Pressemitteilung | Verbraucherzentrale Sachsen e.V.

Neue Sammelklage in den Startlöchern / Verbraucherzentrale Sachsen nimmt Stellung zur EU-Verbandsklagenrichtlinie

(Leipzig) - Zu wenig Zinsen, einseitige Vertragskündigung, irreführende Werbeversprechen, Preissteigerung trotz Preisgarantie, ausbleibende Rückzahlung bei abgesagten Veranstaltungen: Durch rechtswidriges Verhalten von Unternehmen werden oft tausende Betroffene geschädigt. Aktuell verfolgt aber kaum jemand die eigenen Ansprüche allein gegen scheinbar übermächtige Firmen. Das Klage- und Kostenrisiko scheint einfach unverhältnismäßig groß.

Diesen Missstand will die Europäische Union mit der bereits 2020 verabschiedeten EU-Verbandsklagenrichtlinie abschaffen. Das heißt, dass auch Deutschland dazu verpflichtet ist, ein neues Klageinstrument einzuführen. Daher hat das Bundesministerium der Justiz nun einen Entwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie vorgelegt. Kernstück ist eine neue Klageart: Die Abhilfeklage. Diese soll nicht nur wortwörtlich bei Missständen abhelfen, sondern geht über die 2018 eingeführte Musterfeststellungsklage hinaus. Verbraucherverbände können damit Schadensersatz und andere Leistungen direkt einklagen.

"Wir freuen uns, dass Verbraucher*innen ein schärferes Schwert in die Hand gegeben wird als die bisherige Musterklage", sagt der sächsische Verbraucherzentralen-Chef, Andreas Eichhorst. "Dass Verbraucher sich aktuell einer Sammelklage anschließen, dann aber nach Erfolg zusätzlich noch ihren Schadensersatz individuell einklagen müssen, ist für Betroffene schwer nachvollziehbar", beschreibt Andreas Eichhorst Rückmeldungen von Mitklagenden aus laufenden Musterklagen.

Mit dem vorliegenden Entwurf wird eine Vielzahl von bestehenden Gesetzen angepasst. Die größte Wirkung kann das Gesetz mit dem treffenden Namen Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz entfalten. Nach aktuellem Stand im Gesetzgebungsverfahren wird das volle Potenzial zur der Stärkung der Konsumenten wohl nicht ausgeschöpft werden können. "Die Erfahrung mit unseren insgesamt neun laufenden Musterfeststellungsklagen zeigt, welche Stellschrauben bei der Abhilfeklage unbedingt noch gedreht werden müssen", erklärt Eichhorst.

Forderungen zum Vorteil von Verbraucher*innen

Damit möglichst viele Betroffene von der neuen Sammelklage profitieren, sollte der Zeitraum zum Anschluss an die Verbandsklage möglichst lang sein und erst nach der ersten mündlichen Verhandlung enden.

Die Verjährung aller von der Verbandsklage abhängigen Ansprüche geschädigter Verbraucher*innen sollte unabhängig von einer Anmeldung zum Klageregister automatisch gehemmt werden. Dies darf nicht nur für Unterlassungsklagen, sondern muss auch für Abhilfeklagen gelten.

Die Zulässigkeitshürde von 50 Einzelfällen ist praxisfern und zu hoch. Insbesondere bei mehreren Feststellungsanträgen multipliziert sich die Zahl, wodurch der Vorbereitungsaufwand stark ansteigen würde und kleinere Massenschadenfälle automatisch außen vor blieben. Die Zahl müsste deutlich gesenkt werden.

Nur so können die Ziele der Reform, bei Massenschäden eine Entlastung der Gerichte zu ermöglichen und für alle Verbraucher*innen einen attraktiven, praktikablen und effektiven Rechtszugang zu schaffen, erreicht werden.

Start der deutschen Abhilfeklage

Die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten war bereits am 25. Dezember 2022 abgelaufen. Allerdings lag das Vorhaben aufgrund von Unstimmigkeiten innerhalb der Bundesregierung wochenlang auf Eis. Die neuen Regelungen sollten laut Vorgabe der EU am 25.06.2023 in Kraft treten. "Wer Gesetzgebungsverfahren verfolgt, weiß, dass etliche Interessenvertreter beteiligt sind und sich Zeitpläne durchaus ändern können und Fristen auch mal nicht eingehalten werden", gibt Eichhorst zu bedenken: "Wir werden jedenfalls bereit sein, das Instrument zum Vorteil der sächsischen Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt einzusetzen."

Quelle und Kontaktadresse:
Verbraucherzentrale Sachsen e.V. Pressestelle Katharinenstr. 17, 04109 Leipzig Telefon: (0341) 696290, Fax: (0341) 6892826

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