Neue Zahlen zu Kopfballspiel und Kopfverletzungen im Deutschen Kinder- und Jugendfußball
(Jena) - Fußball ist die einzige Sportart, in welcher der Ball mit dem Kopf gespielt werden kann. Speziell im Kinder- und Jugendfußball ist das Kopfballspiel nicht nur durch das gesteigerte öffentliche Interesse Gegenstand der fußballmedizinischen Forschung. Zwei Fußballerverbände sind bereits dazu übergegangen, das Kopfballspiel bei Kindern vollständig zu verbieten, wobei die dafür zugrundeliegende Forschung aktuell fehlt. Eine umfangreiche Studie zur Inzidenz von Kopfbällen und Kopfverletzungssituationen im Kinder- und Jugendfußball wird jetzt von Dr. Lorenz Huber, Unfallchirurgie Universitätsklinik Regensburg, auf dem 39. Jahreskongress der GOTS in Nürnberg vorgestellt.
Neben bereits veröffentlichten Studien zu Kopfbällen im Profifußball mit über 100.000 registrierten Kopfbällen, analysierten in einer prospektiven Kohortenstudie Huber und sein Team alle Kopfbälle sowie Verletzungssituationen von 126 Spielen des Deutschen Kinder- und Jugendfußballs unterschiedlicher Altersklassen (U11-U19) mit Hilfe einer standardisierten Videoanalyse. Verletzungen wurden als sogenannte "Critical Incidents" nach der etablierten Literatur definiert. Es erfolgte eine Auswertung der Gesamtkohorte sowie der Vergleich der unterschiedlichen Altersgruppen.
Relevante Ergebnisse
- Insgesamt wurden 9.211 Kopfbälle in 9.410 Spielminuten des Juniorenfußballs ausgewertet, wobei unterhalb der U9 aufgrund Großteils fehlender Relevanz der Kopfballsituationen im Spiel keine Analysen durchgeführt wurden.
- Die Frequenz an gespielten Kopfbällen ist stark vom Alter der Spieler abhängig: Bei den unter 13-Jährigen hat das Kopfballspiel fast keine Relevanz, wo z.B. in der U11 und der U13 der Durchschnitt an gespielten Kopfbällen pro Spiel bei 1-2 pro Spieler liegt. Die Kopfball-Frequenz nimmt mit steigendem Alter und Beendigung der Pubertät und des Wachstums dann zu, sodass bei der U15 durchschnittlich 3 Kopfbälle pro Spieler und Spiel, bei der U17 ca. 4 Kopfbälle und der U19 ca. 4,5 Kopfbälle durchschnittlich pro Spiel zu finden sind.
- Im Vergleich der Spielerpositionen zeigte sich, dass in der Altersgruppe der über 15-Jährigen die Innenverteidiger mit 26,6 Prozent die höchsten Kopfballfrequenzen aufwiesen, bei den jüngeren Spielern die offensiven Mittelfeldspieler mit 30,2 Prozent.
- Die zurückgelegte Distanz des Balls, bevor er mit dem Kopf gespielt wird, unterscheidet sich in den Altersstufen ebenfalls stark. In der U11 liegen fast 80 Prozent und in der U13 ca. 70 Prozent der Bälle nur eine kurze Distanz von 5-20 Meter in der Luft. Mit zunehmendem Alter ändert sich dies, wobei in der U17 und U19 mehr als die Hälfte aller Kopfbälle eine vorherige Flugdistanz von mehr als 20 m aufweisen.
- In allen Altersgruppen wurde ungefähr die Hälfte der Kopfballsituationen im Rahmen von Zweikämpfen erfasst.
- Insgesamt zeigten sich in den 9.410 Spielminuten des Juniorenfußballs 42 Verletzungssituationen am Kopf, welche in 32 der 126 Spiele entstanden und somit eine Verletzungssituation am Kopf durchschnittlich alle 224 Spielminuten bzw. bei jedem 3. Spiel entstand.
- Nur 4 Verletzungssituationen wurden bei Spielern der U11 und U13 registriert und nur eine einzige dieser Situationen passierte tatsächlich durch eine Kopfball-Situation, die anderen beispielsweise durch eine Kollision mit einem Mitspieler oder Gegenspieler.
- In 94 der 126 Juniorenfußballspiele (74,6 Prozent) kam es zu keiner Verletzungssituation am Kopf.
Unter Berücksichtigung der Daten dieser Studie ist die Entscheidung der meisten europäischen Sportverbände (und die des Deutschen Fußball-Bundes (DFB)), das Kopfballspiel im Juniorenfußball nicht ausdrücklich abzuschaffen, nachzuvollziehen. Denn in den niedrigen Altersklassen hat das Kopfballspiel eine untergeordnete Relevanz (niedrige Frequenz) und spielt bei der Entstehung der Kopfverletzungen im Gegensatz zu den häufigen Kollisionen der Spieler eine untergeordnete Rolle.
Dass man im Juniorenfußball sowohl die Dosis an Kopfbällen altersentsprechend anpassen sollte und auch Kopfverletzungssituationen vorbeugen kann, zeigen auch die neuesten Empfehlungen, welche vom DFB für Trainer veröffentlicht und nun verbreitet werden müssen.
Quelle und Kontaktadresse:
GOTS e.V. - Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin
Kathrin Reisinger, Pressesprecherin
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