Nur 6,5 Stunden Rückmeldefrist: Scheinbeteiligung bei Lieferkettengesetz
(Berlin) - Die Debatte zum Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Sorgfaltspflichtengesetz) läuft seit Jahren. Nun liegt endlich ein Referentenentwurf auf dem Tisch. Doch statt einen umfassenden Beteiligungsprozess zu ermöglichen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Transparency Deutschland und den weiteren Stakeholdern das Gesetz gestern, am 01. März 2021, um 12:30 Uhr zugeschickt - verbunden mit der Rückmeldefrist für die Einreichung einer Stellungnahme am selben Tag um 19 Uhr.
Dazu erklärt Helena Peltonen-Gassmann, stellvertretende Vorsitzende von Transparency Deutschland: "Wir sagen: So geht es nicht! Die Einbindung von Zivilgesellschaft und Verbänden liefert wichtige inhaltliche Anregungen und ermöglicht es, Meinungen und Expertise aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einzuholen und darf nicht unter die Räder kommen. Eine Rückmeldefrist von sechseinhalb Stunden zur Einreichung einer Stellungnahme für ein solch wichtiges, umfangreiches und komplexes Gesetz ist untragbar. Der Prozess ist damit weder fair noch transparent! Finanziell und personell stark aufgestellte Verbände haben vielleicht noch die Möglichkeit, so kurzfristig zu reagieren. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die oft auf ehrenamtlicher Arbeit beruhen, können sich bei solch einer Kurzfristigkeit nicht angemessen beteiligen. Der demokratische Prozess wird so untergraben.”
Durch dieses Hauruckverfahren wird das Sorgfaltspflichtengesetz voraussichtlich schnell und ohne ausreichende Beteiligung im Kabinett diskutiert, obwohl grundlegende Aspekte wie eine umfassende Berücksichtigung von Korruptionsprävention und -bekämpfung nicht ausreichend im vorliegenden Entwurf enthalten sind. Zu den wichtigsten inhaltlichen Punkten, finden Sie hier die Stellungnahme von Transparency Deutschland.
Transparency Deutschland fordert das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf, die Anhörung zum Sorgfaltspflichtengesetz zu verschieben und eine Verlängerung der Kommentierungsfrist zu gewähren.
Allgemein fordern wir von allen Bundesministerien für die Beteiligung von Verbänden:
- Angemessene Fristen für die Kommentierung von Gesetzesentwürfen
- Bereitstellung von Synopsen zur besseren Vergleich- und Nachvollziehbarkeit
- Veröffentlichung der Referentenentwürfe auf den Websites der Ministerien
- Eine Öffnung des Partizipationsprozesses
Hintergrund
Zwar sollen Verbände und Interessengruppen laut der Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) den Entwurf einer Gesetzesvorlage "möglichst frühzeitig” erhalten, um dazu Stellung beziehen zu können. Schließlich ist diese Beteiligung ein zentraler Bestandteil der Aushandlungsprozesse in einer lebendigen Demokratie. Doch in der Praxis wird dieser Anspruch leider immer wieder nicht erfüllt.
Transparency Deutschland forderte daher wiederholt eine frühzeitige Einbeziehung der Verbände an Gesetzgebungsprozessen, so im Rahmen der Allianz für Lobbytransparenz wie auch als Unterzeichner eines Offenen Briefes mit 14 weiteren Verbänden und Organisationen von Dezember 2020. Es scheint jedoch, dass die Rufe der Verbände bisher weitestgehend ungehört blieben.
Quelle und Kontaktadresse:
Transparency International - Deutschland e.V.
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