Mitgliederversammlung des VdDD: "Imageschaden für die Pflege verhindern"
(Berlin) - Vor welchen Herausforderungen steht die diakonische Sozialwirtschaft nach der Corona-Pandemie? Das war Thema der ordentlichen Online-Mitgliederversammlung des Verbandes diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD) am 6. Mai 2021. Rund 80 Vorstände und Geschäftsführungen diakonischer Unternehmen diskutierten mit den Gastrednern Ralph Brinkhaus (CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender), Dr. Thomas Sattelberger (Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion) und Sven-Christian Kindler (Haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion).
"Entbürokratisierung der Sozialwirtschaft"
Ralph Brinkhaus (CDU) würdigte die Leistungen der Gesundheits- und Sozialbranche in der Corona-Pandemie. Zugleich habe sich gezeigt, wie Über-Bürokratisierung und veraltete Verwaltungsstrukturen die Agilität der Sozialunternehmen enorm einschränken. Um die Situation in der sozialen Infrastruktur für alle Seiten gleichermaßen zu verbessern, sei "Arbeit am Fundament" notwendig. "Lassen Sie uns gemeinsam darüber sprechen wie wir das Sozialsystem entbürokratisieren können", so Brinkhaus. "Wenn wir über Entfesselung sprechen, sollten wir nicht nur die Privatwirtschaft in den Fokus nehmen, sondern vor allem auch den Sozialbereich". Dabei spielten unter anderem die Chancen der Digitalisierung eine zentrale Rolle. Brinkhaus hatte zu Beginn des Jahres eine "Reform des Staatswesens" gefordert. Die Verwaltungsprozesse müssten grundlegend überprüft werden - insbesondere die Entscheidungshierarchien, Zuständigkeiten, Planungs-, Vergabe- und Genehmigungsprozesse.
"Massives Problem bei der psychosozialen Entwicklung"
Mit den Perspektiven der Kinder- und Jugendpolitik nach Corona befasste sich Thomas Sattelberger (FDP). "Die Corona-Krise hat die psychosoziale Entwicklung junger Menschen massiv beeinträchtigt - wir haben ein riesiges Problem", so Sattelberger. Das Ausmaß der notwendigen Unterstützung sei noch gar nicht abzusehen. Sattelberger verwies auf Schätzungen von Jugendämtern, wonach sich die Zahl der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher auf rund 200.000 verdoppeln könnte.
Sattelberger fordert, die Bildung fit zu machen für die Kreativ- und Wissensgesellschaft der Zukunft. Kitas und Schulen müssten zu "Talentbiotopen" werden. Hierfür brauche es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das "Kooperationsverbot" in der Bildungspolitik müsse durch ein "Kooperationsgebot" ersetzt werden.
"Kein Grund zum Kaputtsparen"
Zur Finanzierung künftiger Sozialausgaben äußerte sich Sven-Christian Kindler (Grüne). Ein starker Sozialstaat und starke soziale Einrichtungen seien das Fundament der Gesellschaft. "Wozu es nicht kommen darf sind Leistungskürzungen, die die soziale Spaltung nach der Pandemie noch verschärfen", so Kindler. "Es gibt keinen Grund zum Kaputtsparen." Steigende Kosten in der Pflege wollen die Grünen unter anderem mit Steuermitteln und über eine Bürgerversicherung finanzieren.
Kindler wirbt dafür, die aktuell niedrigen Zinskosten bei der staatlichen Schuldenaufnahme zu nutzen, um den ökologisch-sozialen Umbau der Wirtschaft zu finanzieren. Auch in der Sozialwirtschaft müssen laut Kindler Klimaschutzinvestitionen ermöglicht werden, etwa bei der energetischen Sanierung von Gebäuden. Bislang fehlt für Investitionen im Sozialbereich das gesetzliche Kriterium der Nachhaltigkeit.
"Keine Übersprunghandlungen"
Die Akteurinnen und Akteure aus der unternehmerischen Diakonie blicken mit Spannung auf die kommenden Monate bis zur Bundestagswahl. Vor allem die noch ausstehende Pflegereform und die neu entfachte Debatte um ein "Pflege-Tariftreue-Gesetz" waren Thema der Mitgliederversammlung. In seiner Antrittsrede forderte der frisch gewählte VdDD-Vorstandsvorsitzende Pastor Dr. Ingo Habenicht die Große Koalition auf, ihre Pflegereform-Versprechungen einzulösen.
"Demographiebedingt ist die Notwendigkeit einer grundlegenden Pflegereform aktueller denn je. Die Erhöhung der Tarifbindung und die solide Finanzierung waren von der Großen Koalition versprochen worden. Wenn diese Ankündigungen nun nicht eingelöst werden, droht das öffentliche Ansehen des Pflegesektors weiter zu leiden", so Habenicht. Obwohl in der Diakonie vergleichsweise attraktive Arbeitsbedingungen bestünden, würden die Probleme der mangelnden Tarifbindung bei den Konkurrenten sowie offene Finanzierungsfragen die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit überlagern. "Wir erwarten eine zeitnahe Lösung für die Verbesserung der Situation in der Pflege, um einen weiteren Imageschaden zu verhindern." Eine solide Pflegereform sei zu wichtig, um im Bundestagswahlkampf verspielt zu werden.
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