Mobilitätspolitik wieder stärker an Bedürfnissen der Menschen ausrichten
- Reduzierung der fiskalischen Aufschläge auf Kraftstoffe dringend geboten
- Individuelle Mobilität muss für breite Bevölkerung auch künftig bezahlbar sein
- Tempolimit ohne Effekt auf deutschen CO2-Ausstoß
(Frankfurt am Main) - Der Automobilclub von Deutschland (AvD) fordert die in Berlin verhandelnden Ampel-Koalitionäre auf, sich zur automobilen Mobilität zu bekennen und einer Politik der Autofeindlichkeit eine Absage zu erteilen. Die neue Bundesregierung muss zeitnah einen sozialen Ausgleich für die enorm ansteigenden Energiekosten schaffen. Dazu gehört auch eine Reduzierung der fiskalischen Aufschläge auf die Kraftstoffpreise. Ohne diese Aufschläge würde ein Liter Diesel aktuell für rund 0,70 Euro und ein Liter Super für 0,65 Euro angeboten werden können. So konnten durch die sogenannte Energiesteuer 2019 etwa 41 Milliarden Euro und unter Pandemiebedingungen 2020 noch rund 37 Milliarden Euro an Einnahmen aus der sogenannten Energiesteuer generiert werden. Der Rückfluss in den Verkehrsbereich erreicht trotz etlicher Erhöhungen bei Weitem nicht das Niveau der Erlöse. Die Beibehaltung oder gar eine weitere Erhöhung der Abgaben auf Kraftstoff gefährdet zudem jede Chance auf einen zarten Aufschwung, auf den speziell kleine und mittelständische Gewerbetreibende nach den wochenlangen staatlich verordneten Geschäftsschließungen der zurückliegenden Monate dringend angewiesen sind.
Vor diesem Hintergrund belegt die kürzlich vom Umweltbundesamt (UBA) geforderte Abschaffung der Pendlerpauschale, wie wenig manche Regierungsbehörden mit den Realitäten von Millionen von Bundesbürgern vertraut sind. Fakt ist, dass die Nutzung des eigenen Autos für die meisten Menschen in Deutschland schlicht eine Notwendigkeit ist, um Erwerbs- und Privatleben realisieren zu können. Nicht zuletzt aufgrund des seit Jahren knappen Wohnraums und immer weiter steigender Preise für das Wohnen in der City. Das Wohnen in den allermeisten deutschen Großstädten kann sich inzwischen nur noch eine kleine, privilegierte Schicht leisten. Dagegen sehen sich insbesondere Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sowie Familien gezwungen, ins ländliche Umland abzuwandern und zu ihren Arbeitsplätzen in die Städte zu pendeln. Die steuerliche Anerkennung der Kosten für den Arbeitsweg bildet einen existierenden Sozialausgleich, um die finanziellen Folgen für den einzelnen Arbeitnehmer zu mildern.
Eine Abschaffung der Pendlerpauschale wäre ebenso unsozial wie ungerecht. Sie würde überdies jene Minderheiten zusätzlich bevorzugen, die sich die Preise in der Stadt leisten können und führte letztlich zur Ausgrenzung breiter Bevölkerungsschichten. Pendlern als Lösung die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zu empfehlen, grenzt an Zynismus. Bereits heute operieren Busse und Bahnen in nahezu allen Ballungsräumen während des Berufsverkehrs an der Kapazitätsgrenze. Einige Tausend zusätzliche Fahrgäste kann der ÖPNV aktuell gar nicht bewältigen. Hinzu kommt ein Streckennetz, das bereits in den sogenannten "Speckgürteln" der Großstädte erhebliche Lücken aufweist und den Fahrgästen lange Umwege und mehrfaches Umsteigen zumutet. Die Folge: Durch einen Wechsel von Auto auf ÖPNV würden sich die Fahrzeiten für viele Menschen deutlich verlängern.
