Mittelstand hat Aufgaben mehr als erledigt: Stabiler Aufschwung trotz schlechter Politik / Beste Noten für die FDP
(München) - Erstmals seit fünf Jahren kann von einem Wirtschaftsaufschwung auf
breiter Basis gesprochen werden, der fast alle Branchen erfasst hat und sich auch deutlich bei der Beschäftigung bemerkbar machen wird.
Der Mittelstand beurteilt die Wirtschaftslage zur Jahreswende 2006/2007 ausgesprochen gut und um ein Vielfaches besser als in den Vorjahren. Der Aufschwung ist da. Nun brauchen wir nur noch eine bessere Politik, fasste Hermann Sturm, Präsident der Union Mittelständischer Unternehmen e. V. UMU, die Ergebnisse der Umfrage zusammen und ergänzte: Der Mittelstand ist von der Großen Koalition enttäuscht. Wir hätten erwartet, dass diese jene Themen anpackt und löst, die mit kleineren Mehrheiten nicht zu lösen sind, also umfassende Strukturreformen im Gesundheitswesen und beim Steuersystem. Stattdessen wird von CDU/CSU und SPD herumgeeiert und an Parteiinteressen, aber nicht an Deutschland, gedacht. Trotzdem hat sich die Wirtschaft positiv entwickelt, niemand sollte glauben, dass das ein Verdienst der Politik ist. Kein Wunder, dass bei der Frage nach der Politik der Parteien die FDP am besten abschnitt, sie fordert genau die Politik, die CDU/CSU und SPD nicht machen, nämlich grundlegende Reformen.
Im letzten Jahr konnten wir noch von Optimismus und Erwartungen sprechen, in diesem Jahr sind die Ergebnisse unserer Umfrage zur Jahreswende deutlich mehr als nur Optimismus, es hat sich etwas bewegt, erklärte Sturm zu den Ergebnissen der UMU-Mittelstandsumfrage, die er am 28. Dezember in München vorstellte. Die Untersuchung basiert auf einer repräsentativen Eilumfrage bei 4.000 Mittelstandsunternehmern, die in der Zeit zwischen dem 2. und 22. Dezember 2006 durchgeführt wurde.
Wirtschaftslage
Der Mittelstand beurteilt die Konjunkturlage zur Jahreswende 2006/2007 so gut wie seit Jahren nicht mehr. Heute beurteilen 48,8 Prozent der mittelständischen Unternehmen die Wirtschaftslage als gut, 44,7 Prozent als mäßig und nur 6,2 Prozent als schlecht.
Im Dezember 2005 hatten nur 14,9 Prozent die Lage als gut, 53,6 Prozent als mäßig und 21,2 Prozent als schlecht beurteilt. In den Jahren davor waren diese Zahlen noch schlechter, erklärte Sturm, als wir im Jahr 2003 mit dieser Art von Umfragen begonnen haben, lag die Zahl derer, die die Wirtschaftslage als gut bezeichneten noch bei 3,8 Prozent. Während wir in der Vergangenheit immer von Optimismus gesprochen haben, kann heute gesagt werden der Aufschwung ist da.
Ganz offensichtlich hat dieser inzwischen eine größere Breite in der Wirtschaft erreicht. Das schlägt sich auch in der Beurteilung der Tendenz der Wirtschaftsentwicklung nieder, denn die Zahl derer, die damit rechnen, dass sich die Wirtschaftslage nicht verändern wird, ist inzwischen auf 58,8 Prozent gestiegen, 18,2 Prozent rechnen sogar mit einer weiteren Verbesserung. Auch die Investitionsneigung ist gut. 62,2 Prozent der antwortenden Unternehmer gab an, in 2007 investieren zu wollen, nur 37,8 Prozent wollen das nicht, das sind rund 4 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Bei den Investitionsarten haben die Erweiterungsinvestitionen deutlich zugelegt, sie steigen von 23,9 Prozent im Vorjahr auf 28,5 Prozent in 2007. Der Schwerpunkt dieser Investitionen liegt aber auch im Jahr 2007 mit 37,5 Prozent bei den Ersatzinvestitionen. Als Haupthemmnisse der Wirtschaftsentwicklung werden vom Mittelstand nach wie vor die Bürokratie und die hohen Kosten angesehen. Mangelnde Nachfrage, die im Vorjahr von 49 Prozent genannt wurde, spielt dagegen inzwischen mit 27,5 Prozent nur noch eine nachrangige Rolle. Dafür ist das Thema höhere Steuern und Abgaben mit 42,9 Prozent auf Rang drei vorgerückt.
