Pressemitteilung |

Mogelpackung Soziotherapie

(Hamburg) - Die Einführung der ambulanten Soziotherapie ist als eines der „Highlights“ der GKV-Gesundheitsreform 2000 unter der damaligen Gesundheitsministerin Andrea Fischer gepriesen worden. Auf der Basis eines erfolgreichen Modellversuchs ist ein neuer Leistungsrechtsanspruch für Versicherte mit schweren psychischen Erkrankungen in die gesetzliche Krankenversicherung (§ 37 a SGB V) eingeführt worden.

Ziel war insbesondere die Vermeidung von ständig wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten (sog. „Drehtüreffekte“), die zu sehr hohen Kosten in diesem Bereich geführt haben. Aufgrund der festgestellten enormen Einsparungen hatte die Bundesregierung zusammen mit dem Verband der Ersatzkrankenkassen (VdAK) den Modellversuch vorzeitig beendet und Soziotherapie als Leistungsanspruch in die Krankenversicherung aufgenommen.

Die Konkretisierung dieses Anspruchs war dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen überlassen, der jetzt die entsprechenden Richtlinien verabschiedet hat. Diese sind allerdings äußerst einschränkend, sodass nur wenige Versicherte diese hohen Hürden überspringen und in den Genuss der Leistungen kommen werden.

Bernd Tews, Geschäftsführer des bpa:
„Wir bedauern außerordentlich die restriktive Ausgestaltung der Soziotherapie-Richtlinien durch den Bundesausschuss. Der von der Bundesregierung beschworenen Patientenorientierung, die gerade für diese Klientel besonders wichtig wäre, wird die Soziotherapie damit nicht gerecht. Zudem muss sich jeder darüber klar sein, dass der kosteneinsparende Effekt im Krankenhausbereich so nicht erreicht werden kann.“

Soziotherapie darf der Arzt nur verordnen, wenn dadurch ein Krankenhausaufenthalt vermieden oder verkürzt wird und eine schwerste psychische Krankheit innerhalb der festgelegten Diagnosen vorliegt. Wer Soziotherapie künftig erhalten will, bei dem müssen darüber hinaus nach den Richtlinien sämtliche Funktionsstörungen u.a. des Antriebs, Einschränkungen des planerischen Handelns und des Realitätsbezugs, Unfähigkeit bei der Konfliktlösung und mangelnde kognitive Fähigkeiten vorliegen. Auf der anderen Seite wird dem Patienten die Leistung nur bei Aussicht auf Erfolg der Therapie gewährt, d.h. nach Meinung des Bundesausschusses bei ausreichender Belastbarkeit, Motivierbarkeit und Kommunikationsfähigkeit.

„Die Richtlinien sind absolut widersprüchlich! Als Voraussetzung für die Leistungen muss der Patient die Fähigkeiten nachweisen, um derentwillen er Soziotherapie benötigt. Gerade weil die meisten schwer psychisch Kranken höchst eingeschränkt belastbar sowie kommunikationsfähig sind und begrenzte Einsicht in die Notwendigkeit einer Behandlung haben, ist Soziotherapie erforderlich. Die Richtlinien fordern aber das Ergebnis der Therapie als Voraussetzung für die Leistungsgewährung. Das ist absurd und macht jegliche Inanspruchnahme der Leistungen geradezu aussichtslos“ so Bernd Tews weiter.

Dazu kommt noch, dass innerhalb von drei Jahren maximal bis zu 120 Stunden je Krankheitsfall verordnungsfähig sind und dass i.d.R. nur Fachärzte für Psychiatrie und Nervenheilkunde, die in einem gemeindepsychiatrischen Verbund angegliedert sind, die Leistungen verordnen dürfen.

„Es bleibt jetzt abzuwarten, ob das Bundesgesundheitsministerium (BMG) diesen Richtlinien zustimmt und inwieweit die mangelnde Ausgestaltung der Soziotherapie aus der Sicht des BMG durch die fachpsychiatrische häusliche Krankenpflege so zu ergänzen ist, dass ein selbstständiges Leben in den eigenen vier Wänden ohne unnötige Krankenhausaufenthalte möglich wird“ so Bernd Tews, Geschäftsführer des bpa.

Insbesondere den Zusammenhang zu der fachpsychiatrischen häuslichen Krankenpflege wird das BMG zu prüfen haben. Denn auch diese Leistung wird den Versicherten vielerorts durch die Krankenkassen vorenthalten. Der bpa hat sich vehement dafür eingesetzt, dass diese Bestandteil der Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege und der Bundesrahmenempfehlung nach § 132 a SGB V werden. Dieses haben die Krankenkassen bisher mit dem Verweis auf die Soziotherapie-Richtlinien verweigert.

„Es steht zu befürchten, dass zukünftig die Krankenkassen jede Form der fachpsychiatrischen Krankenpflege mit Verweis auf die Soziotherapie verweigern werden, aber aufgrund der hohen Anspruchvoraussetzungen nur sehr wenige Bedürftige die Leistungen der Soziotherapie erhalten werden. Das BMG ist jetzt gefordert, die Richtlinien zu korrigieren bzw. eine adäquate Regelung zur fachpsychiatrischen häuslichen Krankenpflege massiv zu unterstützen“ so Tews abschließend.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulanter Dienste e.V. (bpa), Bundesreferat ambulante Dienste Wendenstr. 377 20537 Hamburg Telefon: 040/25178153 Telefax: 040/25178406

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