Neue Studie zur Chancengleichheit in der Hämatologie und Onkologie
(Berlin) - Die Hämatologie und Onkologie ist eines der innovativsten Fachgebiete in der gesamten Medizin und damit auf die Gewinnung von exzellent ausgebildeten Ärztinnen und Ärzten angewiesen. Darüber hinaus wird durch den demografischen Wandel in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine wachsende Anzahl von Patientinnen und Patienten mit Blut- und Krebserkrankungen auf einem hohen medizinischen Niveau zu versorgen sein. Doch wie ist es mit Blick auf die Chancengleichheit von Ärztinnen und Ärzten im Bereich der Hämatologie und Onkologie bestellt? Dieser Frage hat sich eine unter den Mitgliedern der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. sowie der österreichischen und den schweizerischen Fachgesellschaften durchgeführte Umfrage gewidmet. Die Ergebnisse wurden nun im 19. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO veröffentlicht.
Chancengleichheit: für das Fachgebiet unabdingbar
Bereits seit Ende der 90er Jahre machen Frauen mehr als die Hälfte der Medizinstudierenden in Deutschland aus - inzwischen sind es etwa 64 Prozent. Doch während es immer mehr hochqualifizierte Ärztinnen gibt, sind Frauenkarrieren in Spitzenpositionen noch eher selten. Dieses Phänomen des 'Verlustes von Ärztinnen' im Rahmen beruflicher Karrieren wurde in verschiedenen Untersuchungen beschrieben. Dass sich sowohl die gesamte Medizin als auch die Hämatologie diesen Verlust nicht leisten kann und auf exzellent ausgebildete Ärztinnen angewiesen ist, machte Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Würzburg, deutlich. "Als Fachgesellschaft haben wir uns bereits 2015 in Form eines Bandes der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe intensiv mit dem Thema der Förderung von Ärztinnen auseinandergesetzt und diesen Diskussionsprozess mit den Positionspapieren 'Gegenwart und Zukunft der Medizinischen Onkologie' und 'Paritätische Positionierung von Frauen in der Hämatologie und Medizinischen Onkologie' in den Jahren 2018 und 2019 fortgeführt. Dabei haben wir immer betont, dass es ein zentraler Baustein unserer Zukunftsarbeit sein muss, exzellent ausgebildete Ärztinnen sowohl für die Hämatologie und Onkologie zu gewinnen als auch Rahmenbedingungen zu schaffen, die Karrieremöglichkeiten in unserem Fachgebiet eröffnen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir mit der Chancengleichheit noch nicht da angekommen sind, wo wir hinwollen. In diesem Zusammenhang war es Ziel der durchgeführten Umfrage, ein realistisches Bild der Chancengleichheit zu erhalten."
Chancengleichheit: Wo stehen wir?
Diese Motivation zur Studie bestätigt Prof. Dr. med. Diana Lüftner, 1. Vorsitzende des DGHO-Arbeitskreises 'Frauen in der Hämatologie und Onkologie' und Chefärztin an der Immanuel Klinik Märkische Schweiz. "Obwohl in den Jahren 2015, 2018 und 2019, in denen die DGHO einen Band ihrer Gesundheitspolitischen Schriftenreihe und ihre Positionspapiere veröffentlicht hat, die eingeschränkte Chancengleichheit von Ärztinnen gegenüber Ärzten zweifelsfrei existierte, gab es seinerzeit wenig verfügbare - und vor allem belastbare - Zahlen. Dabei hat sich das Fehlen dieser Daten auch in den Folgejahren nicht wesentlich geändert. Das hat uns zu den Fragen geführt: Welche karriereförderlichen und -hinderlichen Faktoren gibt es heute? Und wie steht es konkret um die Chancengleichheit in der Hämatologie und Onkologie?"
