NABU-Negativpreis „Dinosaurier des Jahres 2024“ geht an „Schneller-Bauen-Gesetz“
(Berlin) - Der NABU verleiht den Negativpreis „Dinosaurier des Jahres 2024“ an das „Schneller-Bauen-Gesetz“ des Berliner Senats. Das Gesetz steht aus Sicht des NABU symbolisch für eine Politik, die eine dringend notwendige ökologische und soziale Stadtentwicklung zugunsten vermeintlich schnellerer Bauvorhaben opfert.
NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger erklärt die Entscheidung: „Ja, die Wohnungskrise in Berlin braucht dringend Lösungen, aber das Schneller-Bauen-Gesetz setzt an den falschen Stellen an. Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus werden Regelungen gestrichen, die für den Klimaschutz, die Artenvielfalt und die Lebensqualität in den Städten unverzichtbar sind. Eine nachhaltige Stadtentwicklung hat die Aufgabe, zwischen unterschiedlichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Interessen, aber auch Belangen des Umweltschutzes und der Gesunderhaltung der Bevölkerung abzuwägen und zu vermitteln. Die einseitige Bevorzugung des Wohnungsbaus führt zwangsläufig zur Verletzung anderer, berechtigter Interessen. Das gefährdet den sozialen Frieden und erinnert stark an § 246e BauGB auf Bundesebene.“
Grünflächen sind kein Luxus, sondern unverzichtbar für die Zukunftsfähigkeit unserer Städte, insbesondere angesichts der Auswirkungen der Klimakrise. Diese zeigt sich auch in Berlin immer deutlicher: Viele Menschen leiden unter Rekordtemperaturen, Hitzeinseln, Starkregen und Stürmen. Die Folgen sind schlechte Luft, abgedeckte Dächer, vollgelaufene Keller und umgestürzte Bäume.
Der Berliner Senat hat nun ein Gesetz formuliert, das diese Probleme noch verschärft. Es erlaubt Eingriffe in geschützte Naturräume, oft ohne ausreichenden Ausgleich. Gleichzeitig werden die Beteiligungsrechte der Bezirke durch eingeschränkte Mitspracherechte massiv beschnitten.
Dr. Melanie von Orlow, Geschäftsführerin des NABU-Landesverbandes Berlin: „Der Berliner Senat suggeriert mit seinem Gesetz schnelle und praktikable Lösungen, die aber Natur und Mensch über Gebühr belasten. Das Gesetz wird zu einem massiven Nettoverlust an Stadtgrün führen, da Ersatzmaßnahmen künftig kaum noch kontrolliert werden oder teilweise sogar entfallen dürfen. Berlins Naturschätze wie beispielsweise der Emmauswald in Neukölln, die Moorlinse in Buch oder die Elisabeth-Aue im Norden Berlins sind dadurch akut bedroht.”
Tatsächlich bietet Berlin noch ungenutzte Potenziale, durch Bauen auf versiegelten Flächen könnte Platz für weitere 75.000 Wohnungen geschaffen werden, ohne weitere Grünflächen zu zerstören. Doch stattdessen werden ökologisch wertvolle Flächen geopfert. Auch ist die Idee des schnelleren Bauens nicht gleichbedeutend damit, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht. Von Orlow betont: „Wohnungsnot ist ein drängendes Problem, aber dieses Gesetz löst es nicht. Es zerstört Natur, heizt das Klima an und verhindert eine nachhaltige Stadtentwicklung. Was wir brauchen, sind intelligente Wohnkonzepte und bedarfsgerechtes Bauen vorzugsweise auf bereits versiegelten Flächen.”
Das sieht auch NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger so: „Das Schneller-Bauen-Gesetz ist keine Lösung für die Zukunft, sondern ein Rückschritt in die Vergangenheit. Der Erhalt von Natur ist kein Selbstzweck, sondern eine Lebensversicherung – gerade für Städte wie Berlin.“
Städte wie Wien, Kopenhagen und zunehmend auch Paris zeigen, dass es auch anders geht. Dort werden Freiräume erhalten oder wiederhergestellt, Nachverdichtung sinnvoll umgesetzt und die Bürgerinnen und Bürger stärker beteiligt. Diese Ansätze fördern den sozialen Frieden und den Klimaschutz gleichermaßen - und machen die Städte lebenswerter. „Berlin sollte sich an diesen Vorbildern orientieren, statt weiter auf rückwärtsgewandte Strategien zu setzen“, fordert Krüger.
„Dinosaurier des Jahres“: Symbol für rückschrittliche Umweltpolitik
Mit dem "Dinosaurier des Jahres", einer 2,6 Kilogramm schweren Nachbildung einer Riesenechse, zeichnet der NABU seit 1993 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus, die sich durch besonders rückschrittliches öffentliches Engagement in Sachen Natur- und Umweltschutz hervorgetan haben. Seit 2020 werden nicht mehr Personen, sondern konkrete Projekte als Umweltsauerei des Jahres ausgezeichnet. Preisträger 2023 war der „Beschleunigungspakt“ der Ministerpräsidentenkonferenz, 2022 die Umweltkatastrophe an der Oder.
Quelle und Kontaktadresse:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU), Charitéstr. 3, 10117 Berlin, Telefon: 030 284 984-0