Sturm goss deshalb auch Wasser in den Wein der Glückseligkeit, denn die Bürger erwarte im kommenden Jahr eine Kostenlawine kaum vergleichbaren Ausmaßes.
Mehrwertsteuererhöhung, massive Beitragserhöhungen der Krankenkassen wegen desolater Betriebsführung und unerlaubter Schuldenaufnahme, Mietkostensteigerungen, Abzocke bei den Energiepreisen wegen unzureichender Deregulierungspolitik, Erhöhung der Bahnpreise usw., werden den Unternehmern und Bürgern die Freude an diesem Aufschwung bald nehmen, erklärte Sturm. Es wird sich erst am Jahresende 2007 zeigen, ob es uns besser gegangen ist.
Beschäftigung
Der Wirtschaftsaufschwung im Jahr 2006 schlägt sich, wie die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit bereits zeigen, in den Beschäftigtenzahlen nieder. Nach den Erwartungen des Mittelstandes wird sich diese Entwicklung im Jahr 2007 fortsetzen. 34,4 Prozent der antwortenden mittelständischen Unternehmen rechnen damit, dass die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung steigt, dies ist eine Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr (10,1 Prozent).
24,4 Prozent der antwortenden mittelständischen Betriebe gab an, neue Mitarbeiter einstellen zu wollen, 59,1 Prozent rechnet dagegen mit keinen Änderungen.
Entsprechend reagiert inzwischen der Markt für Fachkräfte, denn nur noch 48,1 Prozent der einstellungswilligen Arbeitgeber können geeignete Fachkräfte finden, bereits 46,6 Prozent können das nicht mehr.
Marktanpassung
Erstmals seit Jahren stehen bei der Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen wieder Kapazitätserweiterungen im Vordergrund. Ihre Zahl hat sich mit 21 Prozent gegenüber 12,8 Prozent im Vorjahr fast verdoppelt. Neue Märkte erschließen, wollen 47,4 Prozent, mit der Änderung der Produktpalette reagieren 33,7 Prozent. Entsprechend dem Trend ist auch die Zahl derer, die Kapazitäten abbauen wollen, im Mittelstand auf 15,5 Prozent weiter zurückgegangen - ganz im Gegensatz zu den Großunternehmen.
Handlungsbedarf in der Politik und Reformmaßnahmen der Bundesregierung
Beim Handlungsbedarf der Politik hat sich gegenüber dem Vorjahr eine Verschiebung ergeben. Heute stehen die Sozialpolitik (Gesundheitsreform) mit 50,2 Prozent und die Steuerpolitik mit 45 Prozent an der Spitze der Bereiche, in denen der Mittelstand den meisten Handlungsbedarf sieht. Trotzdem gibt es weitere Anregungen der Mittelstandsunternehmer zum Handlungsbedarf der Politik. Gefordert wird, endlich eine radikale Reform des Steuersystems durchzuführen und dieses zu vereinfachen sowie noch konsequenter einen Bürokratieabbau zu betreiben.
Sturm befürwortete im Grundsatz die angestrebte Gesundheitsreform. Die grundlegende Neuorganisation des Gesundheitswesens müsse sich streng am Wettbewerbsgedanken orientieren ansonsten bleibe das Gesundheitssystem der bisherige Selbstbedienungsladen. Der jetzt verabschiedete Gesundheitsfonds sei ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, denn das System brauche keinen Wettbewerb bei der Beitragserhebung. Wir haben eine Pflegeversicherung, eine Deutsche Rentenversicherung Bund, eine Bundesagentur für Arbeit. Bei der Gesetzlichen Krankenversicherung haben wir heute über 250 Krankenkassen. Eigentlich bräuchten wir nur ein Dach mit drei selbständigen Operativ-Abteilungen - für aktive Arbeitnehmer, für Nicht-Erwerbstätige und für Kinder -, die regional durchaus miteinander konkurrieren könnten.
