzige größere Industrieland, dessen Wirtschaftsleistung dieses Jahr abnehmen wird. Selbst dem sanktionsbelegten Russland wird ein Wirtschaftswachstum vorhergesagt. "Die Politik auf EU-, Bundes- und Landesebene muss endlich die Verbesserung der wirtschaftspolitischen Rahmendbedingungen anpacken. Wollen wir unsere heimische Wirtschaft wieder auf die Wachstumsspur bringen, brauchen wir verlässliche und bezahlbare Energie, einen klaren Fahrplan für die Energiewende und eine Verwaltung, die digitaler und effizienter werden muss. Nur so können Genehmigungsverfahren künftig schneller erteilt werden. Nur so gelingt es uns, die Energiewende spürbar zu beschleunigen" macht Dr. Waasner deutlich. "Die Unternehmen erwarten endlich Lösungen, aber vor allem auch Planungssicherheit."
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