Niedersächsisches Heimgesetz bringt mehr Bürokratie und weniger Freiheit
(Essen) - Die Koalitionsfraktionen hatten versprochen, dass mit dem niedersächsischen Heimgesetz Bürokratieabbau und mehr Selbstbestimmung für die Pflegebedürftigen einher gehen werden. Das Gegenteil ist gestern (28. Juni 2011) beschlossen worden.
Das vom niedersächsischen Landtag verabschiedete Heimgesetz löst bisher geltendes Bundesrecht ab. Unter dem Titel "Niedersächsisches Heimgesetz" tritt ein Regelwerk in Kraft, dass im Kern die Ausweitung der Heimaufsicht von der stationären Pflege auf die ambulante Pflege bedeutet. Für den Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) ist dies eine nicht hinzunehmende Situation, da per Gesetz bürokratische Kontroll- und Prüfmechanismen der Heimaufsicht nun auch Wohngemeinschaften und alternative Wohnprojekte erfassen. "Es kann nicht sein", so Landesvorstandsmitglied des VDAB Petra Schülke, "dass Menschen die sich für einen selbstbestimmten Lebensraum und Weg im Alter außerhalb des Seniorenheims entschieden haben, sich nun mit freiheitsbeschränkenden Auflagen und Kontrollen durch die Heimaufsichtsbehörden ausgesetzt sehen."
Für den VDAB hat die niedersächsische Landesregierung damit eine große Chance vertan, ein modernes Heimgesetz auf den Weg zu bringen, das alternative Wohnformen fördert. "Statt den Menschen Wahlfreiheit über die Form und Art ihrer Pflege zu lassen, wird die persönliche Selbstbestimmung innerhalb der ambulanten Pflege unter eine Glocke bürokratischer Vorgaben und Kontrollen der Heimaufsicht gestülpt", so Schülke weiter.
Weiterer Kritikpunkt ist, dass die Einrichtungen weiterhin durch das Gesetz mit Doppelkontrollen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen MDK und der Heimaufsicht konfrontiert sind. "Dies führt zu einer massiven bürokratischen, zeitlichen und finanziellen Mehrbelastung für die Einrichtungen und entspricht nicht den Absichten der Landesregierung den Weg des Bürokratieabbaus zu folgen", unterstreicht Schülke.
Zudem werden in Niedersachsen per Gesetz Leistungserbringer und Pflegekräfte gleicherweise in Misskredit gebracht. "Mit einem Gesetz, dass ohne Anlass unangemeldete Prüfungen durch die Heimaufsichtsbehörden ermöglicht", betont Schülke, "erfolgt der unredliche Vorwurf an die Pflegebranche, nicht im Sinne der ihnen anvertrauten Menschen zu handeln." Für den VDAB ist diese Sichtweise des Gesetzgebers inakzeptabel und wirkt verstärkend negativ auf den Fachkräftenotstand in der professionellen Pflege. "Wie soll qualifiziertes und motiviertes Personal für den Pflegebereich gewonnen werden, wenn diese Berufsgruppe zu allererst in ein schlechtes Licht gestellt wird?", fragt Schülke weiter.
Der VDAB fordert für den professionellen Pflegebereich ein mehr an Eigenverantwortung im Sinne der pflegebedürftigen Menschen und ein weniger an bürokratischen Vorgaben und Kontrollen durch die Heimaufsicht. Eine gezielte Aufwertung des Pflegeberufes ist zudem Grundvoraussetzung, um dem Fachkräftenotstand in der ambulanten und stationären Pflege nachhaltig zu begegnen.
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