Pressemitteilung | Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) - Hauptgeschäftsstelle

Mit einer "Selbstverpflichtungserklärung" wollen Industrie und große Lebensmittelketten Mehrweg beerdigen

(Düsseldorf/Berlin) - Die "Selbstverpflichtung" ist kein taugliches Instrumente, um die Mehrwegquote für Getränke zu stabilisieren. Dagegen bestätigen das Umweltbundesamt und der Zuspruch der Bevölkerung die Lenkungswirkung einer Rücknahme- und Pfandpflicht auf Einweg. "Der vehemente Widerstand von Großformen des Handels und der Getränkeindustrie ist ein weiteres Indiz für die das Mehrwegsystem stabilisierende Wirkung", schließt GFGH-Vorstand Günther Guder, der gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH), den Bundesverbänden der mittelständischen Privatbrauereien und des Getränke-Einzelhandels an die Politiker appelliert, die anstehende Novelle der Verpackungsverordnung zügig zu verabschieden.

Mehrheit des Getränkehandels und der Brauereien für Pflichtpfand
Die am 18. April in Berlin von Teilen des Handels und der Industrie vorgestellte "Selbstverpflichtungserklärung" zeigt die Interessenslage weniger großer Lebensmittelketten und industrieller Getränkeabfüller. Das Gros der bundesdeutschen Brauereien, Mineralbrunnen, Getränkegroß- und Getränkeeinzelhandel stehen hinter der Einführung eines Pflichtpfandes und lehnen die "Selbstverpflichtungserklärung" rundweg ab. Im Einzelnen fordern das Pflichtpfand:

* 800 von insgesamt 1.200 Brauereien mit insgesamt 60 Prozent der Beschäftigten in der Brauwirtschaft.

* 3.600 Betriebe des Getränkefachgroßhandels, über die rund 70% des gesamten Getränkeabsatzes in Deutschland läuft.

* Die Hälfte des mit dem Vertrieb von Getränken befassten Einzelhandels in Deutschland (davon 60 % Getränkeabholmärkte und 40% selbstständige Einzelhändler).

Vorschlag ist "Alter Wein in neuen Schläuchen"
Bereits die 1991 eingeführte Mehrwegquote von 72 Prozent war das Ergebnis einer Selbstverpflichtung von Industrie und Handel, die in den letzten Jahren von eben diesen Beteiligten systematisch torpediert worden ist. Mittlerweile liegt der Mehrweganteil an Getränken bereits bei rund 66 Prozent. Und der ebenfalls alte AGVU-Vorschlag einer Kombinationsquote würde Mehrweg- und Recyclingquoten in einen Topf werfen, der europaweiten Forderung "Vermeidung vor Verwertung" widersprechen und so jeglichen Schutz des bewährten Mehrwegsystems gefährden. Das ist "alter Wein in neuen
Schläuchen", so Guder.

Die Initiatoren der Selbstverpflichtungserklärung wollen gar die Mehrwegquote in einem ersten Schritt um 10 Prozent senken. Neue Messgröße ist laut diesem Konzept "jährlich 23 Milliarden Liter Getränke in ökologisch vorteilhaften Verpackungen". Außerdem will die Industrie über das einfache "Vorlegen eines Nachweises" die automatische Anerkennung bestimmter Einwegverpackungen als "ökologisch vorteilhafte Verpackungen" erreichen. Verbunden mit einer Kombinationsquote von 90 % "Wiederbefüllung bzw. Verwertung" (nach österreichischem Vorbild) fordert somit die Industrie eine völlige Handlungsfreiheit. Selbst eine Mehrwegquote von Null Prozent ist mit dieser Regelung theoretisch möglich (bei einer Recyclingquote von 90 Prozent). Konsequenterweise sieht die Selbstverpflichtungserklärung keinerlei Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung vor. Bei so vielen "Gestaltungsspielräumen" ist dies auch nicht mehr notwendig.

Repräsentative EMNID-Umfrage: 73,5 % der Verbraucher wollen Mehrweg
Auch breite Kreise der Bevölkerung befürworten die Rücknahme- und Pfandpflicht für Einweg. Dies zeigte das Ergebnis einer vom 9. bis 15. März 2001 im Auftrag der DUH und des GFGH durchgeführten EMNID-Meinungsumfrage unter 3.015 Bundesbürgern. 32,8 % der Befragten kündigten an, bei einem Dosenpfand von 50 Pfennigen künftig weniger Getränke in Einweg-Verpackungen zu kaufen. Befragt nach der grundsätzlichen Akzeptanz eines 50-Pfennig-Pfands auf Getränkedosen und Einwegflaschen befürworteten drei Viertel der Befragten (73,5 %) ein Einwegpfand.

Negative Erfahrungen mit Selbstverpflichtungserklärungen und Wiederverwertungsquoten
Günther Guder, Geschäftsführender Vorstand des GFGH, verwies auf die in Österreich und Belgien gesammelten negativen Erfahrungen mit derartigen Selbstverpflichtungserklärungen von Handel und Industrie: So ist in Österreich die Mehrwegquote allein von 1997 bis 2000 um 14 Prozent gefallen, bei Mineralwasser sogar um 30 Prozent. In Belgien brach die Mehrwegquote bei Mineralwasser und Softdrinks binnen sieben Jahre sogar von 70 auf 20 Prozent praktisch völlig zusammen. Außerdem werde die 1,9 Pfennige ausmachende Gebühr die heute zu beobachtenden Dumpingpreise von in Einweg abgefüllten Getränken nicht beenden.

Wirtschaftsminister Schwanhold zum "Dosenminister" mutiert
Als treibende Kraft hinter der Selbstverpflichtungserklärung haben DUH und GFGH den NRW-Wirtschaftsminister Schwanhold ausgemacht. Dieser unterhalte sich ausschließlich mit den Großformen der Industrie und des Handels. "Seit Monaten erhalten wir vom Mittelstand weder einen Gesprächstermin noch eine Antwort auf unsere Schreiben", beklagt Guder vom GFGH die Missachtung mittelständischer Interessen, die ansonsten gerne als Lippenbekenntnisse verkündet würden. Er forderte Schwanhold auf, sich vom "Dosenminister" zum Mittelstandsminister zurückzuverwandeln.

Quelle und Kontaktadresse:
Jürgen Resch Deutsche Umwelthilfe e.V. Güttinger Str. 19 78315 Radolfzell Telefon: 07732/99950 Telefax: 07732/999577 Günther Guder Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels e.V. Humboldtstr. 7 40237 Düsseldorf Telefon: 0211/683938 Telefax: 0211/683602

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