Norddeutscher Groß- und Außenhandel: Steuer-Mehreinnahmen jetzt zum Schuldenabbau nutzen / Die größte Gefahr für den Welthandel ist der Protektionismus / Kaufmännische und gewerbliche Mitarbeiter kaum noch zu finden
(Hamburg) - Das Geschäftsklima im norddeutschen Groß- und Außenhandel hat sich in allen Branchen zum Herbst weiter verbessert. Dank der anziehenden Industrieproduktion konnte vor allem der Großhandel mit Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie mit Maschinen und Ersatzteilen kräftig zulegen. Der Außenhandel profitiert von der weltweit anziehenden Konjunktur. Die Aussichten bis zum Frühjahr sind durchgängig optimistisch. Das erklärte Dr. Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbandes, auf der Basis der jüngsten Konjunkturumfrage seiner Organisation heute (2. November 2010) in Hamburg.
"Die unerwarteten Steuer-Mehreinnahmen müssen jetzt genutzt werden, um die enorme Staatsverschuldung abzubauen. Sie dürfen unsere Politiker nicht dazu verführen, vom beschlossenen Konsolidierungskurs abzuweichen", forderte der AGA-Präsident.
Die nominalen Umsätze im norddeutschen Groß- und Außenhandel lagen im dritten Quartal 2010 bei deutlich gestiegenen Preisen um 4,7 Prozent über dem Vorjahresniveau, real waren es 0,6 Prozent. Die Gewinnentwicklung hat sich weiter leicht verbessert. 33 Prozent der befragten Unternehmen bewerten ihre Gewinnsituation als gut (Vorquartal: 23 Prozent), 14 Prozent hingegen als schlecht (Vorquartal: 18 Prozent). Der AGA-Indikator, der die Einschätzung der gegenwärtigen und der erwarteten Ertragslage zusammenfasst, ist um 7 Punkte gestiegen und weist jetzt einen Stand von 128 Punkten auf. Werte über 100 sind Ausdruck einer relativ guten, Werte unter 100 einer relativ schlechten Geschäftslage.
"Die größte Gefahr für den Welthandel ist der Protektionismus", sagte der AGA-Präsident. "Deshalb sollten wir weniger über Wechselkurse diskutieren, sondern vielmehr über die permanenten Bestrebungen, durch Handelsbeschränkungen Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Politische Wechselkurse lassen sich auf Dauer nicht halten. Handelsbeschränkungen sind jedoch resistent", so Kruse.
Die unerwartet schnelle Überwindung der Krise spiegelt sich in der aktuellen Beschäftigungsbilanz und in den Personalplänen wider. Nach einem Personalabbau von 1,3 Prozent im Krisenjahr 2009 haben die norddeutschen Groß- und Außenhändler in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres ihre Belegschaften per Saldo um 0,2 Prozent aufgestockt. Bis zum Frühjahr 2011 wollen 35 Prozent der befragten Handelsunternehmen weitere Mitarbeiter einstellen.
"Der Fachkräftemangel bremst auch den Groß- und Außenhandel", stellte AGA-Hauptgeschäftsführer Volker Tschirch fest. 54 Prozent der befragten Unternehmen berichten über Schwierigkeiten, kaufmännische Mitarbeiter zu finden. Den größten Engpass gibt es im Bereich "Verkauf und Kundenbetreuung", dies gaben 73 Prozent der Firmen an, die kaufmännisches Personal suchen. Auch wird es immer schwieriger, Positionen für Führungskräfte (26 Prozent) zu besetzen und geeignete kaufmännische Auszubildende (25 Prozent) zu finden.
Jedes fünfte Unternehmen sucht händeringend gewerbliche Mitarbeiter. Vor allem technische Fachkräfte (43 Prozent), Lagerfachkräfte (40 Prozent) sowie Kraftfahrer und Mitarbeiter für den Kundendienst (jeweils 17 Prozent) sind kaum noch am Markt verfügbar. 20 Prozent der Firmen können gewerbliche Ausbildungsplätze nur schwer besetzen.
"Jetzt kommt es vor allem darauf an, das Know-how älterer Mitarbeiter für das Unternehmen zu sichern", sagte Tschirch, der zugleich Vorsitzender im Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit in Hamburg ist. "Präventive Gesundheitsmaßnahmen, flexible Arbeitszeitmodelle und berufsbegleitende Weiterbildung sind die Schlüssel dazu. Berufseinsteiger lassen sich durch betriebliche Qualifizierungsmaß-nahmen langfristig an das Unternehmen binden", so Tschirch.
Strukturdaten für den norddeutschen Groß- und Außenhandel
Im norddeutschen Groß- und Außenhandel, der die Länder Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und das nördliche Niedersachsen umfasst, gibt es rund 9.800 Unternehmen, die mit ihren 116.400 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 212 Mrd. Euro erwirtschaften. Damit haben 12 Prozent der Mitarbeiter im bundesdeutschen Groß- und Außenhandel ihren Arbeitsplatz in Norddeutschland. Der Anteil Norddeutschlands am Gesamtumsatz beträgt 22 Prozent.
Beschäftigtenzahlen in den Regionen:
Hamburg: 48.500
Schleswig-Holstein: 39.400
Bremen: 11.600
Mecklenburg-Vorpommern: 12.300
Nord-Niedersachsen: 4.600
Quelle und Kontaktadresse:
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