Menschenrechtsarbeit in einer globalisierten Welt
(Berlin / Hannover) - Anlässlich der Vorstellung der jüngst erschienen Dokumentation "Menschenrechte Herausforderung und Verpflichtung für die Wirtschaft" erinnert Dr. Mathias John, Sprecher des Arbeitskreises "Wirtschaft und Menschenrechte" der deutschen Sektion von amnesty international, an die Verpflichtung von Unternehmen zum Engagement für die Menschenrechte: "Mit zunehmendem Einfluss der Wirtschaftsunternehmen in Zeiten der Globalisierung nimmt auch die Verantwortung der Konzerne für die Einhaltung der Menschenrechte zu. Die Wirtschaft muss sich endlich ihrer Verpflichtung stellen, wie sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte für alle Organe der Gesellschaft einfordert."
Auch und gerade im Umfeld der EXPO2000 in Hannover thematisiert amnesty international (ai) unter dem Motto "Menschenrechte eine Investition in die Zukunft" den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Engagement und Menschenrechten. "Traditionell sind Wirtschaftsunternehmen wichtige Partner bei Weltausstellungen. Wirtschaftliche Themen spielen dadurch eine große Rolle, Vertreter aller Ebenen der Wirtschaft sind präsent. Für uns ist das ein Anknüpfungspunkt. Leitmotiv und Prüfstein für das Verhalten wirtschaftlicher Akteure müssen die Prävention von Menschenrechtsverletzungen sowie Schutz und Hilfe für die Opfer sein," so Dr. Mathias John. "Schließlich stehen die Verletzungen wirtschaftlicher, sozialer, kultureller sowie bürgerlicher und politischer Rechte häufig in engem Zusammenhang".
Die Globalisierung hat für Menschenrechtsorganisationen wie ai die Rahmenbedingungen verändert: "Ursprünglich haben wir uns mit unseren Forderungen auf Regierungen konzentriert, inzwischen ist notwendigerweise der ökonomische Sektor stärker ins Blickfeld gerückt," macht Dr. Mathias John deutlich. "Dies kann aber nicht heißen, dass sich Staaten aus ihrer Verantwortung für die Menschenrechte stehlen dürfen - der internationale Menschenrechtsschutz muss weiter ausgebaut werden."
Mit der vorgelegten Dokumentation liefert amnesty international eine breit angelegte Diskussionsgrundlage, die Beiträge von Vertretern der Wirtschaft, Gewerkschaften, Politik und Nichtregierungsorganisationen zusammenfasst, ergänzt durch konkrete Fallbeispiele. "Eines machen diese Fälle besonders deutlich:" meint Dr. Mathias John. "Wir brauchen verbindliche und übergreifende, die ganze Breite der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte umfassende Regelungen und Verhaltenskodizes. Erste Ansätze reichen bei Weitem nicht aus." Nur ein geringer Anteil bestehender Verhaltenskodizes verweist explizit auf internationale Standards wie etwa die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), wie eine Studie der OECD aus dem Jahr 1999 ergab. Besondere Mängel bestehen bei der zentralen Frage der Implementierung und unabhängigen Kontrolle: Nur etwa jeder zehnte Kodex sieht externe Überwachungsmechanismen vor.
"Häufig ist es der öffentliche Druck in Verbindung mit kritischem Dialog, der Verhaltensänderungen bei Unternehmen anstößt." berichtet Dr. Mathias John. So bezieht sich der Shell-Konzern, der die Bohrinsel "Brent Spar" in der Nordsee versenken wollte und sich in Nigeria mit der damaligen Militärdiktatur einließ, nach starkem öffentlichem Druck in seinen neuformulierten Unternehmensgrundsätzen explizit auf die Menschenrechte. Auch British Petroleum (BP) erklärt mittlerweile, die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte niedergelegten Prinzipien zu unterstützen und praktische Maßnahmen gegen die Verwicklung in Menschenrechtsverletzungen zu ergreifen - nachdem u.a. amnesty international 1997 davor warnte, dass die Ausbildung kolumbianischer Polizeieinheiten durch eine von BP verpflichtete "Sicherheits"firma zu schweren Menschenrechtsverletzungen an der örtlichen Bevölkerung beitragen könnte.
Trotz einzelner richtiger Schritte tut sich die "business community" schwer, umfassend und nachprüfbar ihrer Verpflichtung für die Menschenrechte gerecht zu werden. Die ai-Dokumentation belegt dies mit Fallbeispielen: So setzt sich amnesty international seit Jahren für indische Umweltaktivisten wie Medha Patkar ein, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden. Durch das Narmadatal-Entwicklungsprojekt, eines der größten Wasserkraft-Elektrizitätsprojekte der Welt, werden rund 1,5 Millionen Menschen in den Bundesstaaten Gujarat, Maharashtra und Madhya Pradesh zur Umsiedlung gezwungen. Die Behörden gehen immer wieder gewaltsam gegen Demonstranten und Dorfbewohner vor.
Als weiteres Beispiel benennt die ai-Dokumentation Ölförderprojekte im Sudan, bei denen amnesty international die mögliche Verbindung zwischen Menschenrechtsverletzungen durch Regierungstruppen und paramilitärische Verbände sowie der Tätigkeit von ausländischen Firmen in den Ölgebieten untersucht hat. Beim Bau einer 1600 Kilometer langen Ölpipeline sind Zehntausende Menschen aus ihren Dörfern vertrieben worden. Nach Anschlägen durch bewaffnete Gruppen auf die Pipeline wurden Hunderte Zivilisten ermordet. Die im Sudan engagierten Ölkonzerne haben die Vorfälle heruntergespielt.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Treffpunkt Weltkirche" nimmt Dr. Mathias John am Donnerstag, 27. Juli 2000, 18.00 Uhr an einer Diskussionsrunde im Gemeindehaus der Herrenhäuser Kirche, Böttcherstraße / Hegebläch teil.
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