Mieterrechte stärken, nicht abbauen / Mieten steigen sprunghaft an - Wohnkosten auf Rekordniveau / 250.000 Mietwohnungen fehlen in Deutschland
(Berlin) - "Jetzt ist es Zeit, Mieterrechte zu stärken und nicht abzubauen. Die Bundesregierung muss Mieter vor drastisch steigenden Wohnkosten schützen. Sie darf nicht länger an einem Mietrechtsänderungsgesetz festhalten, das Mieterrechte beschneidet und zusätzliche Mietsteigerungen begünstigt", forderte der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), Dr. Franz-Georg Rips, auf einer Pressekonferenz in Berlin. "Angesichts 250.000 fehlender Mietwohnungen in Deutschland, steigender Mieten und Wohnkosten auf Rekordniveau brauchen wir Konzepte und Fördermittel zur Stärkung des Wohnungsneubaus und eine Strategie zur gerechten Verteilung der Kosten der Energiewende. Wohnungsnot und Wohnungsengpässe sind nicht - wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Fachminister Peter Ramsauer glauben machen wollen - nur ein Problem der Studenten, das durch die Umwidmung von Kasernen in Wohnheime gelöst werden kann. Die aktuellen Wohnungsmarktprobleme betreffen junge Familien, Rentner, einkommensschwächere Haushalte und Normalverdiener in Großstädten und Ballungszentren gleichermaßen."
Mietrechtsverschlechterungen stoppen
Am 13. Dezember findet im Bundestag die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung beschlossenen Mietrechtsänderungsgesetzes statt. Vorgesehen sind verschiedene Mietrechtsverschlechterungen, von der zeitlich begrenzten Abschaffung des Mietminderungsrechts bis hin zur Aufweichung des Kündigungsschutzes.
Auf die Fundamentalkritik unabhängiger Sachverständiger im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 15. Oktober ist die Bundesregierung bis heute nicht eingegangen. Dabei war das Urteil der Sachverständigen vernichtend:
Die geplanten Änderungen dürfen nicht Gesetz werden. Der Ausschluss des Mietminderungsrechts ist systemwidrig, dogmatisch völlig verfehlt, streitträchtig, kaum handhabbar und unausgewogen - stellten die sachverständigen Richter, Wissenschaftler und Rechtsanwälte fest.
Bei den Regierungsvorschlägen zur Sicherungsanordnung bzw. Räumung der Wohnung per einstweiliger Verfügung sprechen die Sachverständigen von Verfassungswidrigkeit, massiven Eingriffen in das Miet- und Mietprozessrecht und rechtsstaatlichen Bedenken. Einer der im Rechtsausschuss geladenen Sachverständigen - Klaus Schach, ehemals Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin - meint, hier müssten die Alarmglocken schrillen. Eine derartige Regelung habe es in einem Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland wohl noch nie gegeben.
Nach dieser Kritik war zu erwarten, dass die Bundesregierung ihr Gesetzesvorhaben stoppt bzw. grundlegend überarbeitet. Das ist nicht passiert. Am 13. Dezember steht der unveränderte Gesetzentwurf der Bundesregierung aus dem Sommer dieses Jahres auf der Tagesordnung.
"Ich frage mich, warum die Sachverständigenanhörung überhaupt durchgeführt worden ist. Wenn offensichtlich gar keine Bereitschaft besteht, auf einstimmig vorgebrachte, objektive, das heißt nicht von Verbandsinteressen geprägte, Kritikpunkte einzugehen, verkommt eine derartige Anhörung zu einer reinen Pflicht- und Alibiveranstaltung. Ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren sieht anders aus", erklärte der Mieterbund-Präsident. "Noch können die Abgeordneten des Deutschen Bundestages diese unnötigen und überflüssigen Mietrechtsänderungen verhindern. Ich appelliere an sie, stattdessen über tatsächlich notwendige und sinnvolle Korrekturen zu entscheiden."