Ein kurzfristiger Umstieg ist für viele Pendler aus vorstädtischen und ländlichen Regionen daher nicht möglich. Der dringend geratene Ausbau der Streckennetze erfordert neben erheblichen finanziellen Investitionen vor allem aber viel Zeit. Allein von Planung bis Baubeginn sind vier bis fünf Jahre zu veranschlagen. Aber nur wenn alles reibungslos abläuft, was bei derartigen Projekten selten der Fall ist. Jetzt rächt es sich, dass Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene, auf Landesebene sowie bei den Verkehrsverbünden über Jahre und Jahrzehnte hinweg den Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur verschlafen haben.
Der AvD spricht sich darüber hinaus mit aller Deutlichkeit gegen jede Maßnahme aus, die darauf abzielt, das Auto ganz aus deutschen Innenstädten zu verbannen. Die Umwandlung von innenstädtischen Geschäftsstraßen in reine Fahrradwege, wie etwa die Friedrichstraße in Berlin mit dem mittelfristigen Ziel, die Stadtzentren zu reinen Fahrradgebieten zu machen, führt zum Sterben des steuerzahlenden Einzelhandels. Dass dabei zudem die Bedürfnisse und Möglichkeiten von Handwerkern und Dienstleistern ignoriert werden, scheint die ideologiegetriebenen Befürworter nicht zu stören. Doch sind die finanziellen Möglichkeiten dieser Gruppen, kurzfristig auf andere Mobilitätsformen umzusteigen, oftmals eng begrenzt und die Transportkapazität von Lastenfahrrädern für die Mehrzahl der gewerblichen Transportleistungen dramatisch unterdimensioniert. In diesem Zusammenhang muss die Frage gestellt werden, ob die Stadt allein den Stadtbewohnern gehört? Genügt es noch demokratischen Anforderungen, wenn mehrere Zehntausend Pendler die Mobilitätsentscheidungen ausbaden müssen, die von den Städten getroffen werden, von jeglicher Mitwirkung daran aber ausgeschlossen sind?
Auch der immer wieder ins Feld geführten Forderung nach Einführung eines generellen Tempolimits auf den Autobahnen erteilt der AvD eine Absage. Der Anteil der Autobahnen ohne Tempolimit beträgt lediglich 1,4 Prozent am deutschen Straßennetz. Diese auch noch zu limitieren würde nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Straßenwesen bei Tempo 130 zu keinerlei CO2-Ersparnis führen und bei Tempo 120 bei vernachlässigbaren 0,27 Prozent liegen. Zudem hat die Pandemie gezeigt, dass der Einfluss des Straßenverkehrs auf den bundesdeutschen CO2-Ausstoß deutlich überschätzt wird. Denn dieser stieg 2020 trotz mehrerer, langanhaltender Lockdowns und den daraus resultierenden fast leeren Straßen und Autobahnen weiter an.
AvD Generalsekretär Lutz Leif Linden: "Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen ruft der AvD die Vertreter der künftigen Regierungsparteien auf, ihre verkehrspolitischen Pläne wieder stärker an den tatsächlichen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen auszurichten. Individuelle Mobilität muss auch in Zukunft bezahlbar sein und darf nicht zum Luxusgut degenerieren. Ein Straßenbild wie in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang anzustreben, wo mit Ausnahme einiger Staatsfunktionäre und ihrer Vasallen die Menschen nur mit dem Rad unterwegs sind, birgt einen enormen gesellschaftlichen Sprengstoff. Weder eine tatsächliche Verbesserung des Erdklimas noch die Klimaschutzziele werden zu erreichen sein, wenn ideologische Träumereien als Leitbild fungieren. Der AvD setzt sich im Sinne aller auf das Auto angewiesenen Bundesbürger dafür ein, dass der Nutzen bezahlbarer individueller Mobilität auch bei der Umsetzung wichtiger politischer Ziele wieder verstärkt ins Kalkül gezogen wird."
Quelle und Kontaktadresse:
Automobilclub von Deutschland e.V. (AvD)
Malte Dringenberg, Leiter Presse und Medien
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