Nichtanwendungserlass zum Abzug von Zivilprozesskosten
(Berlin) - Kurz vor Weihnachten weist das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 20.12.2011 die Finanzämter an, Rechtsprechung zum steuermindernden Abzug von Zivilprozesskosten nicht anzuwenden. Der Neuer Verband der Lohnsteuerhilfevereine e.V. (NVL) kritisiert diese Vorgehensweise und erwartet, dass der BFH erneut zugunsten der Steuerpflichtigen entscheidet.
Mit Urteil vom 12. Mai dieses Jahres hatte der Bundesfinanzhof (BFH) Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Diese können steuermindernd abgezogen werden, wenn der Prozess eine ausreichende Erfolgsaussicht bietet und nicht mutwillig geführt wird. Prozesskosten sind nach Einschätzungen des obersten Finanzgerichts in diesen Fällen zwangsläufig und unvermeidbar, weil in einem Rechtsstaat Bürger zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen auf die Gerichte verwiesen werden. Im Streitfall hatte eine Arbeitnehmerin Streit mit ihrer Krankenversicherung zur Zahlung von Krankentagegeld.
Die Finanzverwaltung erklärt nunmehr mit ihrem aktuellen Schreiben diese Einschätzung für alle ähnlichen Fälle als nicht anwendbar. Sie begründet dies damit, dass der Bundesfinanzhof seine langjährige Rechtsprechung geändert hat und die Finanzämter danach Schwierigkeiten hätten, die Voraussetzung zum steuermindernden Abzug der Kosten zu beurteilen. Es würde auch mit einer erheblichen Anzahl von Fällen gerechnet. Aus diesen Gründen wird eine Gesetzesänderung erwartet, welche die BFH-Rechtsprechung aufhebt und die rückwirkend in Kraft treten soll.
Der Neue Verband der Lohnsteuerhilfevereine e.V. (NVL) kritisiert diese Vorgehensweise zuungunsten der Steuerpflichtigen. Die Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes sei ohnehin kein Grund für einen Nichtanwendungserlass. Anderenfalls gäbe es Stillstand in der Rechtsprechung. Darüber hinaus ändern auch Finanzverwaltung und Gesetzgeber ihre Rechtsauffassungen, ohne dass deren Entscheidungen für nicht anwendbar erklärt werden.
Der NVL rät allen Steuerpflichtigen, vergleichbare Kosten geltend zu machen und im Fall von Ablehnungen Einspruch einzulegen. Da die Gerichte an den Nichtanwendungserlass nicht gebunden sind, rechnet der Verband mit positiven Entscheidungen. Sollte eine gesetzliche Einschränkung erfolgen, sieht der Verband nicht nur in der möglichen Rückwirkung verfassungsrechtliche Bedenken. Weil Bürger einerseits im Fall von Mittellosigkeit Anspruch auf staatliche Unterstützung durch Prozesskostenhilfe erhalten, müssten andererseits Bürger, welche die Aufwendungen zur Rechtsverfolgung selbst tragen müssen, diese steuermindernd absetzen können. Ohne Abzug würden sie zwangsläufige Aufwendungen aus versteuertem Einkommen tragen müssen. Gerade dieses hatte aber das Bundesverfassungsgericht in anderen Fällen für unzulässig erklärt.
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