Mord an Journalistin im Jahr 2012 muss neu untersucht werden
(Mexiko) - Im Kampf gegen Straflosigkeit nach Gewaltverbrechen an Medienschaffenden in Mexiko hat Reporter ohne Grenzen (RSF) gemeinsam mit seiner mexikanischen Partnerorganisation Propuesta Cívica und dem mexikanischen Nachrichtenmagazin Proceso die Bundesbehörden des Landes aufgefordert, die Ermittlungen zu dem Mord an einer Journalistin im Jahr 2012 wieder aufzunehmen. Einen entsprechenden Antrag stellten sie kürzlich bei der Sonderstaatsanwaltschaft für Verbrechen gegen die Meinungsfreiheit FEADLE. Die Ermittlungen nach dem Tod von Regina Martínez, Reporterin bei Proceso, waren von vielen Unregelmäßigkeiten geprägt.
"Die Zusammenhänge zwischen dem Mord an Regina Martínez und ihrer Berichterstattung müssen gründlich ausgeleuchtet werden", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Mit unserem nun eingereichten Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen fordern wir das mexikanische Justizsystem auf, diesen Mord endlich restlos aufzuklären. Damit würden die Behörden den Willen zeigen, Verbrechen an Medienschaffenden wirklich zu ahnden. Das wäre ein wichtiger Schritt, damit Mexiko dem ewigen Kreislauf der Straflosigkeit entkommen kann."
Die Nachricht von Martínez' Ermordung erschütterte im April 2012 das ganze Land. Martínez war Korrespondentin von Proceso im Bundesstaat Veracruz im Osten des Landes, damals Mittelpunkt mehrerer Drogenkriege. Sie wurde am 28. April 2012 in ihrem Haus tot aufgefunden. Sie war geschlagen und erwürgt worden, ihr Körper war mit blauen Flecken übersät. Zuvor hatte sie eine Reihe von Artikeln über Drogenhandel und Korruption in Veracruz geschrieben. Zwar führten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Veracruz zur Festnahme und Verurteilung eines Verdächtigen, sie waren aber durch viele Unregelmäßigkeiten und Ungereimtheiten beeinträchtigt. Vor allem wurde die Hypothese, dass Martínez' Ermordung mit ihrer journalistischen Arbeit zusammenhing, völlig vernachlässigt.
Bericht von RSF und Partnern legt Einflussnahme auf Ermittlungen nahe
Vor einem Monat hatte RSF gemeinsam mit den Organisationen Free Press Unlimited und Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) einen gemeinsamen Bericht zum Fall veröffentlicht. Der Bericht dokumentiert eine Reihe schwerwiegender Unregelmäßigkeiten in den Ermittlungen der Behörden in Veracruz, insbesondere die Tatsache, dass der Hauptverdächtige aufgrund eines unter Folter erlangten Geständnisses verurteilt wurde. Zudem stellten mehrere Zeugenaussagen die offizielle Version des Tatgeschehens in Frage. Der Bericht führt zudem Hinweise darauf auf, dass Martínez aufgrund eines bestimmten Artikels über eine politische Affäre ermordet wurde und dass die staatlichen Behörden die Ermittlungen aktiv beeinflussten.
Mit ihrem am 16. April eingereichten Antrag knüpfen RSF und Propuesta Cívica an einen formellen Antrag an, den sie im März 2019 beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) eingereicht hatten. Damals forderten die Organisationen das Gericht auf, 102 Morde an Journalistinnen und Journalisten und 14 Fälle von verschwundenen Journalistinnen und Journalisten aus den Amtszeiten der Präsidenten Felipe Calderón (2006-2012) und Enrique Peña Nieto (2012-2018) zu untersuchen. Auch der Mord an Martínez ist darunter. Fast alle diese Verbrechen blieben bis heute straflos. Im Februar 2021 hat RSF seinen Antrag beim IStGH um Ausführungen zu 19 weiteren Morde an Medienschaffenden ergänzt.
Mindestens acht Medienschaffende wurden allein im Jahr 2020 in Mexiko im Zusammenhang mit ihrer Arbeit ermordet. Mexiko ist damit das Land außerhalb von Kriegsregionen, in dem weltweit die meisten Journalistinnen und Journalisten getötet werden.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mexiko auf Platz 144 in 180 Ländern. Mehr zur Lage der Pressefreiheit in Mexiko finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/mexiko
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