Merkel-Regierung wirft Schatten auf Bahn-Börsengang
(Berlin) - Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) haben in einem aktualisierten Gutachten den Bahn-Börsengang ohne Netz gefordert. Die Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn erkennt darin die Umrisse einer Privatisierungspolitik unter einer Kanzlerin Angela Merkel. Sie lehnt beide Varianten eines Börsengangs mit oder ohne Netz ab.
Beide Unternehmerverbände fordern, die Schienentrassen müssten Teil der "öffentlichen Infrastruktur" bleiben, während der Bahnverkehr "von konkurrierenden privaten Bahnunternehmen" zu betreiben sei. Sie begründen dies damit, dass die "kurzfristigen Rentabilitätserwartungen der Investoren in ständigem Widerspruch zur Langfristigkeit" der Schienenwegeinvestitionen stünden; dass private Eigner der Trassen um die Rendite zu steigern, die Ausgaben für das Netz auf ein Minimum reduzieren und Nebenstrecken stilllegen würden. Da die Schiene auch in Zukunft subventioniert werde, würde die Rendite großteils durch den Steuerzahler finanziert. "Die Kosten des Systems Schiene wären überwiegend sozialisiert, die Gewinne bei wenigen institutionellen Anlegern privatisiert."
Gut gebrüllt! BDI und DIHT haben mit ihren Argumenten ja recht. Nur: Diese treffen auch auf einen Börsengang ohne Netz, auf eine Privatisierung des Bahnbetriebs, zu. Es kommt dann auf zweierlei Art zur "Sozialisierung der Kosten und Privatisierung der Gewinne":
- Erstens über (zu) niedrige, nicht kostendeckende Trassenpreise, mit denen die privaten Betreiber von der staatlichen Trassengesellschaft alimentiert werden
- Zweitens über direkte Subventionen an private Betreiber. So erfordert der Regional- und Nahverkehr (bisher u.a. DB Regio und Connex) jährlich rund sieben Milliarden Euro an Subventionen ("Regionalisierungsgelder").
Das Argument, wonach "kurzfristige Rentabilitätserwartungen in Widerspruch geraten zur Langfristigkeit" von Investitionen gilt auch für den privaten Bahnbetrieb. Die Investitionen in das rollende Material sind auf zwei und mehr Jahrzehnte angelegt. Die kurzfristig erwarteten Renditeziele fördern das Fahren auf Substanz und die Zurückhaltung bei den Langzeit-Investitionen.
DIHT und BDI verweisen immer wieder auf die "schlechten Erfahrungen in Großbritannien", weil dort das Gleisnetz "fälschlicherweise privatisiert" worden sei. Tatsächlich ist dort mit der Trennung von Netz und Verkehr prinzipiell der gleiche Fehler gemacht worden, wie ihn BDI und DIHT vorschlagen: was zusammengewachsen ist und zusammen gehört, wurde zerschlagen womit Synergie und Sicherheitsstandards reduziert wurden. Vor allem befindet sich das britische Schienennetz seit zwei Jahren wieder in staatlicher Hand. Es besteht also exakt der Zustand, den DIHT und BDI anstreben. Nach wie vor aber ist die britische Bahn das Paradebeispiel für die Zerstörung, den eine Privatisierung des Bahnverkehrs mit sich bringt u.a. durch den damit erzeugten Flickenteppich von Fahrplänen und Tarifsystemen.
Wir bleiben dabei: Die Bahn muss im öffentlichen Eigentum bleiben bei den Trassen und im Verkehr (Betrieb). Weder das Börsen-Modell Schröder-Mehdorn noch das Börsenmodell Merkel-BDI-DIHT weisen zu einem "Unternehmen Zukunft". Eine Bahn in öffentlichem Eigentum sollte so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig betrieben werden just so, wie in der Schweiz, wo mit der SBB unter topographisch schwierigen Bedingungen die weltweit erfolgreichste Bahn betrieben wird: Zum Nutzen und Frommen von Fahrgästen und Umwelt.
Quelle und Kontaktadresse:
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