Notwendige Mietrechtsänderungen
Nach Schätzung des Deutschen Mieterbundes fehlen aktuell 250.000 Mietwohnungen in Deutschland, vor allem in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten. Die Folge sind hier drastisch steigende Mieten, insbesondere Neuvertragsmieten. Preissprünge von bis zu 10 Prozent innerhalb eines Jahres oder Mietforderungen, die mitunter 20 oder 30 Prozent und mehr über den Mieten in bestehenden Mietverhältnissen liegen, sind für einen Großteil der Mieterhaushalte nicht bezahlbar. Sie müssen heute schon durchschnittlich ein Drittel ihrer Konsumausgaben für die Wohnung und für Betriebskosten ausgeben, einkommensschwächere Haushalte mehr als 45 Prozent.
"Mittelfristig muss deshalb der Wohnungsneubau angekurbelt werden, kurzfristig helfen aber nur Änderungen im Mietrecht", erklärte Rips. Unsere Forderungen sind:
- Die bisherigen Mieterhöhungsregelungen gelten nur für bestehende Mietverhältnisse. Bei einem Mieterwechsel, das heißt beim Abschluss eines neuen Mietvertrages, dagegen kann der Vermieter die Miete in nahezu beliebiger Höhe festsetzen. Leidtragende dieser Rechtslage sind die etwa 10 Prozent der Mieterhaushalte, die jährlich die Wohnung wechseln bzw. aus beruflichen Gründen umziehen müssen, junge Menschen, die eine Familie gründen, oder Studenten, die neu in die Stadt ziehen. Damit diese Mietergruppen eine Chance auf dem Wohnungsmarkt haben, ist eine Obergrenze erforderlich. Neuvertragsmieten sollen höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen.
- Die Begrenzung der Neuvertragsmieten ist auch deshalb wichtig, weil die Neuvertragsmieten von heute die Bestandsmieten von morgen sind. Da bei den ortsüblichen Vergleichsmieten und den Zahlen des örtlichen Mietspiegels nur die Vertragsabschlüsse der letzten vier Jahre einfließen, besteht auch hier Handlungsbedarf. Deshalb sollen bei der ortsüblichen Vergleichsmiete künftig alle Mieten berücksichtigt werden, nicht nur die teuren Vertragsabschlüsse der letzten vier Jahre.
- Um allzu drastische Mietpreissteigerungen in bestehenden Mietverhältnissen zu verhindern, gibt es eine Kappungsgrenze. Zurzeit erlaubt sie Mieterhöhungen bis zu 20 Prozent in drei Jahren. Künftig sollten es maximal 15 Prozent in vier Jahren sein.
- Im Maklerrecht muss das Bestellerprinzip realisiert werden. Die bisherige Praxis, dass Makler Dienstleistungen für Vermieter erbringen, aber in der Regel Mieter die Provision zahlen müssen, ist unfair und muss abgestellt werden.
- Bei Mieterhöhungen und Betriebskostenabrechnungen muss immer die tatsächliche Wohnfläche zugrunde gelegt werden. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der Toleranzen bis zu 10 Prozent akzeptiert, nicht gewährleistet. Das kann bedeuten, dass Mieter für eine 100 Quadratmeter große Wohnung Miete, Betriebskosten oder Mieterhöhungen zahlen müssen, obwohl die Wohnung tatsächlich nur 90 Quadratmeter groß ist.
