Nachlassgerichte: Erbschein dauert zu lang
(Berlin) - Die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) hat Rechtsanwält:innen, Notar:innen und Justizmitarbeitende zur Verfahrensdauer bei den Nachlassgerichten befragt. Dabei wurde klar: Der Ist-Zustand ist kaum zukunftsfähig. Doch auch Lösungsansätze wurden durch die Umfrage aufgezeigt:
So ließen sich viele Verfahren kurzfristig beschleunigen, indem die Beteiligten den Nachlassgerichten vollständige Daten liefern. Auch durch stärkere Digitalisierung ist eine Effektivitätssteigerung möglich. Der DAV sieht Handlungsbedarf.
„Wir hatten das Gefühl, dass sich die Dauer von eigentlich simplen Abläufen bei den Nachlassgerichten im Vergleich zur Vergangenheit enorm verlängert hat“, erklärt Rechtsanwalt und Notar Dr. Ansgar Beckervordersandfort, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im DAV. Um diesem Gefühl empirisch auf den Grund zu gehen, initiierte die Arbeitsgemeinschaft eine anonyme Umfrage, an der 539 Anwält:innen, Notar:innen und Justizangehörige teilgenommen haben.
Erben warten oft Monate
„Leider hat die Umfrage unser Gefühl bestätigt: Selbst, wenn eine notarielle Verfügung zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits beim Nachlassgericht hinterlegt ist, also in der Regel keine aufwendigen Arbeiten mehr für die Justiz anfallen, dauert die Eröffnung der Testamente in beinahe der Hälfte der Fälle zwei Monate oder länger“, so der Rechtsanwalt und Notar. In fast zehn Prozent der Fälle müssten die Erben bis zur Eröffnung sogar länger als ein halbes Jahr ausharren.
Noch drastischer seien die Wartezeiten, wenn es kein notarielles Testament gibt, da nach der Testamentseröffnung dann oft noch ein Erbschein beantragt werden muss. Selbst in unstreitigen Fällen dauert die Erteilung des Erbscheins laut der Umfrage in 40 Prozent der Verfahren dann noch mal länger als sechs Monate. „Solche Verzögerungen können für die betroffenen Erben auch zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen“, mahnt Beckervordersandfort. So könnten die Erben zum Beispiel über eine Nachlassimmobilie erst verfügen, wenn sie sich durch ein notarielles Testament mit Eröffnungsprotokoll oder einen Erbschein als Erben ausweisen können. Kaufinteressenten warten aber oft nicht mehrere Monate, sondern springen in vielen Fällen ab.
Rechtsanwalt und Notar Beckervordersandfort empfiehlt daher die lebzeitige Errichtung einer Vorsorgevollmacht, die auch über den Tod hinauswirkt: „Mit einer solchen transmortalen Vollmacht besteht dann auch unmittelbar nach dem Tod Handlungsfähigkeit.“ Für die Verfügung über Immobilien oder Gesellschaftsbeteiligungen müsse es sich allerdings um eine notarielle Vollmacht handeln.
Weitere Verschlechterung droht
„Sowohl die befragten Anwältinnen und Anwälte als auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Justiz geben an, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit der Nachlassgerichte im Vergleich zur Vergangenheit deutlich abgenommen hat“, stellt Beckervordersandfort fest. Eine Verbesserung sei ohne gesetzgeberische Änderungen nicht in Sicht – im Gegenteil: „Der Personalmangel in der Justiz wird sich durch die anstehende Pensionierungswelle noch erheblich zuspitzen. Dann könnten die Wartezeiten noch weiter steigen.“
Umfrage bringt auch Lösungsvorschläge hervor
Für eine langfristige und nachhaltige Lösung bräuchte es dringend eine umfassende Digitalisierung der Justiz. Bis dahin können aber auch vermeintlich banale Dinge zu einer starken Beschleunigung der Verfahren führen. „Wenn beispielsweise in Testamenten auch vollständige Angaben zu den gesetzlichen und testamentarischen Erben gemacht werden, müssen die Nachlassgerichte vor der Eröffnung der Testamente keine umfangreiche Ermittlungsarbeit mehr leisten“, erläutert der Rechtsanwalt und Notar. Einem Erbscheinsantrag kann in unstreitigen Fällen direkt eine Zustimmungserklärung der sonstigen Beteiligten beigefügt werden, sodass das Nachlassgericht den Erbschein direkt ohne Anhörung der Beteiligten erteilen kann.
Nicht alle Ideen sind neu; in der politischen Diskussion kam einiges in der Vergangenheit bereits auf. Passiert ist jedoch nichts. „Es ist höchste Zeit, dass jetzt schnell etwas zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit unserer Nachlassgerichte unternommen wird“, konstatiert Beckervordersandfort. Konkrete Vorschläge würden zurzeit mit den Vertretern der Notarkammer abgestimmt. Auch mit der Justiz sei man in einem sehr konstruktiven Dialog.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520