Entscheidend sei dagegen wirklicher Wettbewerb bei der Leistungserbringung. Die Ausgaben müssen runter, daher sollen die Krankenkassen, Kliniken, niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte, Apotheken und die Pharma-Industrie im wirklichen Wettbewerb stehen, forderte Sturm.
Glaube an die Reformfähigkeit
Der Glaube an die Reformfähigkeit der neuen Regierung unter der Großen Koalition war schon im Vorjahr nicht sehr groß. Das ist heute nicht anders. Dass es der Regierung gelungen ist, die stagnierende Wirtschaft anzukurbeln, glauben nur 33,7 Prozent.
Auch auf ihre Fähigkeit, die Staatsverschuldung massiv abzubauen, vertrauen nur 28,9 Prozent, 62,9 Prozent glauben das nicht.
Immerhin 26,1 Prozent, rund 13 Prozent mehr als im Vorjahr, trauen der Regierung zu, die Arbeitslosigkeit zu senken. Eine nachhaltige Senkung der Arbeitslosenzahl auf 2,5 Millionen Arbeitslose wird aber nur von 6,5 Prozent des Mittelstandes erwartet.
Beurteilung der Politik
Trotz positiver Wirtschaftsentwicklung gibt es viele kritische Stimmen zum ersten Jahr der Regierung Merkel. Nur 6,2 Prozent halten die allgemeine Politik der Regierung für gut, immerhin 55,7 Prozent halten sie für ausreichend. Schlechter sind die Zahlen weiter bei den Fragen nach der Mittelstandspolitik. Hier vergeben nur rund 1,7 Prozent die Noten gut und 26,8 Prozent ausreichend. Wie schon bei der Vorgängerregierung wird, trotz aller Bekundungen, für den Mittelstand zu wenig getan.
Was in der Bonner Republik kaum vorgekommen ist, unzulänglich formulierte und geprüfte Gesetze und Verordnungen, scheint in Berlin inzwischen gang und gäbe zu sein erklärte Sturm. Vor allem das wird in diversen Anmerkungen vom Mittelstand immer wieder kritisiert.
Zum Glück haben wir ja inzwischen einen Bundespräsidenten mit seinem qualifizierten Beamtenstab als Qualitätsmanager, der solche Vorlagen stoppt und nicht nur als Begrüßungsaugust wirkt, der alles durchwinkt. Vielleicht hilft das ja bereits manchem Parlamentarier, künftig vorher darüber nachzudenken, über was er abstimmt, ergänzte Sturm. Sonst brauchen wir andere Instrumente, um diese Fehlentwicklung zu stoppen. Wir sind als Mittelstand gewöhnt, Qualität zu liefern, deshalb haben wir überhaupt kein Verständnis dafür, dass das nicht auch für die Politik gelten soll. Wenn nun die Fraktionsmanager von CDU und SPD den Bundespräsidenten dafür kritisieren, dass er ihre schlechte Arbeit nicht abnimmt, ist das schon eine ziemliche Dreistigkeit, ergänzte Sturm seine Kritik.
Schlechte Noten für eine Reihe angekündigter Maßnahmen
der Regierung
Nur ein Prozent glaubt, dass die Gesundheitsreform, so wie sie beschlossen wurde, die Probleme des Gesundheitswesens lösen wird, 93,8 Prozent glauben das nicht.
Auch die von der Regierung im Vorjahr eingeführte degressive Afa bei technologieintensiven Investitionen war ein Schuss in den Ofen. Nur 3,5 Prozent des Mittelstandes hat diese in Anspruch genommen. 95,5 Prozent hat dieses nicht getan.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird von 59,8 Prozent abgelehnt, 57,8 Prozent erwarten keine konkreten Auswirkungen auf ihren Betrieb.
Die Pläne der Regierung zur Reform der Unternehmenssteuer werden von 86,2 Prozent abgelehnt. Der Mittelstand will eine Strukturreform a la Kirchhof.
Auch die angekündigte Körperschaftsteuerreform kommt nach Meinung von 56,7 Prozent der mittelständischen Unternehmer hauptsächlich den Großbetrieben zugute.
Nur 6,5 Prozent erwartet Nutzen für den Mittelstand. Ähnliche Bewertungen gibt es für die Änderung des § 7g EStG, der eine Anhebung der Ansparabschreibung für KMU bei Wegfall anderer Steuermaßnahmen vorsieht. Das halten nur 25,4 Prozent für sinnvoll, 61,2 Prozent lehnen es ab.