- Auch die energetische Sanierung der Gebäudebestände kann zu drastischen Mieterhöhungen führen. Nach geltendem Recht darf der Vermieter 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Fallen Modernisierungskosten in Höhe von 200 Euro pro Quadratmeter an, bedeutet das für den Mieter einer 70 Quadratmeter großen Mietwohnung eine monatliche Mieterhöhung von 128 Euro im Monat. Diese Erhöhung ist auch bei einer erfolgreichen und guten Sanierung nicht über niedrigere Heizkosten auszugleichen. Diese gesetzliche Mieterhöhungsregelung ist zudem ungerecht und schon dem Grunde nach falsch. Im Ergebnis zahlt allein der Mieter die Kosten. Dabei hängt der Umfang der Mieterhöhung von den Kosten der Modernisierung ab. Dagegen wird nicht gefragt, ob die energetische Sanierung sinnvoll und erfolgreich war, ob tatsächlich Energie und damit Heizkosten eingespart werden. Deshalb sollte die Modernisierungs-Mieterhöhungsregelung ersatzlos gestrichen werden. Stattdessen muss im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete die energetische Qualität der Wohnung für die Bestimmung der Miete entscheidend sein. Als Übergangslösung, bis energetische Mietspiegel eine Differenzierung nach Energieeffizienzstandards zulassen, kann ein Zuschlag zur bisherigen Kaltmiete im Umfang der konkreten Energie- und damit Heizkostenersparnis erlaubt werden. So wird der Umfang der Energieeinsparung Maßstab für die Höhe der zu zahlenden Mieterhöhung.
Wohnungsneubau stärken
Schon heute fehlen nach Schätzungen des Deutschen Mieterbundes 250.000 Mietwohnungen in Deutschland. Während sich die Zahl der Fertigstellungen nach wie vor auf niedrigstem Niveau bewegt - ca. 65 bis 70.000 Mietwohnungen - und der Bestand der noch 1,5 Mio. Sozialwohnungen jährlich um 100.000 Einheiten schrumpft, wächst die Zahl der Haushalte in Deutschland, vor allem in den Städten weiter. Zwischen 2002 und 2010 stieg die Zahl von 38,7 Mio. auf 40,3 Mio. Haushalte. Nach Zahlen des Bauministeriums werden im Jahr 2025 rund 41,1 Mio. Haushalte eine Wohnung benötigen.
"Wir steuern geradewegs auf eine echte Wohnungsnot zu", sagte Rips. Die Folgen lassen sich schon jetzt absehen: Rasant steigende Mieten, Verlust preiswerten Wohnraums in den Stadtzentren, Verdrängung alteingesessener Bewohner aus ihren Quartieren, keine Chance für Normalverdiener, Wohnungen in Innenstadtlagen anzumieten. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen und in den nächsten Jahren zuspitzen, wenn die Politik jetzt nicht endlich handelt und den Wohnungsneubau wiederbelebt. "Wir benötigen mindestens 150.000 neue Mietwohnungen pro Jahr, davon 40.000 Sozialmietwohnungen", forderte der Mieterbundpräsident.
Bisher reagiert die Politik nicht. Für Städtebauförderungsmaßnahmen, Programme wie "Soziale Stadt" sieht der Haushalt 2013 wieder keine Steigerung vor. Das Gleiche gilt für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm, über das die energetische Modernisierung von Häusern angestoßen werden soll. Für das Programm "Altersgerecht umbauen" werden wie schon in diesem Jahr keine Steuermittel zur Verfügung gestellt, obwohl die Bundesregierung selbst davon ausgeht, dass bis zum Jahr 2020 insgesamt zusätzlich 3 Mio. altersgerechte Wohnungen benötigt werden.
Rips: "Um den Wohnungsbau neu zu beleben schlagen wir vor:
- Steuerliche Verbesserungen, z.B. eine Anhebung der linearen AfA von 2 auf 4 Prozent.
- Steuerliche Anreize schaffen, damit Firmen und Unternehmen wieder in Betriebs- und Werkswohnungen investieren.
- Öffentliche Förderungen für energetische Sanierungen ausbauen und für altersgerechtes Umbauen schaffen.
- Fortsetzung bzw. Anhebung der Kompensationszahlungen des Bundes von derzeit 518 Mio. Euro an die Länder für die soziale Wohnraumförderung.
- Die Bundeszahlungen müssen von den Ländern zweckgebunden vor allem für den Neubau von Sozialmietwohnungen eingesetzt werden. Gleichzeitig müssen die Länder für den Sozialwohnungsbau entsprechende eigene Finanzmittel zur Verfügung stellen.
- Der Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände, gleichgültig ob bundeseigene, landeseigene Wohnungen oder kommunale Bestände, muss verhindert werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Mieterbund e.V. (DMB)
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