Die vom Verein zur Förderung der Weiterbildung in der Hämatologie und Onkologie e. V. (WBHO) geförderte und unter den Mitgliedern der DGHO, der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (OeGHO), der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (SGMO) und der Schweizerischen Gesellschaft für Hämatologie (SGH) durchgeführte Umfrage hatte nun eben genau das zum Ziel: die Erhebung des Status quo und unter anderem die Identifizierung von karrierehinderlichen Faktoren. Dabei, so Maike Busson-Spielberger M. A., Leiterin des Studienteams und Sprecherin der bukof Kommission Klinika, zeige sich bei der durchgeführten Umfrage mit Blick auf den Bereich der Gleichstellung ein nahezu unveränderter Stand gegenüber den Vorjahren. "Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass Arbeitsorganisation, Arbeitszeitmanagement und Führungskultur die Karriereoptionen von Ärztinnen und teilweise auch von Ärzten in der Hämatologie und Onkologie nicht in einem wünschenswerten und ausreichenden Umfang unterstützen. Dabei stehen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder aller Altersstufen sowie für zu pflegende Angehörige weiterhin auf der 'Wunschliste' der Befragten. Darüber hinaus fehlt es vielerorts noch an flexiblen Teilzeitarbeitsmodellen. Vielfach gewünschte Teilzeitoptionen sowohl für die Facharztweiterbildung als auch für Führungspositionen sind noch nicht in einem ausreichenden Maße implementiert. Jobsharing und Topsharing bleiben mithin Desiderata. Auch Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist noch immer Teil des beruflichen Alltags von Ärztinnen. Für eine nachhaltige Veränderung der Situation braucht es aus unserer Sicht sowohl ein Umdenken in den Führungsstrukturen als auch ein Bündel an praktischen Maßnahmen", so Busson-Spielberger.
Chancengleichheit: Wo wollen wir hin?
Dass es zur Realisierung von wirklicher Chancengleichheit tatsächlich ein ganzes Bündel an Maßnahmen braucht, betonte auch Prof. Dr. med. Katja Weisel, 2. Vorsitzende des DGHO-Arbeitskreises 'Frauen in der Hämatologie und Onkologie' und stellvertretende Direktorin des Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH). "Mit der Studie konnten wir nun - basierend auf den Antworten der Befragten - Kernaspekte herausarbeiten, die unserer Meinung nach für die Herstellung von Chancengleichheit wichtig sind. Zu den Maßnahmen gehören aus unserer Sicht: die Bereitstellung eines aktuellen und transparenten Gendercontrollings, die Steigerung des Frauenanteils in den wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und ihren Gremien, Fortbildungsangebote für Ärztinnen zu Netzwerken, Gremien und kollegialer Beratung, Frauen-Mentoring-Programme, verbindliche Rückkehrverein-barungen für Ärztinnen und Ärzte, die Elternzeit antreten, diskriminierungsfreie Neuformulierung der Weiterbildungsordnung mit Teilzeitoptionen, Etablierung von Teilzeitoptionen für leitende ärztliche und wissenschaftliche Tätigkeiten, Fortbildungsangebote für Führungskräfte zu zeitgemäßem Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationsmanagement, Fortbildungsangebote zur Sensibilisierung gegenüber Alltagssexismus und die Beachtung des Gebots zur öffentlichen Ausschreibung freier Stellen, insbesondere freier oder freiwerdender oberärztlicher Stellen."
In diesem Zusammenhang machte Prof. Dr. med. Maike de Wit, Mitglied im Vorstand der DGHO und Chefärztin der Klinik für Innere Medizin - Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Vivantes Klinikum Neukölln und dem Auguste-Viktoria-Klinikum, deutlich, dass es sich bei den Veränderungen von gewachsenen Strukturen immer um längere Prozesse handele. "Wir können nicht alles von heute auf morgen verändern, aber wir können Impulse geben und damit sowohl auf institutioneller als auch auf kollegialer Ebene zu Diskussionen anregen. Und diese Diskussionen wiederum können dann Ausgangspunkt für wirkliche Veränderungen sein."
Der 19. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO "Ergebnisse der Umfrage zur Erfassung der Parität von Ärztinnen in Führungspositionen und Gremien in Deutschland, Österreich und der Schweiz" kann heruntergeladen werden unter: https://www.dgho.de/publikationen/schriftenreihen/frauenfoerderung
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO)
Pressestelle
Alexanderplatz 1 / Berolinahaus, 10178 Berlin
Telefon: (030) 27876089-0, Fax: (030) 27876089-18
Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands
- DGHO schreibt erstmals Irene-Boll-Preis aus
- Hämatologie und Medizinische Onkologie 2024: Innovationen gemeinsam gestalten. Herausforderungen gemeinsam begegnen
- Hämatologie und Medizinische Onkologie 2024: Von Chancen und Herausforderungen künstlicher Intelligenz über gesundheitspolitische Fragen bis zu innovativen Therapieansätzen