Pressemitteilung | (AWO) Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.

Nationale Armutskonferenz: Sozialhilfe reformieren statt diskriminieren

(Bonn) - Anlässlich der Bundestagsanhörung zur Reform der Sozialhilfe am 28. Januar 2002 erklärt der Sprecher der Nationalen Armutskonferenz, Paul Saatkamp:

„Eine Reform der Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) ist dringend erforderlich. Wir haben zwar mit der Sozialhilfe ein ausgefeiltes System der sozialen Grundsicherung, es hat sich jedoch gezeigt, dass sie der realen Entwicklung steigender Arbeitslosenzahlen nicht mehr gewachsen ist. Die Arbeitslosenversicherung ist nicht armutsfest und grenzt immer mehr Menschen aus, was die Sozialhilfe belastet. Mittlerweile benötigen 2,7 Mio. Menschen Sozialhilfe, davon über eine Million Kinder.

Die jahrelange Deckelung der Sozialhilferegelsätze hat dazu geführt, dass die Sozialhilfe geringer gestiegen ist als die Inflationsrate der täglichen Gebrauchsgüter. Dies hat zur Folge, dass sie nicht mehr den existenziellen Bedarf abdeckt. Die jetzt von der Bundesregierung geplante Verlängerung der Übergangsfrist zementiert diese Entwicklung.

Auch wenn viele Menschen Sozialhilfe nur vorübergehend bekommen, weil sie sich selbst helfen können, gibt es eine Vielzahl von Menschen, die langfristig auf Sozialhilfe angewiesen sind und nur mit großen Anstrengungen von ihr unabhängig werden können.

Diese Entwicklung macht dringend Reformen erforderlich, die den Betroffenen wieder eine eigenständige Lebensführung ermöglichen, Arbeit statt Sozialhilfe fördern, bürokratischen Aufwand reduzieren und die Kommunen finanziell entlasten. Die NAK fordert:

- Das System der Regelsätze muss vereinfacht und dabei die Situation von Familien besonders berücksichtigt werden. Eine solche Vereinfachung auch durch sinnvolle Pauschalen, muss bedarfsorientiert sein und das kulturelle Existenzminimum abdecken. Dieses ist weiterhin durch ein statistisches Verfahren zu ermitteln. Eine Senkung der Sozialhilfe, die bereits heute weit hinter dem Bedarf zurückgeblieben ist, lehnt die NAK ausdrücklich ab.

- Das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe muss gestärkt werden. Dazu soll ein partnerschaftliches Hilfeplanverfahren entwickelt und gesetzlich verankert werden. Die notwendigen sozialen Dienste (wie Schuldner-, Familien- oder Drogenberatung) müssen bereitgestellt, ausreichend finanziert und die Vernetzung der beteiligten Dienste sichergestellt werden.

- Die Integration von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsmarkt muss verbessert werden. Deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen Sozial- und Arbeitsämtern verpflichtend auszubauen und die Beschäftigungsförderung eng mit dem angesprochenen Hilfeplansystem zu verknüpfen.

- Die Situation von Kindern in der Sozialhilfe muss stärker berücksichtigt werden. o Die materielle Situation von Familien mit Kindern im unteren Einkommensbereich muss durch eine einkommensabhängige Kindergrundsicherung verbessert werden. o Es müssen ausreichende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder bis 14 Jahren zur Verfügung stehen. Dies bedeutet mehr Betreuungsmöglichkeiten für unter dreijährige, Schulkinder und flächendeckende Ganztagsangebote. Die Zukunftschancen benachteiligter Kinder und Jugendlicher müssen mit einem Fördersystem in Kindertagesstätten und Schulen verbessert werden. o Das Schulsystem muss stärker zur sozialen Integration und zur Überwindung von Armut beitragen statt die soziale Spaltung zu verschärfen.

- Die NAK bietet der Bundesregierung an, die Erfahrungen der Sozialhilfe-, Arbeitsloseninitiativen und der Wohlfahrtsverbände beider Erarbeitung einer Sozialhilfereform einzubringen. Diese muss schnellst möglich in Angriff genommen werden. Eine zeitliche Verzögerung, die eine weitere Verlängerung der unsozialen Übergangsfristen nach sich zieht, muss vermieden werden. Das neue Gesetz muss spätestens im Juli 2004 in Kraft treten.“

Quelle und Kontaktadresse:
Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. (AWO) Oppelner Str. 130 53119 Bonn Telefon: 0228/66850 Telefax: 0228/66852 09

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