Der Bürokratieabbau, der jüngst von der CDU/CSU Mittelstandsvereinigung lobend erwähnt wurde, ist beim Mittelstand selbst bisher noch nicht angekommen. Nur 8,6 Prozent gaben an, davon bisher etwas bemerkt zu haben. 89,3 Prozent bemerken bisher nichts.
Entsprechend kritisch wird die Ankündigung der Bundesregierung gesehen, einen Normenkontrollrat zur Prüfung von Gesetzen einzusetzen, um damit einen Bürokratieabbau zu erreichen. Nur 27,3 Prozent glauben daran, 73,5 Prozent halten nichts davon.
Auch das Gleichbehandlungsgesetz halten 64,6 Prozent für überflüssig, 35,4 Prozent halten es für sinnvoll bis weniger sinnvoll.
UMU-Präsident Sturm lobte allerdings die Initiativen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau. Die jüngst vorgelegte Bestandsaufnahme des Bundesfinanzministeriums mit über 600 ermittelten Informationspflichten für Bürger und Unternehmer im Bereich der Besitz- und Verkehrsteuern sei beispielsweise ein erster wichtiger Schritt, dem allerdings dann die Umsetzung in Form von Vereinfachung und Abschaffung folgen müsse. Der Mittelstand will Einfachheit und Transparenz, interpretierte Sturm die Umfrageergebnisse.
Noch schlechter ist die Bewertung weiterer Hartz IV-Maßnahmen. 72,8 Prozent erwarten davon keine Impulse für den Arbeitsmarkt.
Finanzierung
Weiter unzufrieden ist der Mittelstand mit der Kreditvergabe. Offensichtlich sehen viele Kreditinstitute nach dem Ackermannschen Gewinnziel von 25 Prozent, heute nicht mehr ihre Aufgabe in der Kreditvergabe an den Mittelstand, sondern gehen andere Wege, um schnelle Gewinne mit weniger Aufwand zu machen, erklärte Sturm.
Für 91,1 Prozent der mittelständischen Unternehmer gibt es trotz anziehender Konjunktur keine Erleichterungen bei der Kreditvergabe für ihren Betrieb.
Wenn sich das nicht ändert, müssen die Kreditinstitute durch geeignete Maßnahmen dazu gezwungen werden, Mittelstandskredite auszureichen, oder die KfW muss diese Aufgabe direkt übernehmen, erklärte Sturm.
Die Parteien
Aus dem Mittelstands-Parteienranking geht die FDP als klarer Sieger hervor. Mit weitem Abstand folgen CDU, CSU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD.
Auf die Frage Wie beurteilen Sie den Kurs der Parteien? erteilten die Mittelständler die Note gut wie folgt:
1. FDP - 43,4 Prozent - (negativ: 12,7 Prozent)
2. CDU - 18,9 Prozent - (negativ: 12,0 Prozent)
3. CSU - 17,9 Prozent - (negativ: 16,8 Prozent)
4. Bündnis 90/Die Grünen - 8,6 Prozent - (negativ: 46,4 Prozent)
5. SPD - 4,8 Prozent - (negativ: 34 Prozent)
Für 13,1 Prozent der mittelständischen Unternehmer macht die Bundesregierung SPD-Politik und nur zu 3,4 Prozent CDU-Politik. Dabei finden aber 58,1 Prozent die Politik der SPD für noch weniger gut und 34 Prozent halten sie sogar für negativ.
Das heißt nicht, dass der Mittelstand mit CDU und CSU zufrieden wäre. Nur 18,9 Prozent halten die Politik der CDU und 17,9 die der CSU für gut.
Bei weniger gut kommt die CDU auf 65,3 Prozent und die CSU auf 53,6 Prozent.
Wirklich gut schneidet bei der Umfrage nur die FDP ab. 43,4 Prozent halten deren Politik für gut, 41,2 Prozent immerhin noch für weniger gut, 12,7 Prozent für negativ.
Quelle und Kontaktadresse:
Union mittelständischer Unternehmen e.V. (UMU)
Pressestelle
Edelsbergstr. 8, 80686 München
Telefon: (089) 570070, Telefax: (089) 57007260
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